Nicht nur Rückstände von Plastikflaschen, Verpackungen und Co. sind im Meer zu finden, sondern auch von Arzneimitteln. © Phonix_a / iStock / Getty Images Plus

Arzneimittel | Umweltbundesamt

MEDIKAMENTE VERTEUERN, UM GEWÄSSER ZU SCHÜTZEN

Zurzeit sind rund 142 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren unterwegs, Tendenz steigend. Auch Arzneimittel treiben durch die Meere und sind umwelt- und gesundheitsgefährdend. Nun sollen die Hersteller zur Kasse gebeten werden.

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Es wird Zeit, zu reagieren. Neben Verpackungen, Strohhalmen und Co. sind auch Rückstände von Arzneimitteln im Wasser zu finden. Eine Möglichkeit wäre, die Medikamente teurer zu machen. Daher prüft das Umweltbundesamt (UBA) derzeit, ob Hersteller, Verkäufer und Anwender bestimmter Medikamente sich an den enormen Kosten für die Gewässerreinigung beteiligen sollten. Diese Erkenntnis ist nicht neu, denn bereits 2013 wurde in einem Beschluss der Umweltministerkonferenz festgelegt, dass man prüfen werde, inwieweit Hersteller angemessen an den Kosten beteiligt werden können.

Fast fünf Jahre später ist es nun soweit, und ein Forscherteam um den Ökonom Professor Erik Gawel von der Universität Leipzig hat im Auftrag der UBA untersucht, ob und inwieweit der Preis für Medikamente angehoben werden müsste, um die Kosten für die Gewässeraufbereitung wieder einzuspielen. Dabei geht es keineswegs nur darum, die Hersteller zur Kasse zu bitten. Vielmehr geht es auch darum, Anwender von Arzneimitteln mit gewässerproblematischen Stoffen zur Verantwortung zu ziehen.

Das Forscherteam hat ein Gutachten erstellt und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Kostenerhöhung durchaus sinnvoll ist. Hierbei gibt es zwei Szenarien: Entweder geht die Erhöhung auf Kosten der Hersteller und Importeure oder auf die des Handels (Apotheken, Großhandel und Tierärzte). Voraussetzung für diesen Kostenzusatz ist, dass es sich tatsächlich um gewässerproblematische Stoffe handelt.

In dem Gutachten heißt es, dass man, wenn man die Gebühr bei den Herstellern veranschlagt, man darauf achten müsste, dass der Zuschlag auch auf importierte Mittel gerechnet wird. Bei exportierten Medikamenten muss allerdings eine Ausnahme gemacht werden, um mögliche Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen zu verhindern. Diese Variante hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Vorteil wäre ganz klar, dass die Hersteller dazu motiviert werden könnten, die Zusammensetzung ihrer Medikamente zu überdenken. Als Nachteil sehen die Autoren ganz klar, dass die Firmen die Kosten leicht ausgleichen oder sogar auf die Krankenkassen umlegen könnten.

Entscheidet man sich für die zweite Variante und holt den Aufpreis erst beim Kauf der Medikamente ein, müssen nach Ansicht der Forscher einige Dinge beachtet werden. Der Zuschlag könnte bei Tierarzneimitteln dazu führen, dass Landwirte die Gabe von Medikamenten überdenken, um dadurch Kosten zu sparen. Betrachtet man sich nun die Humanarzneimittel, ist das Ganze noch einmal eine Ecke schwieriger. Ein Zuschlag auf Rx-Medikamente landet letztlich bei den Krankenkassen und somit bei den Versicherten. Dies würde allerdings nichts am Verhalten der Anwender ändern und wäre ungerecht. Gawel findet dennoch einen symbolischen Zuschlag auf Rx-Medikamente sinnvoll: „Der Beitrag könnte mit etwa 50 Cent durchaus klein sein. Das schaffe beim Verbraucher ein Bewusstsein für das Thema Gewässerschädigung“.

Bei OTC-Produkten hingegen könnte ein solcher Aufpreis eine gewisse Wirksamkeit mit sich bringen, da Anwender sich auf die Suche nach Alternativen zu Produkten mit gewässerschädigenden Wirkstoffen machen könnten. Dem Käufer muss in diesem Fall deutlich gemacht werden, warum der Aufpreis bezahlt werden muss. Diese Verantwortung obliegt dann dem Apothekenpersonal. Die Wissenschaftler sind allerdings der Ansicht, dass auch ein deutlicher Hinweis auf den Verpackungen sinnvoll wäre.

Unkritisch sehen die Autoren hingegen die Mehrbelastung für die Patienten, da sie diese als sozialverträglich ansehen. Ausgaben für Medikamentenzuzahlungen für Versicherte sind gedeckelt, beispielsweise durch die Zuzahlungsgrenze von maximal zwei Prozent des Bruttoeinkommens. „Die Sozialverträglichkeit würde auch durch eine weitere Zuzahlung nicht in Frage gestellt werden“, so das Gutachten.

Ziel des UBA ist es nun, mittels des Gutachtens die Diskussion um eine mögliche Arzneimittel-Zusatzabgabe erneut in Gang zu setzen. Mit dem eingenommenen Geld könnte man Kläranlagen mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe finanzieren. Mit solchen Anlagen wäre man in der Lage, mit Verfahren wie Ozonierung, Membranfiltration oder Aktivkohlefiltration auch solche Mikroschadstoffe aus dem Wasser zu filtern, die mit herkömmlichen Großkläranlagen nicht entfernt werden können.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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