Verbandstoffe
KLEBEN ODER JUCKEN
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Geschnitten oder aufgeschürft? Schnell irgendein „Pflaster“ drauf und weiter geht’s. Aber nicht bei jedem! Lokale Irritationen kommen häufig vor und sind kein Grund zur Beunruhigung. Sie sind schon durch den Wärme- und Feuchtigkeitsstau und die mechanische Reizung beim Pflasterwechsel möglich. Die Rötung verschwindet schnell wieder. Bei manchen Menschen kommt es durch den Zinkoxid-Kautschuk-Kleber aber zu einer Reaktion des Immunsystems, genauer zu einer Kontaktallergie, die zu den Spättyp-Allergien oder den Typ-IV-Reaktionen zählt. Wieso reagieren sie auf den Zinkoxid-Kautschuk-Kleber, vertragen aber Polyacrylat?
Naturprodukt Kautschuk Für den Zinkoxid-Kautschuk-Kleber benötigt man auch heute noch den Milchsaft des Kautschukbaumes, der auch als Latex bezeichnet wird. Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird hieraus Pflaster-Klebemasse hergestellt, allerdings erst seit 1901 in der hautfreundlicheren Kombination mit Zinkoxid. Gewonnen wird der Milchsaft durch Anritzen der Baumrinde des aus Südamerika stammenden Kautschukbaumes. Er enthält 60 bis 75 Prozent Wasser und 25 bis 35 Prozent Kautschuk, außerdem Harze, Eiweiße und Mineralstoffe. Kautschuk ist ein Polymerisat aus Isopren-Einheiten und wird den Polyterpenen zugeordnet. Kommt es zu einer Allergie gegen Kautschuk, spricht man von auch einer Latex-Allergie. Das eigentliche Allergen ist ein in Spuren enthaltenes Protein. Dass es immer wieder Eiweiße sind, die im Zusammenhang mit Allergien eine Rolle spielen, ist kein Zufall.
Ein Allergen muss eine bestimmte Größe haben, um vom Körper überhaupt als Allergen erkannt zu werden. Proteine als Makromoleküle erfüllen dieses Kriterium. Der Körper erkennt in dem Protein des Kautschukbaumes ein Fremdeiweiß und reagiert unter Umständen mit einem Überschießen des Immunsystems. Sensibilisieren kann man sich nicht nur durch Pflaster oder Wundschnellverbände. Vor allem Personen, die oft in Kontakt mit Naturkautschuk kommen sowie Ärzte und Pflegepersonal sind häufig betroffen. Seit in den 1990er Jahren immer häufiger Naturlatexhandschuhe verwendet wurden, ist die Zahl der Allergiker stark angestiegen. Erst seit Einführung von allergenarmen und puderfreien Handschuhen ist ein Rückgang dieser Zahlen festzustellen. Latex ist aber immer noch in zahlreichen Medizinprodukten oder Hilfsmitteln zu finden, zum Beispiel in Kathetern. Aber auch Alltagsgegenstände wie Matratzen, Autoreifen, Babyschnuller, Kondome, Schuhsohlen oder Radiergummis können latexhaltig sein.
Symptome Zunächst treten Rötungen, Schwellungen sowie Juckreiz an der Stelle auf, die mit dem Allergen in Kontakt gekommen ist. Häufig entstehen auch Bläschen auf der Haut. Zu diesen allergischen Reaktionen kommt es allerdings erst mehrere Stunden bis Tage nach dem Kontakt beziehungsweise dem Aufkleben des Pflasters. Wird das Pflaster entfernt und ein weiterer Kontakt vermieden, gehen die Beschwerden langsam zurück. Bleibt der Reiz aber länger bestehen, kann sich die Haut chronisch entzünden. Dann setzen Umbauprozesse in der Haut ein. Sie wird trocken, rissig und ist anfällig für Infektionen.
Das Ekzem kann chronifizieren. Beim Verdacht auf eine Latex-Allergie sollte dies von einem Arzt abgeklärt werden. Zunächst wird er fragen, wann, wo und unter welchen Bedingungen die Beschwerden aufgetreten sind und ob bereits andere Allergien bekannt sind oder ob in der Familie eine allergische Vorbelastung besteht. Um ganz sicher zu gehen, ist der Epikutantest die beste Maßnahme. Dabei werden Pflaster auf Oberarme oder Rücken aufgeklebt, die mit dem entsprechenden Allergen versetzt sind. Die Hautreaktion nach zwei und drei Tagen zeigt an, ob wirklich eine Allergie gegen die Kautschuk-Proteine besteht.
Chemisch definiertes Polyacrylat Die Alternative bei einer Pflasterallergie sind Acrylharze, auch einfach Acrylate oder Polyacrylate genannt. Sie werden synthetisch hergestellt und bestehen im Gegensatz zum Naturprodukt Kautschuk nicht aus einer Vielzahl verschiedener Verbindungen, gegen die man sich sensibilisieren kann. Sie enthalten auch kein allergenes Protein und werden daher in der Regel gut vertragen. Echte Allergien gegen Polyacrylate sind sehr selten. Auch wenn sie nicht die gleiche Klebkraft besitzen wie der Zinkoxid-Kautschuk-Kleber, besitzen sie außer ihrer Hypoallergenität noch weitere Vorteile. Ihre Klebkraft verlieren sie auch bei hohen oder sehr niedrigen Temperaturen nicht. Zudem lassen sie sich besser und vor allem rückstandsfrei ablösen. Man erkennt sie an Namenszusätzen, wie „soft“, „sensitiv“ oder „hypoallergen“.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/19 ab Seite 90.
Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion