eine Hand mit lackierten Nägeln hält einen Zettel hoch, darauf: eine Acht mit integriertem Frauenzeichen
Die Acht mit dem Kreuz ist zum Symbol des Weltfrauentags geworden. © nito100 /iStock / Getty Images Plus

Internationaler Frauentag | Menstruation

MONATLICHE VERFOLGUNG UND LEBENSGEFAHR

Seit über 100 Jahren demonstrieren Menschen am 8. März für Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung von Frauen – weltweit. In jedem Bereich und jedem Land ist noch viel Luft nach oben, bis man von gesellschaftlich gelebter Gleichberechtigung sprechen kann. Doch mancherorts müssen sich Frauen sogar noch davor fürchten, ihre Periode zu bekommen.

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Während ihrer Periode hat Kamala Dhami immer Angst. In der kleinen fensterlosen Hütte, in der sich die 21-Jährige verstecken muss, könnte sie im Winter erfrieren, wenn sie auf dem Boden schläft, oder ersticken, wenn sie ein Feuer macht. Im Sommer könnten sie Schlangen beißen. Und dann sind da die betrunkenen Männer, die ab und zu kommen. Dhami lebt im Dorf Jayaprithvi in Nepal. Dort müssen Mädchen und Frauen in eine Menstruationshütte, wenn sie ihre Tage haben. Dhami sagt: "Wenn Frauen bluten, sind sie schmutzig. Und unser Gott mag Blut und Dreck nicht."

Geschätzte 1,9 Milliarden Frauen - ein Viertel der Weltbevölkerung - bekommen ihre Tage. Eigentlich sollte das kein Tabu-Thema sein. Doch das ist es in den meisten Regionen der Welt, oft mit schlimmen Folgen. Ob Menstruationshütten in Nepal oder Sex für Binden in Kenia, das Tabu um die Menstruation "führt zu Stigma und Diskriminierung gegen Mädchen und Frauen", erklärt Agnes Makanyi vom UN-Kinderhilfswerk.

Im zutiefst patriarchalen Nepal kann die Tradition der Menstruationshütte tödlich sein. Jedes Jahr sterben mehrere Frauen und Mädchen in den Hütten, etwa weil sie von Tieren gebissen werden oder zu viel Rauch einatmen. Eigentlich ist der Brauch seit 2018 verboten. Einer Studie im Fachblatt «Sexual and Reproductive Health Matters» zufolge war dies auch mehr als der Hälfte der betroffenen Frauen bewusst, viele hielten trotzdem daran fest. Für Forscherin Jennifer Thomson ist klar: Hilfsorganisationen müssen mehr tun, um das Stigma rund um die Menstruation zu bekämpfen.

Auch im ostafrikanischen Kenia ist die monatliche Blutung noch immer in Mythen und Stillschweigen gehüllt. Dort ist die Armut - mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze - mit dem Schamgefühl rund um die Periode eng verknüpft. "Es ist so ein Tabu, dass man verstecken muss, dass man seine Tage hat", erklärt Camilla Wirseen von der Organisation The Cup. "Das bedeutet, dass Mädchen extreme Maßnahmen ergreifen, um an Binden zu kommen." Eine Packung mit zehn Binden kostet in Kenia zwischen 50 und 120 Schillinge (0,45 bis 1,10 Euro). Bei dem Gedanken seufzt Melody Mmboga. Die 20-Jährige verdient 4000 Schillinge im Monat. Das muss für sie und ihre einjährige Tochter Praise reichen. Hilfe bekommt sie von keinem, ihre Eltern sind bereits gestorben. "Manchmal ist das Leben so schwer, dann kann ich mir die 50 Schillinge für Binden nicht leisten. Dann benutze ich einfach Lumpen."

Lumpen, Kuhmist, Stofffetzen, Zeitungspapier, Federn, Schwämme, Toilettenpapier - Frauen in Entwicklungsländern nutzen alles Mögliche als Binden-Ersatz. Laut einer Studie von Penelope Phillips-Howard, einer britischen Expertin für öffentliche Gesundheit, benutzt ein Viertel der 3400 befragten Kenianerinnen statt Binden andere Materialien. Viele Mädchen verpassen aus Scham oder Angst, man könne Blutflecken sehen, während ihrer Tage auch oft den Unterricht. Von den Kenianerinnen, die Binden nutzen, zahlen einige einen hohen Preis: Sex. Weil sie sich keine Binden leisten können, wenden sich manche an Männer, die ihnen gegen Geschlechtsverkehr Geld geben. Manchmal sind es kurze Begegnungen, manchmal längere Beziehungen, in die sich Frauen begeben. Laut der Studie von Phillips-Howard haben 1,3 Prozent der Befragten Sex, um an Geld für Binden zu kommen. Bei den 15-Jährigen seien es zehn Prozent.

Auch die 20-jährige Mmboga hatte angefangen, den Vater ihrer Tochter Praise zu treffen, weil sie finanzielle Probleme hatte. Sie blickt zu ihrer Einjährigen, die friedlich auf ihrem Schoß sitzt. Sie sei Jungfrau gewesen, als er sie eines Tages vergewaltigte, erinnert sich Mmboga. "Er gab mir danach Geld, also schwieg ich." Nachdem sie ihm von der Schwangerschaft erzählt habe, sei er verschwunden.

Auch in Indien hat das Menstruations-Stigma oft verheerende Nachteile für Mädchen. Etwa verpasst dort jedes vierte Mädchen nach Angaben der Behörden während ihrer Periode die Schule. Das liege vor allem an fehlenden Toiletten, sagt Aditi Gupta. Sie und ihr Ehemann haben die Firma Menstrupedia gegründet und einen Comic kreiert, der Kinder über Menstruation aufklärt und inzwischen nach eigenen Angaben in mehr als 7500 Schulen genutzt wird. Denn aus Guptas Sicht hängt der Aberglaube rund um die Menstruation auch damit zusammen, dass viele Inder nicht wissen, warum Frauen jeden Monat bluten. Inzwischen wird das Tabu im konservativen Indien immer öfter gebrochen. 2018 kam der Bollywood-Film «Padman» («Binden-Mann») in die Kinos. Er erzählt die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte eines Mannes, der günstige Binden erfand, die sich auch arme Frauen auf dem Land leisten konnten. Denn in Indien nutzen laut einer Behörden-Umfrage rund die Hälfte aller Frauen und Mädchen Lumpen, um das Monatsblut aufzufangen.

In Kenia ist Wirseen von der Organisation The Cup überzeugt, dass die Menstruationstasse viele Probleme lösen könnte. Der kleine Plastikbehälter, der in die Scheide eingeführt wird, ist wiederverwendbar und hält, wenn man ihn regelmäßig wäscht, mehrere Jahre. Die Organisation hat bislang laut Wirseen 20 000 Mädchen erreicht. Eine davon ist die 17-jährige Nancy Akinyi Muga. "Meine Mutter kaufte früher die Binden für mich», sagt sie. Das sei eine große finanzielle Belastung gewesen. Doch nun habe sie mit der Menstruationstasse keinen Bedarf an Binden mehr, sagt sie begeistert und zeigt den kleinen rosafarbenen Behälter. "Es hat wirklich mein Leben verändert!"

Quelle:dpa

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