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Hormone – Teil 5

NICHT NUR EINE FRAGE DER GRÖSSE

Das Wachstumshormon wirkt sich auf die Körpergröße aus. Seiner Kontrolle unterliegen aber auch Salzund Wasserhaushalt, Fett- und Zucker-Stoffwechsel sowie Muskelkraft und Vitalität.

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Das Hormon Somatotropin beziehungsweise Human Growth Hormone (HGH) wird im Vorderlappen der etwa erbsengroßen Hirnanhangsdrüse gebildet und durch ein spezifisches Releasing- Hormon (GHRH) und dessen Gegenspieler Somatostatin reguliert. Die Freisetzung erfolgt über den Tag verteilt in Schüben. Stress, körperliche Anstrengung und Hunger kurbeln die Ausschüttung an; hauptsächlich aber wird das Hormon während des Tiefschlafs freigesetzt.

Im Laufe des Lebens nimmt die Produktion allmählich ab. Das Hormon hat nicht nur Bedeutung für das Wachstum, es reduziert auch die Glukoseaufnahme in die Zellen sowie die Verwertung des Zuckers und stimuliert die Proteinsynthese. Wobei die meisten seiner Wirkungen indirekt, über eine Aktivierung eines anderen Wachstumsfaktors, des Insulin-like growth factors 1 (IGF 1) in der Leber ausgelöst werden, eines strukturell dem Insulin ähnlichen Moleküls.

Deifizit Ein Mangel an Somatotropin kommt bei einer Funktionsstörung der Hirnanhangdrüse (Hypophysenvorderlappen- Insuffizienz) vor. Zugrunde liegt etwa ein Tumor der Schädelbasis, eine Verletzung (zum Beispiel bei Entbindung aus Beckenendlage), eine Infektion oder Strahlentherapie. Bisweilen ist die Ursache nicht feststellbar.

Deutlich zu klein für das Alter Betroffene Kinder wachsen, nachdem sie bei Geburt zunächst nicht von Normgröße und -gewicht abweichen, langsamer und sind deutlich kleiner als Gleichaltrige. Ein Mangel an HGH bewirkt zudem – bei Kindern wie Erwachsenen -, dass Muskulatur ab- und Fettdepots aufgebaut werden; der Blutzuckerspiegel fällt, die Blutfette steigen – mit langfristig erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Betroffene sind außerdem antriebslos und weniger belastungsfähig.

HGH wird als rekombinantes Hormon bei Kleinwuchs bei Kindern verschrieben, auch wenn kein Wachstumshormondefizit zugrunde liegt (Ullrich-Turneroder Prader-Willi-Syndrom). Als Eiweiß ist der Stoff von der Magensäure angreifbar; er muss daher (wie Insulin) parenteral, via subkutane Injektion appliziert werden. Die Substitution ist täglich über Jahre erforderlich, bis zum Abschluss des Längenwachstums. Auch ein schwerer HGH-Mangel bei Erwachsenen gilt als Indikation.

Da es Muskulatur auf- und Körperfett abbaut, wird das Wachstumshormon auch zu Dopingzwecken missbraucht. Bei Menschen ohne Hormonmangel kann der regelmäßige Gebrauch zu Diabetes oder langsamer Veränderung der Körperproportionen führen, da auch beim Erwachsenen einige bestimmte Knochen noch zum Anbau stimuliert werden können.

Unerwünschtes Wachstum Ein Zuviel an HGH kommt hauptsächlich bei einem Hypophysenadenom vor. Dieser gutartige Tumor kann hormoninaktiv sein, also keine endokrinologischen Symptome hervorrufen, oder hormonaktiv. In diesem Fall werden Hypophysenhormone unkontrolliert im Übermaß produziert. Je nachdem kann dies beispielsweise sekundär zu einer Überfunktion der Schilddrüse führen, es kann vermehrt Kortisol produziert werden oder in einem anderen Fall eben HGH.

Liegt ein solcher gutartiger Tumor bereits im Kindesalter vor, kommt es dann zum Riesenwuchs oder Gigantismus – bei normalen Körperproportionen. Wenn er dagegen erst nach der Wachstumsphase entsteht, wachsen hauptsächlich die Akren, das heißt, die am weitesten vom Rumpf entfernten Teile wie Hände und Füße, Nase, Kinn, Ohr und bestimmte Teile des Gesichtsschädels weiter; es kommt zur Akromegalie. Auch Weichteile (Zunge), ganze Organe und Knorpelgewebe wie das des Kehlkopfs legen an Größe zu – im letzteren Fall wird die Stimme tiefer und rauer.

Meist vergröbern sich die Gesichtszüge. Da auch der Unterkiefer wächst, ergeben sich größere Lücken zwischen den Zähnen. Weil die Veränderungen schleichend verlaufen, fallen sie zunächst oft nicht auf. Hinweise können eine sich nach oben verändernde Schuhgröße, Gebissfehlstellungen oder ein im Vergleich mit alten Fotos verändertes Erscheinungsbild sein. Die Wachstumsprozesse an der Hand führen häufig zu einer Druckschädigung von Handnerven, dem Karpaltunnelsyndrom. Der Tumor kann auch Kopfschmerzen auslösen und – wenn er auf den Sehnerven drückt - Sehstörungen bis hin zu Gesichtsfeldeinschränkungen hervorrufen.

Mehr als äußere Veränderungen Knorpelwucherungen führen zu Gelenkschmerzen und schließlich zu Arthrosen. Größenveränderungen im Bereich des Rachens bedingen häufig kurzzeitige nächtliche Episoden mit Verschluss der Atemwege (Schlafapnoe), was Schlafrhythmus und -qualität stört, mit der Folge schwerer chronischer Müdigkeit, Erschöpfung sowie Bluthochdruck. Da zudem auch der Herzmuskel nicht von Umbauprozessen verschont ist, sind zudem Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erwarten. Darüber hinaus erhöht das im Überfluss vorhandene Hormon den Blutzucker.

Auch an anderer Stelle kann der Hormonhaushalt wegen der Steuerungsfunktion der Hypophyse auf nachgeschaltete Drüsen gestört sein (beispielsweise bei den Geschlechtshormonen). Eine Heilung wird erzielt, sofern sich der Tumor operativ vollständig entfernen lässt. Dies kann sehr schonend durch einen Zugang durch die Nase geschehen; der Erfolg des Eingriffs hängt jedoch von der Größe des Adenoms ab. Kann die Geschwulst nicht restlos entfernt werden, schließt sich manchmal eine Bestrahlung des Gewebes an.

Somatostatin-Analoga wie Octreotid, also Substanzen, die wie das Steuerhormon aus dem Hypothalamus einer Freisetzung des Wachstumshormons entgegenwirken, kommen in zweiter Linie zum Einsatz. Damit lässt sich die verbleibende Überproduktion zurückfahren. Diese Substanzen werden monatlich als Depotpräparate injiziert. Ihre gastrointestinalen Nebenwirkungen sind meist auf die ersten Tage beschränkt. Nur wenn diese Medikation nicht ausreicht, versucht man mit der zusätzlichen Gabe eines Wachstumshormonantagonisten, der die Wirkung des STH im Gewebe blockiert (Pegvisomant), nachzuhelfen.

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/14 ab Seite 98.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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