Internationaler Frauentag
NIE GABEN SIE AUF, DIE FRAUEN
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Jedes Jahr am 8. März gibt es einen Tag nur für Frauen, und im Bundesland Berlin ist er seit 2019 sogar ein gesetzlicher Feiertag. Gegründet wurde er in einer Zeit, in der Frauen weder wählen durften noch einer Erwerbstätigkeit nachgingen, sofern sie verheiratet waren. Ursprungsland war Amerika.
Es begann in den USA Die Frauenorganisation der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA) rief am 28. Februar 1909 erstmals einen solchen Tag ins Leben, um für das Frauenwahlrecht ein Zeichen zu setzen. Ursprünglich sollte er an jedem letzten Sonntag im Februar stattfinden – weil Frauen dann nicht arbeiten mussten. Besondere Beachtung erhielt der Tag jedoch, da sich auch die Suffragetten anschlossen, eine bürgerliche Frauenrechtsbewegung. Die Veranstaltung wurde ein solcher Erfolg, dass man beschloss, sie zu wiederholen. Diese Idee brachte die Deutsche Clara Zetkin 1910 mit in die Frauenkonferenz der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen.
Unter dem Slogan „Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“ warb auch sie für die Gewährung des Wahlrechtes für ihre Geschlechtsgenossinnen – und das sah in der Tat mau aus. Außer in Finnland durften zu dieser Zeit in keinem europäischen Land Frauen wählen oder gewählt werden. So stimmten denn die Konferenzteilnehmerinnen für den Vorschlag der zwölf deutschen Delegierten, mit einem Frauentag den Kampf für Frauenrechte allgemein und das Frauenwahlrecht im Besonderen zu unterstreichen; zunächst ohne festes Datum. Am Ende folgten am 19. März 1911 rund eine Million Menschen in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz einem Aufruf von Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Sozialisten, die für Frauen die gleichen Rechte wie für Männer forderten. Das Datum war bewusst gewählt; es sollte an den Vortag der Märzrevolution 1848 erinnern.
Das Frauenwahlrecht ist geschafft Die Idee hatte gezündet. 1913 und 1914 nahm sich der Frauentag auch des Protestes gegen den Krieg an. 1917 wiederum, ein Jahr vor Ende des Ersten Weltkrieges, hieß das Motto „Für Brot und Frieden“ und der Gedenktag wurde zunehmend für Propagandazwecke missbraucht. Nachdem der Krieg 1918 beendet war, drohte der Frauentag in Deutschland in der Versenkung zu verschwinden: Zum einen hatte er sein Thema verloren (das Frauenwahlrecht stand mittlerweile in der Verfassung), zum anderen wurde er zunehmend politisch unerwünscht.
Rot sind alle meine Kleider Doch die Damen ließen sich nicht unterkriegen. Vor allem die russischen Frauen – Arbeiterinnen, Ehefrauen von Soldaten und Bäuerinnen – gingen gemeinsam auf die Straße und lösten damit die Februarrevolution aus 1917. Vier Jahre später legte man den Gedenktag endgültig auf den 8. März fest, da dieser Tag im gregorianischen Kalender dem Datum des ursprünglichen Revolutionsmarsches entsprach. In den folgenden Jahren wogten die Forderungen hin und her, die Daten auch, und zweitweise gab es sogar zwei Frauentage. Heraus kristallisierten sich die Themen Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnabschläge, die Schulspeisung und der legale Schwangerschaftsabbruch. Es blieb dabei bis 1933. Als Hitler an die Macht kam, wurde das Begehen des Internationale Frauentages in Deutschland aufgrund seiner sozialistischen Tradition offiziell verboten.
Stattdessen wurde der Muttertag am 2. Maisonntag gemäß der nationalsozialistischen Ideologie zum offiziellen Feiertag erhoben. Doch die Frauen ließen sich das Feiern nicht verbieten: Es gab zwar keine öffentlichen Demonstrationen mehr, jedoch viele private. Und gern hängten die unerschrockenen Frauenrechtle- rinnen am 8. März rote, großformatige Wäsche- oder Kleidungsstücke zum „Auslüften“ in ihre Fenster. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde alles anders, zumindest in der sowjetisch besetzten Zone, der späteren DDR. In der Deutschen Demokratischen Republik galt die vollzeitbeschäftigte und gleichberechtigte Frau als Ideal und gesellschaftliches Leitbild – das wurde gebührend gewürdigt. Zwar war der Internationale Frauentag auch in der DDR niemals gesetzlicher Feiertag, doch gefeiert wurden sie trotzdem, die Frauen: Es gab Orden und Auszeichnungen, überschwängliche öffentliche Danksagungen und jede Menge rote Nelken.
Frauenrechte auf dem Vormarsch In Westdeutschland dämmerte er noch eine Weile im Winterschlaf; erst in den 1960er Jahren nahm sich die Frauenbewegung wieder des Themas an. Immer noch durften Frauen ohne Zustimmung des Ehemanns keine bezahlte Arbeit ausüben; immer noch wurden sie gesellschaftlich diskriminiert, schlechter bezahlt und waren Gewalt in der Ehe ausgesetzt, gegen die eine Frau sich praktisch rechtlich nicht wehren konnte. Auch das Recht der Selbstbestimmung über den eigenen Körper war ein großes Thema der Frauenrechtlerinnen, dazu gehörte beispielsweise die legale Abtreibung.
Mittlerweile stehen Frauen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hierzulange fast immer gleichberechtigt neben Männern. Niemand mehr verbietet ihnen ein Bankkonto zu eröffnen und den Führerschein zu machen, ein Studium aufzunehmen oder die Pille zu nehmen, was noch vor wenigen Jahrzehnten nicht möglich war. Anders sieht es da in anderen Ländern aus. Hier spielt besonders das Thema Gewalt eine große Rolle. Laut Bundeszentrale für politische Bildung haben mehr als eine Milliarde Frauen weltweit keinen Zugriff zu rechtlichem Schutz vor häuslicher sexueller Gewalt. Die Formen der Gewalt sind dabei vielfältig: Neben Schlägen und sexuellen Übergriffen sind auch Zwangsheirat, Mord an weiblichen Neugeborenen, Frauenhandel oder sogenannte Ehrenmorde zu nennen.
Gewalt gegen Frauen Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2013 zufolge haben 35 Prozent aller Frauen weltweit mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Explizit auf die EU bezogen musste eine von drei Frauen bereits einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt erleiden. Und mindestens 200 Millionen Frauen in aller Welt lebten 2018 laut Vereinten Nationen mit einer Genitalverstümmelung.
Auch die reproduktiven Rechte von Frauen werden nicht ausreichend beachtet, wie etwa das Recht auf ein selbstbestimmtes Sexualleben, den Zugang zu effektiven Verhütungsmitteln sowie der Gesundheitsvorsorge bei Schwangerschaft und Geburt. Die Folgen sind ungewollte Schwangerschaften, eine hohe Müttersterblichkeit und sexuell übertragbare Infektionen wie HIV. Gut 15 Millionen Mädchen im Grundschulalter werden nach Angaben der Vereinten Nationen zudem nie die Chance haben, lesen und schreiben zu lernen – 50 Prozent mehr als bei gleichaltrigen Jungen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 ab Seite 126.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin
Gesetzlicher Feiertag …
… ist der Internationale Frauentag in 26 Ländern. Dazu gehören derzeit Angola, Armenien, Aserbaidschan, Burkina Faso, Eritrea, Georgien, Guinea-Bissau, Kasachstan, Kambodscha, Kirgisistan, Kuba, Laos, Madagaskar, Moldau, die Mongolei, Nordkorea, Nepal, Russland, Sambia, Tadschikistan, Turkmenistan, Uganda, die Ukraine, Usbekistan, Vietnam und Weißrussland, daneben das deutsche Bundesland Berlin. Immerhin einen arbeitsfreien Nachmittag gönnt China seinen erwerbstätigen Frauen.