Nicht jedes wilde Kind muss sofort ADHS haben. Dennoch betrifft diese psychiatrische Erkrankung rund 5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen. © Tatiana Gladskikh / 123rf.com

ADHS | Therapie

NEUES FÜR JUGENDLICHE MIT AUFMERKSAMKEITSSTÖRUNG

Methylphenidat ist seit Jahren Goldstandard in der pharmakotherapeutischen Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Jedoch gilt der Wirkstoff als umstritten – sein zentraler Wirkmechanismus und die damit einhergehenden unerwünschten Wirkungen belasten sowohl Betroffene als auch deren Angehörige. Ein neuer, spezifischer potenzieller Arzneistoff erwies sich als verträglich und verbesserte die Symptomatik deutlich.

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ADHS stellt heute die häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen dar. Sie äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation (ADS), kommt noch körperliche Unruhe (Hyperaktivität) hinzu, spricht man von ADHS. Kinder oder Jugendliche, die diese Symptomatik aufzeigen, müssen deshalb aber noch nicht behandlungsbedürftig sein. Es braucht eine sichere und genaue medizinische Diagnostik, die meist dann in Betracht gezogen wird, wenn die Symptomatik zusätzlich mehrere Lebensbereiche stark beeinträchtigt oder die Betroffenen sehr darunter leiden. In der Regel wird dann eine multimodale Behandlung angestrebt, die neben Pharmakotherapie auch verhaltenstherapeutische oder psychoedukative Aspekte enthält, wobei die Module individuell angepasst werden.

Genügt eine nichtmedikamentöse Therapie nicht, kommt meist Methylphenidat zum Einsatz. Da man bei ADHS ursächlich von einer zu geringen Konzentration bestimmter Neurotransmitter, beziehungsweise einem zu schnellen Abbau ausgeht, liegt der Angriffspunkt des Arzneistoffs aus der Gruppe der Phenylethylamine bei der Hemmung der Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin. Durch die Erhöhung der Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt verstärkt Methylphenidat das Signalaufkommen an den Rezeptoren und damit den Sympathikustonus. Aufgrund dessen treten aber auch häufig Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, Angstgefühle, Schlafstörungen und Unruhe, Aggression und Depression auf. Je nach Ausprägung und individueller Verträglichkeit kann dies für Kinder und Jugendliche, aber auch deren Eltern, sehr belastend sein. Alternativ stehen noch Lisdexamfetamin, Dexamfetaminsulfat (Amphetamine, Dopamin-Aufnahme-Hemmung und vermehrte Dopaminfreisetzung) und Atomoxetin (Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Nicht-Stimulanz) zur Verfügung, allerdings mit ähnlichem Nebenwirkungsprofil.

Auf der Suche nach spezifischen und damit nebenwirkungsärmeren Alternativen, testete Josephine Elia von der Thomas Jefferson University in Philadelphia mit ihrem Team einen neuen Wirkstoff für die ADHS-Therapie. NFC-1, ein kleines synthetisches Molekül, aktiviert einen speziellen Glutamat-Rezeptor. Aus vorangehenden Untersuchungen ist bereits bekannt, dass einige ADHS-Patienten in dem entsprechenden Rezeptor-Gen eine Mutation aufweisen, wodurch dessen Funktionalität eingeschränkt ist. In ihrer Phase-I-Studie verabreichte das Team um Elia 30 jugendlichen Probanden mit mittlerer bis schwerer Symptomatik in der ersten Woche Placebo, dann steigende Dosen von NFC-1. Alle Jugendlichen wiesen dabei eine Mutation in dem entsprechenden Gen auf.
Im Vergleich zu Placebo zeigte sich eine ähnlich gute Verträglichkeit von NFC-1 ohne das Auftreten schwerer unerwünschter Wirkungen. Zudem konnte bei allen Probanden nach fünf Wochen eine signifikante Verbesserung im Vergleich zum Ausgangszustand erreicht werden. Standardisierte Tests bewiesen nach der Therapie nur noch eine ADHS mit leichter bis mittel schwerer Symptomatik.

Weitere Studien sollen nun die Dosis-Wirkungsbeziehung an einem größeren Kollektiv untersuchen. NFC-1 stellt nach Ansicht der Forscher eine potenzielle Alternative für Patienten mit der speziellen ADHS-Form dar. Die Ergebnisse zeigen, dass noch zu wenig Wissen über die Erkrankung vorliegt und auch in der Forschung mehr Wert auf genetisch bedingte Ursachen als möglichen Angriffspunkt gelegt werden sollte.

Farina Haase, Volontärin, Apothekerin

Quelle: www.wissenschaft.de

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