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Politik

NOVELLIERUNG DES ARZNEIMITTELGESETZES

Seit Inkrafttreten des AMG 1961 folgten eine grundlegende Neuordnung des Gesetzes, fünfzehn Novellierungen und ein Änderungsgesetz. Europäisches Recht macht nun eine weitere Fortschreibung erforderlich.

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Vor fünfzig Jahren gab es in Deutschland keine umfassende gesetzliche Regelung des Verkehrs mit Arzneimitteln, obwohl bereits damals die meisten industriell hergestellt wurden. Die einschlägigen Vorschriften waren auf eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen verteilt. Das Auffinden der einschlägigen Vorschriften war schwierig, dafür die Regelungstiefe gering.

Nach einer umfassenden Neuordnung des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1976 und weiteren Novellierungen hat man zwar heute ein homogenes Arzneimittelrecht, aber hoch komplexe, mitunter schwierig zu verstehende Rechtsvorschriften. Und ständig kommen Ergänzungen hinzu.

Europäischer Einfluss Regelungen auf europäischer Ebene nehmen seit Jahren und immer stärker Einfluss auf das nationale Arzneimittelrecht. Sie sind quasi zum „Motor” der Weiterentwicklung des AMG geworden. Das Ziel ist eine weitgehende Harmonierung. So sollen sichere Arzneimittel und freier Warenverkehr gewährleistet werden. Bereits die Neuordnung des Arzneimittelrechts vor rund vierzig Jahren diente vor allem der Transformation pharmazeutischer EG-Richtlinie, also der Angleichung an internationale Standards.

Beispielhaft erwähnt sei auch die fünfte AMG-Novelle von 1994, die eine Umsetzung von nicht weniger als elf europäischen Richtlinien in deutsches Recht brachte und damit unter anderem eine Vereinheitlichung der Etikettierung und Packungsbeilage. Oder nehmen wir die siebte Novelle von 1998, die maßgeblich dazu diente, zentrale und dezentrale europäische Zulassungsverfahren im deutschen Arzneimittelrecht zu verankern.

Weitere Änderungen Im neuen Jahrtausend hat der europäische Einfluss auf das AMG eher noch zugenommen. Die zwölfte Novelle diente unter anderem der Umsetzung wichtiger europäischer Vorschriften zur Pharmakovigilanz und zur Durchführung klinischer Prüfungen. Auch die vierzehnte AMG-Novelle brachte eine Angleichung an europäisches Recht. So muss seither anstelle des bisherigen Herstellungs-, Kontroll- und Vertriebsleiters eine sachkundige Person, eine „qualified person“, als Hauptverantwortlicher benannt werden.

Auch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften aus dem Jahr 2009 diente im Wesentlichen der Anpassung an die europäischen Verordnungen über Kinderarzneimittel und neuartige Therapien sowie zur weitergehenden Harmonisierung der Begriffsbestimmungen. Das nunmehr vorliegende zweite AMG-Änderungsgesetz reiht sich in diese Liste nahtlos ein. Denn der Auslöser für die Fortschreibung ist einmal mehr europäisches Recht, nämlich zur Pharmakovigilanz und zum Schutz vor Fälschungen.

Insgesamt handelt es sich um ein Artikelgesetz, das auch kleinere Änderungen unter anderem im Apotheken-, Betäubungsmittel- und dem Heilmittelwerbegesetz bringt. Auf gut einhundertdreißig Seiten finden sich zahlreiche Detailregelungen. Beispielsweise sind für verschreibungspflichtige Arzneimittel Sicherheitsmerkmale auf der äußeren Umhüllung und eine Vorrichtung zum Erkennen einer möglichen Manipulation vorgesehen. Dadurch sollen Lieferwege transparenter und das Eindringen von Fälschungen in die legale Lieferkette erschwert werden. Nähere Einzelheiten werden noch in so genannten delegierten Rechtsakten festgelegt. Außerdem werden die Dokumentations- und Meldepflichten der pharmazeutischen Unternehmer zu Nebenwirkungen ihrer Produkte verschärft.

AUS FÜR INDUSTRIE?
Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, sollen im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht zukünftig nur noch Vertreter der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft, jedoch nicht mehr Industrievertreter stimmberechtigt sein. Man erhofft sich so unbeeinflusste, wissenschaftlich fundierte Voten. Der Bundesrat plädiert für eine vorsichtige Reform des Ausschusses und eine Stärkung der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft.

Was betrifft die Apotheken? Interessant ist die Klarstellung im AMG, wonach die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die durch Versandapotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Deutschland in Verkehr gebracht werden. So sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Eine weitere Änderung betrifft den mit dem letzten AMG-Änderungsgesetz geschaffenen Sicherstellungsauftrag des Großhandels und der pharmazeutischen Unternehmer.

Der „Papiertiger” erhält nun Zähne: Kommt es künftig zu einem erheblichen Versorgungsmangel der Bevölkerung mit einem Arzneimittel, das zur Vorbeugung oder Behandlung schwerwiegender Erkrankungen dient, kann die zuständige Behörde gemäß Gesetzentwurf Anordnungen treffen, beispielsweise die Produktionskapazitäten auszuweiten oder bestimmte vollversorgende Großhandlungen und Apotheken vorrangig zu beliefern.

Ausblick Die nächste (sechzehnte) Novellierung des AMG ist bereits in Arbeit. Sie soll die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine bessere Überwachung von Tierarzneimitteln schaffen. Für Nachschub ist also gesorgt …

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 ab Seite 72.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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