Vom Labor in die Apotheke
NEUE ARZNEIMITTEL
Seite 1/1 3 Minuten
Etwa 30 Arzneimittel kommen Jahr für Jahr mit neuen Wirkstoffen hier zu Lande auf den Markt. Nur eine von bis zu 10 000 untersuchten Substanzen erreicht nach gut zehn Jahren das Ziel: die Zulassung. Sie wird nur erteilt, wenn das Arzneimittel drei Kriterien erfüllt: Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Diese Eigenschaften sind zum Schutze der Patienten vor einer möglichen Gesundheitsgefährdung in einer Kaskade von Studien zu belegen. Deshalb kostet die Entwicklung eines neuen Medikaments mehrere hundert Millionen Euro. Über die Hälfte der Kosten entfallen auf die klinische Erprobung.
Vorklinische Tests Am Anfang jeder Arzneimittelentwicklung steht die Forschung im Labor und die Synthese oder Isolierung eines neuen Wirkstoffs. Es ist eine Wissenschaft für sich, unter Abertausenden von Kandidaten den richtigen für die Weiterarbeit auszuwählen.
Ehe der Wirkstoff jedoch bei Menschen erprobt werden kann, muss er erfolgreich vorklinische Studien durchlaufen. Dazu gehören neben der Erprobung an Zellkulturen auch Tierversuche. Sie sind erforderlich, um pharmakologische Wirkungen absichern und pharmakokinetische Effekte an Gesamtorganismen untersuchen zu können. Die notwendigen Untersuchungen sind genau festgelegt und unterliegen den Richtlinien der so genannten Good Laboratory Practice .
Klinische Studien Hat der Wirkstoff alle vorklinischen Tests erfolgreich abgeschlossen, folgt die Sammlung von Erfahrungen aus der Anwendung am Menschen. Diese klinischen Studien müssen den strengen Kriterien der Good Clinical Practice (GCP) entsprechen und dienen insbesondere dazu, die Gesundheit der Studienteilnehmer zu schützen und die wissenschaftliche Aussagekraft der erhobenen Daten zu gewährleisten.
Das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) widmet den sechsten Abschnitt dem Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung. Dort ist unter anderem geregelt, dass vor Beginn einer Studie die Zustimmung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte oder des Paul-Ehrlich-Instituts und der Ethikkommission eingeholt werden muss. Sie wägt ab, ob die klinische Prüfung aus ethischer, medizinischer und juristischer Sicht vertretbar ist.
Eine umfassende Aufklärung der Teilnehmer über die Studie und die möglichen Risiken ist zwingend vorgeschrieben. Für Minderjährige gelten spezielle Regelungen. Zudem ist seit Januar 2007 vorgeschrieben, dass jedes neue Medikament in Europa auch für Minderjährige erprobt werden muss, wenn die betreffende Krankheit auch bei ihnen vorkommt. So möchte man die Datenlage für pädiatrische Indikationen verbessern – bislang mit wenig Erfolg.
Phase I bis III In Phase-IStudien werden an einigen Dutzend gesunden, volljährigen Freiwilligen pharmakokinetische Wirkstoffdaten, also Absorption, Verteilung, Metabolismus und Exkretion untersucht und Darreichungsformen entwickelt. Hauptziele der folgenden Phase II mit bis zu 500 Teilnehmern sind die Abschätzung der Wirksamkeit, die Verträglichkeit und Sicherheit und die optimale Dosierung.
Phase-III-Studien werden erst durchgeführt, wenn bereits umfangreiche Kenntnisse des Stoffes vorhanden sind. Um Ergebnisse statistisch abzusichern, sind meist mehrere tausend Patienten in vielen Kliniken eingebunden (multizentrisch). Der gleichzeitige Einsatz von Placebos und/oder eines Standardpräparats in derselben Studie liefert direkte Vergleichsdaten. Die Patienten werden in der Regel nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) auf die Gruppen verteilt. Wissen weder der behandelnde Arzt noch der Patient, wer welcher Gruppe zugeteilt ist, spricht man von doppelblind. „Cross-over“ bedeutet, dass Patienten Kontroll- und zu testendes Präparat zeitversetzt erhalten.
Phase IV Die so erhaltenen Daten sind Teil der Zulassungsunterlagen für ein Arzneimittel, wie sie im § 22 AMG gefordert werden. Nach der Zulassung beobachten Hersteller und Behörden das neue Arzneimittel weiterhin (Phase IV), um auch sehr seltene Nebenwirkungen und Langzeiteffekte zu ermitteln. Zudem wird evaluiert, ob sich das Präparat auch unter Alltagsbedingungen und bei speziellen Patientengruppen bewährt. Apotheken können durch Meldung von Arzneimittelrisiken hier einen wichtigen Beitrag zur weiteren Verbesserung der Arzneimittelsicherheit leisten.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/11 ab Seite 106.
Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium