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Hoch ansteckend

NOROVIREN

Ein Magen-Darm-Virus, das nach dem Kalender zuschlägt: In der kalten Jahreszeit erkranken mehr Menschen am Norovirus.

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Nun heißt es wieder: Verstärkt auf der Hut sein vor dem Norovirus. Denn obwohl Infektionen ganzjährig auftreten können, häufen sie sich in den Wintermonaten. Zuletzt berichteten die Medien vom Flusskreuzfahrtschiff „Prinses Juliana”, das über Neujahr 2011 in Koblenz unter Quarantäne gestellt wurde.

Kein Einzelfall Der Vorfall auf der „Prinses Juliana” ist keine Ausnahme. Immer wieder brechen auf Kreuzfahrtschiffen Norovirusinfektionen aus. Die „Celebrity Mercury” musste im März 2010 drei Tage lang desinfiziert werden, bevor sie ihre Reise wieder aufnehmen konnte. Da das Norovirus extrem ansteckend ist, kann sich eine Infektion auf begrenztem Raum rasend schnell ausbreiten. Daher sind Menschenansammlungen wie auf einem Kreuzfahrtschiff, aber auch in Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen oder Kindergärten gefährdet.

Kleines Virus, große „Wirkung” Einziger Wirt des zur Gruppe der Caliciviren gehörenden Norovirus ist der Mensch. Die Erreger gehören mit etwa 35 Nanometern zu den kleineren Virusarten. Doch so klein sie auch sind, so groß ist der Schaden, den sie anrichten können, denn nur zehn der winzigen Erreger reichen aus, um viralen Brechdurchfall auszulösen. Das Virus befindet sich im Stuhl oder im Erbrochenen und wird durch Schmierinfektion direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben. Es kann aber auch über verseuchte Tröpfchen eingeatmet werden, die beim Erbrechen ausgeschieden werden. Außerdem kann sich das Virus über kontaminierte Speisen und Getränke verbreiten.

Befinden sich die Erreger im Körper, dauert es meist nur wenige Stunden, bis die Symptome beginnen: heftiger Durchfall und starkes Erbrechen, begleitet von Bauch- und Kopfschmerzen sowie Übelkeit. Dabei haben die Patienten meist nur eine leicht erhöhte Körpertemperatur, aber kein Fieber. Da die Krankheit sehr schnell und heftig verläuft, verlieren Infizierte große Mengen an Flüssigkeit. Eine Norovirusinfektion kann daher bei immungeschwächten Menschen, Senioren oder Kleinkindern sogar tödlich sein. Allerdings liegt die Sterberate deutlich unter 0,1 Prozent.

Nach ein bis drei Tagen ist der Spuk meist wieder vorbei, doch sind die Betroffenen bis zu zwei Wochen nach Abklingen der Symptome noch Überträger des Virus. Eine Infektion kann zudem bei manchen Menschen völlig symptomfrei ablaufen, sodass scheinbar Gesunde ebenfalls hoch ansteckend sein können. Seit 2001 besteht in Deutschland für Noroviruserkrankungen Meldepflicht.

Was tun? Beim plötzlichen Auftreten von schwallartigem Erbrechen und Durchfällen sollte man immer an eine Norovirusinfektion denken. Dann sollten Betroffene vorsorglich nicht aus dem Haus gehen bzw. soweit wie möglich isoliert werden. Kinder dürfen weder in den Kindergarten, noch in die Schule. Für Menschen mit einem normal starken Immunsystem reichen dann Bettruhe, Nahrungskarenz und eine verstärkte Flüssigkeitszufuhr von mindestens drei Litern täglich.

Infolge von Erbrechen und Durchfall verlorene Salze und Mineralien kann man durch eine Elektrolytlösung ausgleichen, die bereits auch fertig in der Apotheke zu kaufen sind. Gegen die Übelkeit können Antiemetika eingenommen werden. Kleinkinder, ältere Menschen und Immunschwache sollten jedoch von einem Arzt untersucht werden. Das gilt auch für Betroffene, bei denen sich nach drei bis vier Tagen keine Besserung der Symptome einstellt, oder auch, wenn sich der Zustand verschlechtert oder eine starke Dehydratation auftritt.

Ansonsten gilt für Infizierte und alle, die mit ihnen zu tun haben: Hygiene ist oberstes Gebot. Dazu gehört gründliches, häufiges Händewaschen mit einem speziellen antiviralen Desinfektionsmittel. Seife ist nicht wirksam gegen Noroviren, da die Erreger darauf tagelang infektiös bleiben. Sie sollte somit nicht von mehreren Personen gleichzeitig benutzt werden. Dies gilt vor allem in Familien, in denen es bereits einen oder mehrere Erkrankte gibt, denn andere Familienmitglieder könnten bereits Virenträger sein, ohne dass Symptome ausgebrochen sind.

NACHWEIS
Eine Infektion lässt sich im Stuhl nachweisen. Dies geschieht durch die Vermehrung viraler Nukleinsäuren, elektronenmikroskopische Untersuchungen oder den Nachweis viraler Proteine. Diese Methoden sind jedoch teuer, teilweise aufwändig und nicht immer zuverlässig. Bei Infektionen von großen Gruppen scheinen sie in Anbetracht der schnellen Inkubationszeit nicht immer sinnvoll zu sein.

Bettwäsche und Handtücher müssen mindestens einmal täglich gewechselt werden, wobei der Erkrankte eigene Handtücher haben sollte, die von niemand anderem benutzt werden. Lebt man mit einem oder mehreren Erkrankten auf engem Raum zusammen, sollte man auch über einen Mundschutz nachdenken, um das Infektionsrisiko durch die Aerosole des Erbrochenen zu minimieren. Noroviren sind extrem resistent gegenüber Umwelteinflüssen, sie überleben bei Temperaturen zwischen minus 20 und plus 60 °C und können bis zu zwei Wochen auf kontaminierten Oberflächen überstehen. Daher sollte man Leib- und Bettwäsche sowie Handtücher bei mindestens 75 °C waschen, um die Viren verlässlich abzutöten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 66.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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