Space Management
OPTIMALE REGALBESTÜCKUNG
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Die Raumaufteilung der Apotheke und insbesondere des HV-Bereiches, aber auch die Regalgestaltung (Space-Management) tragen wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke bei. Denn allgemein gilt: Lagerhaltung hat Grenzen – finanziell und räumlich. Knapp und kostbar beziehungsweise teuer sind insbesondere Offizinflächen und dort vorhandene Regalmeter. Da aber der Point-of-Sale in der Apotheke – wie in jedem Einzelhandel – der entscheidende Ort für die Generierung von Umsätzen ist, will jede Regalbelegung sehr gut geplant und begründet sein und sollte zudem regelmäßig überarbeitet werden.
Die optimale Sortimentsauswahl und -anpassung ist für den Verkauf und damit betriebswirtschaftlich äußerst wichtig. Die Bedeutung der Sicht- und Freiwahl als Gegengewicht zum eher fremdbestimmten Rezeptumsatz steht außer Frage. Arzneimittel, die in Kommissionierer oder Schublade lagern und nach Beratungsgespräch angeboten werden, sind zumindest erst einmal nicht für die knappe Regalfläche vorne im Offizinbereich als limitierender Faktor relevant.
Andererseits erfordert die enorme Produktvielfalt eine rationale, kennzahlenbasierte Artikelauswahl und entsprechende Platzierungs- und Lagerentscheidung. Regale in der Offizin sollten nicht „aus dem Bauch heraus“, sondern nach klaren Zielen und Vorgehensweisen bestückt werden.
Warenplatzierung hilf VerkaufenIm OTC-Bereich (Non-Rx) beziehungsweise dem apothekenüblichen Ergänzungssortiment (etwa Körperpflege, Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel) hat das Apothekenpersonal die Möglichkeit, die Kaufentscheidungen des Kunden zu beeinflussen beziehungsweise aus den Kaufentscheidungen des Kunden Konsequenzen zu ziehen, um den ökonomischen Erfolg der Apotheke positiv zu beeinflussen.
So helfen einerseits Kenntnisse aus der Marktforschung: Kunden müssen auf jeden Fall das Gefühl haben sich selbst zu entscheiden, wie sie sich im Ladengeschäft bewegen. Gleichzeitig gibt es aber erforschte Muster, die es zu nutzen gilt. Etwa 80 Prozent der Kunden haben einen „Rechtsdrall“. Verkaufsaktive Zonen sind Regale, die sich rechts vom Kunden befinden, ebenso Anbauflächen, also Wände auf die der Kunde zuläuft, wenn er an Regalen vorbeigeht, sowie Stauzonen, also der unmittelbare Kassenbereich.
Letzterer ist deshalb auch so gut für Impulsartikel geeignet. Verkaufsschwache Zonen sind Verkaufsbereiche mit Zugluft, der unmittelbare Eingangsbereich („Rennstrecke“), die Ecken und Mittelgänge, die ersten und letzten Meter einer Wand, Regale links vom Kunden. Breite Gänge laden zum Verweilen am Regal ein, enge Gänge erhöhen das Lauftempo des Kunden. Stehen Kunden vor einem Regal, tastet sich ihr Blick diagonal über die Produkte: von oben links über die Mitte des oberen Drittels eines Regalblockes nach rechts unten.
Wonach der Kunde unmittelbar greifen kann, ohne seine Haltung zu verändern, erscheint ihm am attraktivsten. Verkaufsstrategisch werden Regale deshalb wiederum gerne je nach Regalbrett-Höhe in vier Zonen eingeteilt: Reckzone (höher als 1,80 Meter), Griffzone (1,20 bis 1,60 Meter), Hüftzone (im Bereich 1,20 Meter) sowie Bückzone (unter 0,80 Meter).
Gute und schlechte PlätzeDas Zauberwort heißt somit Regaloptimierung. Aus dem Lebensmittelhandel ist dies den meisten sicherlich bekannt: Markenprodukte werden in Sichthöhe platziert, Produkte, die eine hohe Gewinnspanne haben ebenfalls. Eigenprodukte und Billigwaren befinden sich hingegen in den unbequemen unteren Ebenen. Auch auf den einzelnen Regalböden gibt es gute und weniger gute Platzierungen. Da in unserem Kulturkreis von links nach rechts gelesen wird, „lesen“ die meisten Kunden auch Regale in dieser Richtung.
Für Produkte, die bevorzugt verkauft werden sollen, sind deshalb links liegende Regalbereiche besonders empfehlenswert. Strategisch ist diese Planung des Regallayouts sinnvoll und erfolgt bei großen Ketten und ihren Lieferanten mittlerweile häufig unter Zuhilfenahme spezieller Planogramm-Software, die auf Algorithmen der linearen Optimierung beruht und allgemeine und individuelle Abverkaufszahlen, Marktforschungsanalysen, Warenwirtschaftsdatenbanken und deren genaue Auswertung einbezieht. Auch in der Apotheke ist dies immens wichtig – und Category Management, das Strukturieren nach dem Prinzip der Warengruppen, das Umsetzen von Planogrammen, also die visuelle Darstellung sinnvoller Artikelplatzierung in Regalen der Sicht- und Freiwahl, nimmt auch außerhalb von Vorleistungen durch Apothekenkooperationen immer breiteren Raum ein.
Berücksichtigt wird bei der Regaloptimierung der voraussichtliche Bedarf, um den Warenbestand im Regal optimal anzupassen und Leerverkäufe möglichst zu vermeiden. Auch Sortimentszusammenhänge (Blöcke) und optische Kriterien spielen eine Rolle. Denn es ist bekannt, wie wichtig die optisch harmonische Gestaltung, das einheitliche Bild ist: Sobald der Kunde beruhigt auf Sicht- oder entsprechend Freiwahlregale sehen kann, entspannt er sich – und die Chance zum Kauf steigt.
Was? Wieviel? Wo? Warum?Das sind letztlich die vier Kernfragen des Space-Managements. In der Apotheke bietet sich als einheitliches Konzept bei der Regalbefüllung in Sicht- und Freiwahlgestaltung die Sortierung nach Firmen und/oder nach Themen an: Letzteres etwa klassisch in der Sichtwahl nach Indikationen oder in der Freiwahl etwa nach „Baby und Familie“, Männergesundheit, (dekorative) Kosmetik, Sport, unreine Haut, Nahrungsergänzung. Welches Sortiment, welche Warengruppen, welche Produkte kommen nach vorne?
Was platziere ich davon wo und wie? Wieviel Packungen jeweils und warum? Zunächst wichtig ist eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wie viel Umsatz beziehungsweise Rohertrag wurde mit nicht verordneten Medikamenten insgesamt erwirtschaftet? Wie viel davon entfiel auf Frei- und Sichtwahl? Mit welchen Artikeln inklusive welchen davon in Frei- und Sichtwahl hat die Apotheke im vergangenen Jahr den meisten Rohertrag erwirtschaftet? Welche Produktkategorien und welche Regalplätze waren besonders erfolgreich?
Stehen Artikel in den Regalen vorne, die sich nicht beziehungsweise kaum verkaufen? Ist das Warenlager auf größtmögliche Lieferfähigkeit bei möglichst geringer Kapitalbindung angepasst? Die modernen Warenwirtschaftssysteme bieten hierfür umfangreiche Auswertungsmöglichkeiten. Begonnen wird mit den Indikationskategorien, ansonsten werden Warengruppenlisten erstellt, sortiert nach dem größten Anteil an Absatz, Umsatz und Rohertrag (Stückertrag).
Letztlich lassen sich für alle Produkte und Sortimente je nach Marktgröße, Abverkäufen, Rohertrag und Lieferantenservice mithilfe der ABC-Analyse (A ist am stärksten am Umsatz/Gewinn beteiligt, C am wenigsten) einteilen. Der Rohertrag je Artikel, der Rohertrag je Packung (Stückertrag) und die Lagerumschlagsgeschwindigkeit helfen bei der Entscheidung, ob und wo (Platzierung) ein Artikel gelistet wird.
Weniger ist mehrEine allgemeingültige Regel über die Zahl der Produkte pro Regalmeter existiert nicht. Da die Sichtwahl vom Kunden aus der Ferne betrachtet wird, sollten – da dies besser wahrgenommen wird – nur sehr wenige verschiedene Produkte dort stehen („Blockbildung“). In der Freiwahl können es hingegen mehr sein, weil die Kunden diese aus der Nähe betrachten und in die Hand nehmen können. Verschiedene Packungsgrößen und Darreichungsformen eines Produktes werden in der Sichtwahl aus größerer Entfernung als eine Einheit wahrgenommen, wenn das Packungsdesign übereinstimmt.
In der Freiwahl ergibt sich ein ähnlicher Effekt mit den vielfältigen Artikeln einer Kosmetiklinie, da die Marke wahrgenommen und von Ferne ein einheitliches Gesamtbild vermittelt wird. Kunden verhalten sich nun einmal weniger logisch als psychologisch: Kleinere Platzierungseinheiten lösen erwiesenermaßen geringere Kaufimpulse aus. Welche Auswirkungen eine Veränderung des Sortimentes, die Umgestaltung in Sicht- und Freiwahl hat und was Preisanpassungen bewirken, gilt es regelmäßig zu überprüfen.
Hierfür gibt es den so schönen Begriff der Elastizität der Nachfrage (betriebswirtschaftliche Kennzahl). Die Freiwahl- oder Sichtwahlelastizität der Nachfrage gibt dabei an, wie sich die Nachfrage nach einem Artikel, also dessen Absatz ändert, wenn dieses Produkt in die Sicht- oder Freiwahl aufgenommen oder aus ihr entfernt wird. Die direkte Preiselastizität der Nachfrage misst, wie sich eine Preisänderung auf die nachgefragte Menge auswirkt – und ob sich so Umsatz/Gewinn steigern lassen.
So können solche Artikel in die Frei- oder Sichtwahl wandern, die durch diese Maßnahme eine Steigerung des ohnehin schon hohen Artikelabsatzes erwarten lassen (hohe Frei- oder Sichtwahlelastizität der Nachfrage). Umgekehrt können selbst erfolgreiche Artikel aus der Sichtwahl entfernt werden, wenn davon auszugehen ist, dass sie unabhängig von der Präsentation ohnehin nachgefragt werden (geringe Sichtwahlelastizität der Nachfrage).
Noch ein paar wichtige strategische Faustregeln: Die Gewinn versprechenden, gut kalkulierten Produkte an die verkaufsstarken Regal-Stellen platzieren. An den verkaufsschwachen Stellen stehen hingegen die Suchartikel, an denen weniger verdient wird, die aber der Kunde für seinen täglichen Gebrauch durchaus in der Apotheke sucht. Aktionsartikel, die eng kalkuliert nur eine geringe Marge aufweisen, können ebenfalls in verkaufsschwächeren Zonen platziert werden – und diese Zone dadurch sogar aufwerten und attraktiv machen.
Klassische Blockbildung mit mindestens drei Packungen, einheitlicher Farbe und klarem Farbverlauf wirkt von der Ferne in Regalen verkaufsoptimierend. Die „alles ins Regal“-Strategie nach dem Gesichtspunkt: „Was nicht vorne steht, wird auch nicht verkauft“ sollte nur für Sonderfälle – und bei reichlich Platz – gelten. Manchmal können allerdings sogar Lücken den Umsatz erhöhen, indem sie optisch anziehend wirken und – geschickt platziert – Nachfrage vortäuschen.
Besonders die Anordnung in Treppenform, als Variante der Lücke, symbolisiert im Regal eine hohe Nachfrage und signalisiert dem Kunden: Gefragt! Greif zu! Zeitreihenvergleiche und Vergleich der Auswirkungen von Platzierungsänderungen helfen, die Maßnahmen zum wirtschaftlichen Wohl der Apotheke zu optimieren. Es existieren Verkaufsregeln, die meistens – oder in den meisten Apotheken – greifen. Aber einfache Vorschriften nach dem Motto „Tue dies, dann passiert das“ existieren nicht. Je nach Kundenstruktur und Apothekenlage führt die gleiche Maßnahme für unterschiedliche Apotheken zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 94.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin