Haarausfall
NICHT DIE AUGEN VERSCHLIESSEN
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Wenn Menschen mit Haarausfall in die Apotheke kommen, haben sie häufig schon diverse Pflegeprodukte erfolglos ausprobiert. Apotheker und PTA sollten im Beratungsgespräch erfragen, welche Behandlungen bisher schon versucht wurden, wie sich der Haarausfall äußert und ob eine Ursache bereits bekannt ist.
Zyklus Haare durchlaufen verschiedene Phasen, die durch Hormone, Genexpression und Wachstumsfaktoren kontrolliert werden. Im Follikel lösen sich Wachstum, Ruhephase und Rückbildung ab. Diese Prozesse laufen von Follikel zu Follikel zeitversetzt ab, sodass die Haare immer gleichmäßig ausfallen und wieder nachwachsen. In der aktiven, so genannten Anagenphase, befinden sich etwa 80 bis 90 Prozent davon. In dieser Wachstumsphase teilen sich die Zellen der Haare enorm schnell, etwa fünf Mal so schnell wie normale Hautzellen. Hauptsubstanz ist das Keratin, das von den abgestorbenen Zellen zur Verfügung gestellt wird.
In der Übergangsphase wird das Haar von der Wurzel gelöst und in Richtung Hautoberfläche bewegt. Damit ist die Versorgung dieses Haares mit Nährstoffen beendet und nach einigen Monaten fällt es aus. Nun kann aus demselben Haarfollikel wieder ein neues Haar entstehen.
Ganz normalAb wann sprechen Mediziner von Haarausfall (Effluvium)? Was ist normal und was ist bereits pathologisch? Jeden Tag fallen bis zu 100 Haare aus. Das ist völlig normal, wenn dies gleichmäßig über den Kopf verteilt erfolgt und außerdem wieder genug neue Haare nachwachsen. Werden die Folgen des Haarausfalls sichtbar, sprechen Mediziner von Alopezie.
Mit steigendem Lebensalter nimmt der Haarausfall kontinuierlich zu. Die langsam wachsende „Platte” bei Männern ist im Alter gesellschaftlich akzeptiert. Frauen leiden meistens viel stärker darunter. Ursachen sind hormonelle Störungen, die genetische Disposition, Medikamente, akute Erkrankungen oder psychischer Stress.
Formen der Alopezie Nach ihrer Ursache, beziehungsweise nach ihrem Erscheinungsbild werden der erblich bedingte (androgenetische Alopezie), der kreisrunde und der diffuse Haarausfall (diffuses Effluvium) unterschieden. Die androgenetische Alopezie wird wie der Name sagt, durch Androgene bedingt. Sie ist die mit Abstand häufigste Ursache für Haarausfall bei Frauen und Männern. Er setzt im Alter zwischen 30 und 40 Jahren ein und beginnt langsam mit einer Ausdünnung rund um den Scheitel und der Stirn.
Bei den Männern kommt es im Endstadium häufig zu einer völligen Glatzenbildung, während es bei den Frauen bei einer Lichtung des Haupthaares bleibt. Die Frauen weisen oft eine stärkere Behaarung an den Beinen und im Gesichtsbereich auf. Die betroffenen Menschen weisen eine erblich bedingte Sensibilität der Haarwurzeln auf, die mit höherem Lebensalter zunimmt. Dabei reagieren die Haarfollikel überempfindlich auf den Testosteronmetaboliten Dihydrotestosteron (DHT). Die Haarwurzeln schrumpfen und können nur noch eingeschränkt Haarsubstanz produzieren. Die Anaphase ist stark verkürzt, die Haare fallen schneller aus. Mit der Zeit werden nur noch kurze dünne Haare gebildet, bis die Haarfollikel endgültig absterben.
Charakteristisch für den kreisrunden Haarausfall ist die örtliche Begrenzung auf kreisrunde Areale, die nicht mehr behaart sind. Typisch ist, dass diese Form des Verlustes plötzlich meistens mit einer akuten Entzündung begleitet auftritt. Als Ursachen werden Autoimmunprozesse sowie eine erbliche Komponente diskutiert. In einigen Fällen setzt nach Monaten wieder Haarwuchs an den betroffenen Stellen ein.
Typisch für den diffusen Haarausfall ist, dass die Haare am Oberkopf und an den Geheimratsecken insgesamt dünner werden. Verantwortlich sind dafür Störungen der Haarfollikel während der Wachstumsphase. Diese können unterschiedlich ausgelöst sein: zum Beispiel durch hormonelle Veränderungen in Schwangerschaft und Wechseljahren, durch Infektionen, Nebenwirkung von Medikamenten oder Nährstoffunterversorgung bei Essstörungen.
Therapie Eine wirksame Prophylaxe gegen die androgenetische Alopezie gibt es nicht – und auch Haarwuchs an bereits kahlen Stellen kann nur bedingt erreicht werden, weil die Schrumpfung der Haarfollikel irreversibel ist. Alle Behandlungsstrategien zielen auf eine Reduktion des Haarausfalls.
Antiandrogene Kontrazeptiva werden bei Frauen verordnet und Finasterid, ein 5-alpha-Reduktasehemmer bei Männern. Finasterid hemmt Dehydrotestosteron und wirkt, solange es eingenommen wird, stoppend auf den Haarausfall. Nach Absetzen des Medikaments setzt sich der Haarausfall fort. Zur Behandlung in der Selbstmedikation wird bei Männern und auch bei Frauen die lokale Anwendung von Minoxidil in zwei- oder vierprozentiger Lösung zwei Mal täglich empfohlen. Bei Frauen ist bereits die niedrigere Konzentration erfolgreich. Auch das verschreibungsfreie Alfatradiol, ein Estrogen, wirkt lokal neutralisierend auf Dehydrotestosteron an den Haarwurzeln.
Da die Ursachen des kreisrunden Haarausfalls noch nicht ausreichend erforscht sind, ist die Behandlung sehr schwierig. Kortikoide und Immunsuppressiva können Besserung erreichen. Um dem diffusen Haarausfall entgegenzusteuern, ist eine ausreichende Nährstoffzufuhr das A und O. Ein Blutbild gibt Auskunft über eine eventuelle Mangelversorgung, zum Beispiel an Eisen oder Zink. Biotin gilt als das Vitamin für Haut, Haare und Nägel. Eine Kur sollte mindestens über sechs Monate mit 2,5 bis 10 Milligramm pro Tag durchgeführt werden, um einen sichtbaren Effekt zu erzeugen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/12 ab Seite 84.
Dr. Katja Renner, Apothekerin