Eine Psychotherapeutin spricht mit einer Patientin.
Psychotherapie ist für Betroffene meist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung, der Weg dahin kann jedoch langwierig sein. © lorenzoantonucci / iStock / Getty Images Plus

Mentale Gesundheit | Therapien

LANGE WARTEZEITEN: DER MITUNTER STEINIGE WEG ZUR PSYCHOTHERAPIE

Psychische Störungen brauchen eine gute Therapie. Doch das ist für gesetzlich Krankenversicherte leichter gesagt als getan. Denn die Plätze sind rar - und der Ablauf nicht leicht zu durchblicken.

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Wenn es um das Thema Psychotherapie geht, stellen sich den meisten Menschen Fragen über Fragen. Zum Psychiater oder Psychologen? Wie sind die Wartezeiten? Was zahlt die Kasse? Wie bekomme ich überhaupt einen Termin? Kein Wunder, denn an einen Platz für eine von der Krankenkasse bezahlten Behandlung zu kommen, kann kompliziert und aufwendig sein. Und das ist nicht alles. Wichtige Fragen und Antworten:

Psychologe oder Psychotherapeut: Wo sind die Unterschiede?
Ein Psychologe hat ein Studium in Psychologie absolviert. Damit kann man aber noch nicht heilkundlich arbeiten, dazu ist eine psychotherapeutische Zusatzausbildung nötig. Die ist gesetzlich geregelt und beinhaltet eine staatliche Abschlussprüfung (Approbation). Auch Mediziner können mit entsprechender Facharzt- oder Zusatzausbildung psychotherapeutisch tätig sein. Die Begriffe Berater oder Coach sind nicht geschützt. Es ist also keine besondere Ausbildung notwendig, um sich so zu nennen. Auch hinter der Bezeichnung «psychologische Beratung» muss nicht zwingend eine fundierte Ausbildung stecken.

Wie finde ich einen Therapeuten?
Eine Möglichkeit ist, Therapeuten im Umkreis anzurufen und nach freien Kapazitäten zu fragen. Bei der Suche können die Psychotherapiesuche des Psychotherapie-Informationsdiensts (PID), die Psychotherapeutenkammern der Bundesländer oder die Arztsuchen der Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer helfen. Oder man lässt sich über die Terminservicestellen unter der Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) ein Erstgespräch vermitteln. Ob der Therapeut Kapazitäten für die eigentliche Therapie frei hätte, spielt dabei keine Rolle. Die Stellen vermitteln auch Akuttherapien mit maximal zwölf Stunden Umfang. Dafür muss in der Sprechstunde aber festgestellt werden, dass die Therapie dringend nötig ist.

Wie läuft der Weg zur Therapie?
Am Anfang steht die Sprechstunde. Hier wird der Bedarf abgeklärt und gegebenenfalls eine erste Diagnose gestellt. Mit dieser Information geht es für den Patienten weiter: Nun kommen die sogenannten probatorischen Sitzungen. Vorgesehen sind bis zu vier solche Sitzungen mit je rund 50 Minuten Länge. Sie dienen dem Kennenlernen und der Festigung der Diagnostik.

Was zahlen die Krankenkassen?
Zuerst muss in der Sprechstunde festgestellt werden, dass ein Bedarf für eine Psychotherapie besteht. Ist das der Fall, muss man nach den probatorischen Sitzungen einen Antrag stellen, damit die Krankenkasse die Kosten für eine Psychotherapie übernimmt - dabei kann der Behandler meist helfen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen in der Regel nur eine Therapie bei dafür zugelassenen Behandlern. Wer keinen Therapeuten mit Kassenzulassung findet, kann sich bei einem gleichwertig ausgebildeten Psychotherapeuten in Therapie begeben und einen Antrag auf Kostenerstattung stellen - unter bestimmten Voraussetzungen zahlen die Krankenkassen. Wer die Kosten für die Behandlung selbst tragen muss, sollte mit Kosten von etwa 90 Euro pro Sitzung rechnen.

Wie lange muss man auf einen Therapieplatz warten?
Zu lange, sagen Experten. Der Bedarf unter den gesetzlich Versicherten ist weitaus höher, als es Plätze gibt. Im Bundesschnitt waren es 2018 laut einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer rund fünf Monate, auf dem Land noch etwas länger als in der Stadt. «Die Situation erscheint auch deshalb besorgniserregend, weil viele Menschen sich erst dann um einen Psychotherapieplatz bemühen, wenn es ihnen schon sehr schlecht », erklärt Jonas Dietrich, Diplom-Psychologe und Berater bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, «und dann müssen sie noch ein halbes Jahr warten. Das ist nicht günstig für den Krankheitsverlauf.»

Wie kann man die Wartezeit überbrücken?
Wichtig ist: Notfälle, etwa wenn es um Suizidgedanken geht, müssen sofort behandelt werden - entweder ruft man die 112 oder wendet sich direkt an eine psychiatrische Institutsambulanz, betont Dietrich. Einweisungen sind auch über den Hausarzt möglich. Um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken, können Betroffene sich zum Beispiel an regionale Selbsthilfegruppen wenden. Zudem gibt es in jedem Landkreis den sozialpsychiatrischen Dienst, der Menschen in Krisen unterstützt und berät. Zur emotionalen Entlastung können Menschen auch das Angebot der Telefonseelsorge nutzen oder sich am «Seelefon» des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) beraten lassen. Einige Krankenkassen böten zur Überbrückung von Wartezeiten psychologische Internetkurse mit Infos, Übungen und Chats an, ergänzt Dietrich. Wichtig ist, sich während der Wartezeit weiter um einen Therapieplatz zu kümmern und auf Wartelisten der Therapeuten schreiben zu lassen. Denn: Alle Überbrückungsangebote ersetzen langfristig keine Therapie.

Quelle: dpa

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