Tatort Apotheke
METHYLPHENIDAT
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Frau Schmidt möchte heute ein Rezept für ihren zehnjährigen Sohn Marvin über Methylphenidat fünf Milligramm Tabletten einlösen. Sie sucht aktiv das Gespräch mit der PTA. Momentan besucht Marvin die vierte Klasse in der Grundschule. Wenn die Mutter ihm morgens um 7.30 Uhr die Tablette gibt, kann er sich bis zur fünften Stunde konzentrieren. Wenn er dann mittags nach Hause kommt, erhält er die zweite Tablette und kann dann noch die Hausaufgaben machen.
Nun hat Frau Schmidt schon Sorgen, wie es weitergehen soll, wenn er zur Gesamtschule nach den Sommerferien geht. Dort dauert die Schule bis in den Nachmittag und die Mutter möchte ihm keine Tabletten für die eigene Einnahme mitgeben.
Pharmakologischer Hintergrund Methylphenidat ist die medikamentöse Standardtherapie von ADHS – der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Es ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie bei Kindern ab sechs Jahren indiziert, wenn sich andere therapeutische Maßnahmen allein als unzureichend erwiesen haben.
Methylphenidat ist ein Dopaminagonist und hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin im Striatum. Außerdem wirkt es indirekt sympathomimetisch und zentralstimulierend. So verbessert es bei vielen Kindern mit klarer ADHS-Diagnose die Konzentrationsfähigkeit, die Leistungsbereitschaft und reduziert die Impulsivität. Zurzeit existiert eine Reihe von Präparaten mit unterschiedlicher Pharmakokinetik.
Unretardierte Tabletten zeigen ihren Wirkungseintritt nach etwa 20 bis 60 Minuten und variieren in der Wirkdauer zwischen drei und fünf Stunden. Bei den retardierten Arzneiformen gibt es Systeme, die eine Kombination aus einem sofort freisetzenden Teil und einem verzögert freisetzenden Teil Methylphenidat enthalten. Aufgrund dieser geschickten Galenik wird ein schneller Wirkungseintritt wie bei den unretardierten Zubereitungen allerdings mit einer Wirkverlängerung auf bis zu acht Stunden erreicht.
Die längste Wirkdauer mit zwölf Stunden wird mit einer Retardkapsel erzielt, deren Hülle innerhalb einer Stunde ein Fünftel des Methylphenidats freisetzt. Der restliche Wirkstoff wird langsam osmotisch durch eine semipermeable Membran abgegeben. Ein weiterer Vorteil von einigen Kapselsystemen ist, dass ihr Inhalt auf die Nahrung verteilt werden kann, wenn Kinder die Kapsel nicht schlucken wollen oder können.
Zurück zum Fall Die PTA erläutert der Kundin, dass unterschiedliche Präparate mit dem Wirkstoff Methylphenidat existieren. Eine gute Lösung sei die Umstellung auf eine Retardformulierung, zum Beispiel eine Kapsel, die einen Teil des Wirkstoffs wie bisher rasch freisetze, aber dann bis in den Nachmittag mit dieser Einmaleinnahme wirke. Zusätzlich sei von Vorteil, dass einige dieser Kapselsysteme zu öffnen sein. Als kleine Pellets könne der Inhalt mit dem Wirkstoff auf die Nahrung gegeben werden und würde so von einigen Kindern besser akzeptiert, erklärt die PTA.
Sie rät Frau Schmidt, mit dem behandelnden Arzt über die Problematik zu sprechen. Möglicherweise könne ein Wechsel des Arzneimittels schon vor dem Schulwechsel vorgenommen werden, um die Wirkung und die Akzeptanz des Kindes zu erproben.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 auf Seite 28.
Dr. Katja Renner, Apothekerin