Gifttiere
MIT SKORPIONEN GEGEN KREBS
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Ein Skorpion, der sich in Drohgebärde mit aufgerichtetem Giftstachel bewegt, flößt Angst ein. Dabei sind von den weltweit mehr als 1400 Arten nur etwa 25 in der Lage, mit ihrem Stich einen Menschen zu töten. Viel interessanter ist der medizinische Nutzen von Skorpiongift, denn es könnte in Zukunft dabei helfen, Tumoren zu bekämpfen oder den Verschluss von Bypässen nach einer Herzoperation zu verhindern.
Nachtaktive Jäger Skorpione gibt es in vielen unterschiedlichen Größen, von wenigen Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern. Sie kommen fast überall auf der Welt vor, am häufigsten findet man sie jedoch in den Wüstenregionen der Tropen und Subtropen. Die Spinnentiere sind nachtaktiv und in den meisten Fällen passive Jäger, dass heißt, sie lauern ihrer Beute in Höhlen oder Erdspalten auf.
Manche Skorpione ernähren sich von Insekten und Spinnen, andere von Schnecken oder kleinen Nagetieren. Dabei sind sie an ihren kargen Lebensraum gut angepasst: Ein Skorpion kann Beutetiere verzehren, die ein Drittel seines Körpergewichts wiegen, wobei er diese Nährstoffe so effektiv nutzt, dass er danach bis zu zwei Jahre lang hungern kann.
Gift im Hinterleib Skorpione halten ihre Beute mit kräftigen, krebsähnlichen Scheren fest, die an ihrem Vorderkörper sitzen. Reicht die Kraft dieser Scheren zum Töten nicht aus, kommt der Giftstachel am Schwanzende zum Einsatz, der von einer Giftdrüse versorgt wird, die im letzten Segment des schmal zulaufenden Hinterkörpers sitzt. Der Skorpion kann den Stachel blitzschnell über den Körper führen und ein lähmendes Nervengift in die Beute injizieren. Zusätzliche Enzyme im Gift verdauen die Beute darüber hinaus noch vor, sodass der Skorpion sie einfach aussaugen kann.
Todesfälle hauptsächlich in Mexiko Menschen werden nur gestochen, wenn sich die Tiere in die Enge getrieben fühlen. Je nach Giftigkeit des Skorpions reichen die Symptome dann von Schmerzen und Kribbeln, ähnlich einem Bienenstich, bis hin zu Herz-Kreislauf-Versagen und Atemstillstand. Jährlich ereignen sich mehrere tausend Todesfälle, am häufigsten durch Arten der Buthidae-Familie, wie den mexikanischen Centruroides-Skorpion. Unbehandelt führt das Nervengift je nach Konstitution des Betroffenen innerhalb von 5 bis 20 Stunden zum Tod.
Gift „lähmt“ Tumorzellen So blockiert das im Toxin des israelischen Riesenskorpions enthaltene Peptid Chlorotoxin spezifisch Chloridkanäle in den Zellen bösartiger Hirntumore, der Gliome. Da Chlorotoxin in Versuchen ausschließlich an Gliomzellen andockte, brachte dies Forscher auf die Idee, es als Fähre für radioaktive Substanzen zu nutzen, um diese Tumore gezielt bestrahlen zu können.
Bereits das Ergebnis des ersten klinischen Versuchs 2007 mit 59 Gliompatienten war vielversprechend, da man die durchschnittliche Lebensdauer um drei Monate verlängern konnte. Eine Bindung an Nanopartikel, die bis zu zehn Chlorotoxinmoleküle aufnehmen können, zeigte sogar noch bessere Wirkung.
Gift könnte auch Leben retten
Die Zusammensetzung des Toxins hängt jeweils von der bevorzugten Beute ab. Allen Giften liegen jedoch basische Proteine zugrunde, die auf die Ionenkanäle von Nervenzellen wirken oder bestimmte Enzyme in ihnen hemmen. Somit verhindert der Giftcocktail die Reizweiterleitung und führt so zu Lähmungen. Diese und weitere Eigenschaften von Skorpiongift machen es aber auch
für medizinische Zwecke interessant.
Ein anderer Skorpion, der in Mittelamerika heimische Rindenskorpion , lähmt seine Beute mit Margatoxin. Dieses Gift blockiert einen speziellen Kaliumkanal, Kv1.3. Dieser findet sich aber auch auf bestimmten Blutgefäßzellen, bei deren Vermehrung er eine Rolle spielt. Das geschieht zum Beispiel als normale körperliche Reaktion auf eine Verletzung oder eine chronische Entzündung der Gefäße.
Problematisch ist diese Vermehrung von Gefäßzellen jedoch nach einer Bypassoperation, da eine solche Wucherung die neu eingesetzten Gefäße schnell wieder verschließen kann. Um das Risiko einer solchen Komplikation zu mindern, gibt man nach einer Herzoperation in der Regel spezielle Wirkstoffe, die Kv1.3 hemmen. Im Tierversuch konnte mittlerweile gezeigt werden, dass Margatoxin als Kv1.3-Inhibitor fast hundertmal stärker wirkt als diese Medikamente. Das Problem ist jedoch, dass das Gift nicht systemisch verabreicht werden kann. Ob eine lokale Gabe möglich ist, muss noch gezeigt werden.
Forschung noch lange nicht am Ende Noch gibt es nicht genügend fundierte wissenschaftliche Studien, die eine medizinische Nutzung von Skorpiongiften ermöglichen. Alles, was bis dahin angeboten wird, sollte man mit Skepsis betrachten. So wird etwa ein als Krebsmittel angepriesenes Skorpiongift, das in Kuba hergestellt und von dort vertrieben wird, von Experten als Geldschneiderei abgetan. Es ist sicherlich noch ein langer Weg, bis Skorpiongifte umfassend und nutzbringend in der Medizin eingesetzt werden können, doch ihr Potenzial ist klar zu erkennen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 132.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist