Ernährung & Diäten
LANGSAM, ABER STETIG
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Dick, dicker, krank: Längst haben sich die Deutschen zu einem Volk der Schwergewichtigen entwickelt. Zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen sind bei uns übergewichtig. Konkret bedeutet das: Sie haben einen Body-Mass-Index von 25-plus. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass viele nicht nur unter kleinen Speckröllchen und störendem Hüftgold leiden, sondern von massivem Übergewicht geplagt werden, sprich einen BMI von 30 oder mehr aufweisen. Und diese Fettleibigkeit gleicht nachweislich einem Generalangriff auf die Gesundheit.
Das Herz-Kreislauf-System ächzt ebenso unter der schweren Last wie der Bewegungsapparat. Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Arthrose und kardiovaskuläre Erkrankungen sind nur einige der möglichen Folgen von deutlichem Übergewicht. Warum die Gewichtskurve vieler Menschen immer weiter in die Höhe schnellt, hat eine ganze Reihe von Ursachen: Falsche und gleichzeitig ungesunde Ernährungsgewohnheiten, die oft durch zu große Mengen an Fett, Zucker und Fastfood sowie durch unregelmäßige Mahlzeiten und kalorienreiche Snacks gekennzeichnet sind, aber auch Bewegungsmangel im Alltag gehören dazu.
Blick auf die Energiedichte Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ein hoher Verzehr von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte ein wichtiger Einflussfaktor für die weite Verbreitung von Übergewicht ist. Zur Erinnerung: Unter Energiedichte wird der Gehalt an Energie (angegeben in Kilokalorien) pro definierter Menge eines Lebensmittels verstanden. Um das Körpergewicht zu halten, müssen die Energiezufuhr über Lebensmittel und der Energieverbrauch des Körpers ausgeglichen sein. Wer hingegen abnehmen möchte, muss dem Körper weniger Energie zuführen als er verbraucht. Beides gelingt leichter, wenn die Energiedichte der Lebensmittel gering ist.
APFEL ODER BIRNE?
Wie gesundheitsschädlich Übergewicht tatsächlich ist, darüber entscheidet nicht allein der gemessene BMI. Auch das Fettverteilungsmuster bestimmt das metabolische und kardiovaskuläre Gesundheitsrisiko. Gezeigt hat sich, dass die viszerale Fettmasse, sprich das Bauchfett, besonders eng mit kardiovaskulären Risikofaktoren und Komplikationen verknüpft ist. Ein einfaches Maß zur Beurteilung des viszeralen Fettdepots ist die Messung des Taillenumfangs. Faustregel: Ein hohes Risiko für Folgeschäden liegt bei Frauen ab einem Taillenumfang von 88 Zentimetern und für Männer ab 102 Zentimetern vor. Ab einem BMI von 25 sollte deshalb stets der Taillenumfang gemessen werden.
Praktische Tipps Maßgeblich hängt die Energiedichte von Lebensmitteln von deren Wasser- und Fettgehalt ab. Lebensmittel, die viel Wasser und/oder Ballaststoffe enthalten, haben in der Regel eine geringe Energiedichte. Beste Beispiele hierfür sind Gemüse und Obst, die nicht umsonst als gesunde „Schlankmacher“ gelten.
Süßwaren, Mayonnaise, frittierte Kost und Wurst sind Beispiele für Lebensmittel mit hoher Energiedichte. Sie sind meist stark verarbeitet, enthalten wenig Wasser und Ballaststoffe, aber viel Fett und Zucker. Fettreiche Lebensmittel haben in der Regel eine hohe Energiedichte, aber auch kohlenhydratreiche Speisen (z. B. Weißbrot) können – insbesondere bei gleichzeitig geringem Wassergehalt – eine hohe Energiedichte aufweisen.
„Die Energiedichte der Ernährung durch leichte Veränderungen zu senken und dabei gewohnte Portionsgrößen zu essen, kann Menschen nachhaltig beim Verringern oder halten des Körpergewichts helfen“, rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE). „Ziel ist ein erhöhter Anteil von Gemüse und Obst bei verringertem Anteil von fettreichen Lebensmitteln.“ Fett sollte im Wesentlichen aus ungesättigten Fettsäuren in Fisch, Nüssen und Pflanzenölen stammen. Um eine Ernährung mit niedriger Energiedichte umzusetzen, empfehlen die Ernährungsexperten folgende Strategien:
- Als Vorspeise einen grünen Salat mit leichtem Dressing oder eine klare Suppe essen. Diese Speisen enthalten viel Wasser und füllen den Magen.
- Zu den Mahlzeiten viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide verzehren.
- Speisen mit weniger Fett (z. B. Mayonnaise, Butter, Margarine und Öl) zubereiten, fettreduzierte Milchprodukte und mageres Fleisch bevorzugen.
- Zuckerreiche Lebensmittel wie Süßwaren und süßes Gebäck nur selten und in kleinen Portionen essen.
- Getränke sollten nur einen geringen Anteil der Gesamtenergiezufuhr ausmachen. Gute Durstlöscher sind energiefreie Getränke wie Wasser und ungesüßter Tee.
Abnehmen braucht Zeit Eine vollwertige, ausgewogene Ernährung, deren Basis Lebensmittel mit niedriger und mittlerer Energiedichte bilden, kann auf gesunde Weise zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion führen. Doch nie von heute auf morgen. Darauf sollten Sie Ihre Kunden im Beratungsgespräch hinweisen: Realistisch ist – eine konsequente Ernährungsumstellung vorausgesetzt – eine Gewichtsreduktion von etwa 500 Gramm pro Woche. Wer hingegen im Eiltempo abspecken will und deshalb auf Radikalkuren, Blitzoder Crashdiäten setzt, wird wahrscheinlich enttäuscht werden.
Der berüchtigte Jo-Jo-Effekt gilt als einer der ärgsten Feinde der schlanken Linie: Sein Ursprung liegt in der Tatsache, dass der Körper eine strikte Diät als „Hungersnot“ erlebt und sich darauf einstellt, mit weniger Nahrung auszukommen. Wird im Anschluss an die Diätphase wieder normal gegessen, sorgt der Körper vor und legt sich noch größere Reserven an. Ergebnis: Die Waage zeigt noch mehr an als vor Beginn der Diät.
Allein aus diesem Grund ist es wenig sinnvoll, überschüssigen Pfunden mit radikalen Diäten zu Leibe zu rücken, bei denen die Energiezufuhr häufig unter 1000 Kilokalorien pro Tag liegt. Erschwerend hinzukommt, dass zahlreiche Blitz- und Modediäten den Körper nur unzureichend mit wichtigen Nähr- und Vitalstoffen versorgen. Wer dennoch darauf vertraut, riskiert mitunter gefährliche Mangelerscheinungen. Auch Heißhungerattacken sind beinahe schon vorprogrammiert, wenn während der Diätphase ständig der Magen knurrt, wenn Verzicht, Verbote und akribisches Kalorienzählen auf dem Speiseplan stehen.
Aus diesen Gründen sollten Sie Kunden, die abnehmen möchten, unbedingt von Blitzdiäten abraten. Von namhaften Ernährungsexperten als „nicht empfehlenswert“ eingestuft werden unter anderem Trennkostdiäten, FdH (Friss die Hälfte) und die HCG-Diät. Zur dauerhaften Gewichtsreduktion ungeeignet sind auch Heilfasten und Entgiftungskuren wie Detox.
Keine Diät ohne Bewegung Damit eine Diät Aussicht auf dauerhaften Erfolg hat, sollte sie weder unrealistische Versprechungen machen noch Frust beim Essen hervorrufen. Im Gegenteil: Schmackhafte Mahlzeiten, die gut sättigen und sich mühelos in den Alltag integrieren lassen, sollten das Konzept bestimmen. Neben einem sinnvollen Ernährungsplan sollte unbedingt auch ein Plus an Bewegung zum Abspeckprogramm der Wahl gehören. Denn Bewegung und sportliche Aktivitäten erhöhen zum einen den Kalorienverbrauch und sorgen zum anderen dafür, dass der Köper Muskeln aufbaut.
EINE GUTE DIÄT …
+ basiert auf einer vollwertigen, ausgewogenen Ernährung
+ setzt zusätzlich auf Bewegung und Verhaltensänderung
+ macht satt und schmeckt
+ reduziert das Gewicht langsam und kontinuierlich
+ kennt keine Verbote
+ macht keine unrealistischen Versprechen
+ ist alltagstauglich
+ berücksichtigt individuelle Geschmacks- und Essvorlieben
+ ist wissenschaftlich fundiert
Wichtig, denn je größer die Muskelmasse, umso höher ist auch der Grundumsatz des Körpers. Das bedeutet: Muskulöse Menschen verbrauchen selbst in völliger Ruhe, etwa im Schlaf, mehr Energie als ihre „schlappen“ Mitmenschen, was das Abnehmen erleichtert. Wer Übergewicht abbauen möchte, kommt also nicht darum herum, ausreichend Bewegung in den Alltag einzubauen. Dabei sind es oft schon einfache Maßnahmen, die Erfolg versprechen. Raten Sie Ihren Kunden beispielsweise, täglich eine halbe Stunde zügig spazieren zu gehen, Aufzüge und Rolltreppen zu meiden, kurze Strecken zu Fuß zurückzulegen oder sich aufs Rad zu schwingen.
Sportliche Aktivitäten, die Ausdauer und Kraft trainieren, sind ebenfalls Balsam im Kampf gegen Bauchspeck & Co. Ob Nordic Walking, Schwimmen, Wandern oder Aqua-Gymnastik, Aerobic, Zumba oder Tanzen – wichtig, dass das Programm Spaß macht und man regelmäßig trainiert. Sport in der Gruppe kann dabei ein zusätzlicher Motivationsfaktor sein und helfen, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden.
Übergewichtigen Menschen, die lange nicht aktiv waren, sollten Sie allerdings zunächst zu einem Check-up in der Arztpraxis raten. Der Mediziner kann beurteilen, wieviel Belastung im Einzelfall erlaubt und gesund ist.
Das beste Programm Vollwertig, gesund, abwechslungsreich – es gibt zahlreiche Diätprogramme, die diese wichtigen Anforderungen an eine „gute Diät“ erfüllen. Welches die besten Aussichten auf langfristigen Erfolg hat, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten. Das belegen auch die Ergebnisse des HTA-Berichts (Health Technology Assessment). Hierfür haben Wissenschaftler im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) analysiert, welche Diäten als Therapie bei übergewichtigen und fettleibigen Menschen erfolgreich sind.
Ergebnis: Generell waren alle betrachteten Ernährungsprogramme wirksam, keines war allen anderen überlegen. „Kurzfristig erzielt eine kohlenhydratarme Kost zwar den besten Erfolg“, informieren die Autoren. Längerfristig besser wirke aber eine fettarme Ernährung. Dabei sei es vielversprechender, den Fettkonsum nur moderat statt radikal einzuschränken.
SO HILFT DIE CHIRURGIE
Diagnose Adipositas: Bleiben Ernährungs-, Bewegungs- und Psychotherapien auf Dauer erfolglos, kann Menschen mit massiver Fettleibigkeit die bariatrische Chirurgie helfen. Dabei wird der Magen operativ verkleinert und – abhängig vom eingesetzten Operationsverfahren – auch der Verdauungstrakt insgesamt verkürzt. Ergebnis: Die Patienten verspüren weniger Hunger, können nur noch kleinere Portionen verzehren und verlieren so kontinuierlich an Gewicht. Zu den bariatrischen Operationsverfahren zählen unter anderem Magenband, Magenbypass und Schlauchmagen.
Genauso erfolgreich wie fettarme Diäten zeigten sich kalorienreduzierte oder proteinreiche Programme. Um das Gewicht zu reduzieren und anschließend langfristig zu halten, müssten die Patienten neben der Ernährung jedoch auch Bewegungsverhalten und Lebensstil anpassen, so der HTA-Bericht. Deshalb verlaufen nachhaltig angelegte Diäten zweiphasig: Nach dem Abnehmen (Phase 1) helfen sie in der zweiten Phase, das verringerte Körpergewicht stabil zu halten. Für den nachhaltigen Therapieerfolg empfehlen die Autoren des HTA-Berichts unabhängig von der Diätform folgende Maßnahmen: regelmäßige körperliche Aktivität, fettarme Ernährung, viel Obst und Gemüse, regelmäßige Selbstkontrolle und kontinuierliches Verhaltenstraining.
Den Einstieg erleichtern Aller Anfang ist schwer – das wissen viele übergewichtige Apothekenkunden aus eigener Erfahrung. Viel Konsequenz, Durchhaltevermögen und oft auch eine gehörige Portion Mut sind erforderlich, um sich von alten Ernährungsmustern und „liebgewonnenen“ Verhaltensweisen zu verabschieden und das Gewicht langfristig zu reduzieren.
Den Einstieg in ein schlankeres Leben erleichtern können „Schlankheitsmittel“ aus der Apotheke. Beliebte und unkomplizierte Helfer im Kampf gegen Übergewicht sind Formuladiäten, die gerade in der Anfangsphase einer Diät für einen recht zügigen Gewichtsverlust sorgen und so die Motivation und das Durchhaltevermögen steigern können. Prinzipiell unterliegen Formuladiäten der Diätverordnung, die für die Produkte einen maximalen Gehalt von 400 Kilokalorien pro Mahlzeit sowie den Anteil an enthaltenen Nähr- und Vitalstoffen vorschreibt.
»Genauso erfolgreich wie fettarme Diäten zeigten sich kalorienreduzierte oder proteinreiche Programme.«
Mangelerscheinungen muss deshalb niemand befürchten, der Mahlzeiten vorübergehend durch entsprechende Shakes, Suppen etc. ersetzt. Stark übergewichtige Menschen können ergänzend zu einer Umstellung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten von Lipasehemmern profitieren. Arzneimittel mit dem Wirkstoff Orlistat sind in einer Dosierung von 60 Milligramm rezeptfrei erhältlich und für Erwachsene mit einem BMI ab 28 zugelassen. Die Einnahme entsprechender Arzneimittel bewirkt, dass ein Teil der aufgenommenen Nahrungsfette unverdaut ausgeschieden wird, was die Gewichtsreduktion fördert. Zu berücksichtigen ist, dass die Einnahme von Lipasehemmern mit einer Ernährungsumstellung und einer begrenzten Fettzufuhr einhergehen muss.
Neben Formuladiäten und Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Orlistat gibt es zahlreiche weitere Schlankheitspräparate, etwa Quellmittel, die für ein Sättigungsgefühl im Magen sorgen, Kohlenhydratblocker oder Lipidbinder wie Polyglucosamin. Möglicherweise können entsprechende Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinprodukte eine Diät unterstützen. Im Beratungsgespräch sollten Sie jedoch immer darauf hinweisen, dass es keine Wunderpillen gibt, die im Alleingang für eine schlanke Linie sorgen. Ohne Ernährungsumstellung, Bewegung, Geduld und Durchhaltevermögen kann eben auch die „cleverste Diätpille“ nichts bewirken.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 ab Seite 14.
Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin