Kleine Tablette große Wirkung: Opioide kommen bei Schmerzen erst dann zum Einsatz, wenn andere Schmerzmittel keine ausreichende Wirkung zeigen. © Charles Wollertz / iStock / Getty Images Plus

Wirkungsverlust | Schmerztherapie

MECHANISMUS DER TOLERANZENTWICKLUNG BEI OPIOIDEN ENTDECKT

Bei starken Schmerzen helfen manchmal nur noch Opioide. Neben ihrem breiten Spektrum an unerwünschten Wirkungen, besteht immer die Gefahr des Gewöhnungseffekts, wodurch die Dosis noch weiter erhöht werden muss. Die Gefahr für das Auftreten von Nebenwirkungen steigt dadurch – ein Teufelskreis, dessen Ursprung jetzt entschlüsselt wurde.

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Tumorerkrankung, schwere OP oder chronisches Schmerzsyndrom – manchmal ist der Einsatz eines Opioids unumgänglich. Wenn es nicht bei einer kurzfristigen Anwendung bleibt, stehen Arzt und Patient früher oder später vor der Frage: Wie hoch dosieren? Denn mit steigender Dosierung steigt auch das Risiko für teilweise schwerwiegende bis lebensgefährdende unerwünschte Wirkungen. Dazu zählen zum Beispiel Atemdepression, Herz-Kreislauf-Störungen oder psychiatrische Störungen. Eine Toleranzentwicklung kann mitunter eine Verzehnfachung der Dosis bedeuten. Folgen können Opioid-Überdosierungen sein, die zum Tod führen können – die Opferzahlen solcher Todesfälle sind im letzten Jahrzehnt vor allem in den USA merkbar angestiegen.

Ein internationales Forscherteam aus Jena, Sydney, Melbourne und Marburg hat sich nun den molekularen Mechanismen dieser Toleranzentwicklung gewidmet und beschreibt in ihrer Studien-Publikation Ablauf und Geschwindigkeit verschiedener Mechanismen, die zur Desensibilisierung der Opioid-Rezeptoren und damit zur Toleranz führen. „Es ist ein eigentlich sinnvoller Schutzmechanismus der Zelle vor einer Dauerreizung“, beschreibt Stefan Schulz vom Universitätsklinikum Jena die zunehmende Unempfindlichkeit der Rezeptoren bei einem Übernagebot an Opioiden. Der Mechanismus geht einher mit der Aktivierung von Arrestin, einem kleinen Protein, dessen Beteiligung bei der Down-Regulation von beta-2-Rezeptoren oder Sehrezeptoren bereits bekannt ist. Die Gruppe konnte schon in vergangenen Untersuchungen nicht nur die Beteiligung dieses Proteins zeigen, sondern auch, dass dieser Mechanismus bei synthetischen Opioiden stärker ausgeprägt ist als bei Morphin.

In ihrer aktuellen Studie konzentrierten sie sich weiter auf den Mechanismus, untersuchten die genauen zeitlichen und räumlichen Abläufe der Bindungsprozesse am Opioid-Rezeptor. Dabei entschlüsselten sie für diese Wirkstoffgruppe typische Mechanismus- und Bindungsmuster und bestätigten wiederholt die schnellere Desensibilisierung durch synthetische Opioide. Mit diesem Wissen hofft das Team, neue Ansätze für die Entwicklung von Opioiden zu liefern, die weniger Toleranz und Abhängigkeit auslösen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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