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Coronavirus

NEUE GEFAHR AUS NAHOST?

Die hochansteckende Lungenkrankheit SARS forderte vor zehn Jahren innerhalb von sechs Monaten über 1000 Opfer. Der Auslöser: Coronaviren. Jetzt sorgt ein neuer Stamm dieser Virenfamilie für zum Teil tödlich verlaufende Infektionen.

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Das neue Virus ist nicht SARS, doch es gehört ebenfalls zur Familie der Coronaviren. Von diesen behüllten Einzelstrang-RNA-Viren gibt es verschiedene Arten, die Menschen und Tiere befallen können und meist Atemwegserkrankungen auslösen. Den neuen Virenstamm nannte man zunächst „novel coronavirus “, in Deutschland hingegen „humanes Betacoronavirus 2c EMC/2012 (hCoVEMC). Im Mai 2013 einigte man sich international auf „Middle East respiratory syndrome coronavirus (MERS-CoV).

Patient Nummer Null Das neue Virus wurde im Sommer 2012 zum ersten Mal bei einem Menschen nachgewiesen. Der Patient kam aus Saudi-Arabien und wurde in London wegen Atemwegsbeschwerden behandelt. Während der intensivmedizinischen Betreuung versagten seine Nieren, er bekam eine Lungenentzündung und starb schließlich an akutem progressivem Lungenversagen.

Seither wurden 80 Infizierte gemeldet, von denen 45 verstarben (Stand: 9. Juli 2013). Die Fälle beschränken sich bisher hauptsächlich auf Länder im Nahen Osten wie Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Zwar gab es auch einzelne Fälle in Tunesien, England, Frankreich, Italien und Deutschland, jedoch fand sich immer eine direkte oder indirekte Verbindung in den Nahen Osten, meist durch Reisen.

Die Angst vor dem Unbekannten Im Gegensatz zu SARS scheint MERS-CoV weniger ansteckend zu sein, denn die ersten Fälle fielen in die Zeit der traditionellen Pilgerfahrt nach Mekka. In dieser Umgebung hätte das Virus optimale Bedingungen für eine explosionsartige Verbreitung gehabt. Doch wie viele Menschen vielleicht noch unerkannt mit MERS-CoV infiziert sind, weiß niemand. Übertragen wird es vermutlich durch Tröpfcheninfektion. Eine Schmierinfektion, wie bei anderen Coronaviren, ist eher unwahrscheinlich, da man im Stuhl von Infizierten kaum Viren fand.

Als Quelle vermutet man Fledermäuse, da man bei ihnen Coronaviren nachweisen konnte, die mit dem humanen Virusstamm eng verwandt sind. Doch auch das ist bisher nur Spekulation. Die WHO horchte auf, als einzelne Fälle einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt wurden, denn hierdurch waren die Voraussetzungen für eine Pandemie geschaffen.

Die größte Angst ist, dass das Virus zu einer infektiöseren Form mutieren wird. Das ist zwar noch nicht geschehen, doch das muss nicht heißen, dass es dabei bleibt. Wozu ein mutiertes Virus in der Lage sein würde, darüber kann man nur spekulieren. Womöglich warnt WHO-Chefin Margaret Chan deshalb so eindringlich: „Das neue Coronavirus ist eine Gefahr für die ganze Welt.“

Auf das Virus vorbereitet sein Die fehlenden Fakten erschweren die Prävention. Es gibt keine Impfung und keine spezifische Therapie, man kann lediglich die Symptome bekämpfen. Vorsorgemaßnahmen lassen sich bisher nur von Theorien und Hypothesen ableiten. Möglicherweise gibt es schon viele Virenträger in mehreren Ländern. Da aber alle Fälle bisher mit dem Nahen Osten assoziiert waren, sollte man von Reisen in diese Gebiete absehen.

Wenn sie nicht zu vermeiden sind, und danach grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten, Schnupfen, Atemnot oder häufig auch Durchfälle auftreten, sollte man den Arzt sofort darauf ansprechen, damit Labortests auf MERS-CoV durchgeführt werden können. Langanhaltende Atemwegsbeschwerden, selbst, wenn bereits andere Ursachen gefunden wurden, sollten ebenfalls in Hinblick auf MERS-CoV erneut abgeklärt werden.

Zur Vorbeugung hilft gute Hygiene, denn Coronaviren reagieren empfindlich auf Seife und Waschmittel. Abstand zu erkälteten Personen könnte ebenfalls dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Ob Immungeschwächte, Senioren, Kleinkinder und Schwangere besonders gefährdet sind, weiß man bisher nicht. Menschen mit chronischen Atemwegsbeschwerden haben aber im Falle einer Infektion natürlich ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf.

»Vorsorgemaßnahmen lassen sich nur von Theorien und Hypothesen ableiten.«

Man weiß, dass die Krankheit bei Immungeschwächten atypisch verlaufen kann, sodass auch leichtere Erkältungskrankheiten ihre Ursache im MERS-CoV haben könnten. Bisher wurden hauptsächlich ältere Männer infiziert. Auch andere Gruppen wie Schwangere, Kleinkinder und Immungeschwächte könnten ein erhöhtes Risiko haben. Zurzeit liegt der Schwerpunkt noch im Nahen Osten. Doch solange man so wenig über das Virus weiß, sollte man Vorsicht walten lassen – denn eine Infektion muss im Krankenhaus, unter Umständen auch intensivmedizinisch, betreut werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 94.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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