Insektenschutz
KEINE CHANCE AUF BLUT
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Manche Insekten sind nur lästig und ärgern uns mit juckenden Pusteln. Andere übertragen durch ihren Stich gefährliche Infektionskrankheiten. Schließlich besteht auch die Gefahr, mit allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock zu reagieren. Vor einem Insektenangriff kann man sich schützen. Neben dem Einsatz von Repellents helfen Verhaltensregeln, richtige Kleidung und andere mechanische Maßnahmen. Vor allem bei Reisen in tropische Länder sollten verschiedene Abwehrvorkehrungen miteinander kombiniert werden.
Stechmücken und andere Blutsauger Von den in Europa vorkommenden 104 Arten von Stechmücken schwirrt in heimischen Gefilden vor allem die Hausmücke (Culex pipiens) umher. Die weiblichen Exemplare besitzen einen stechend-saugenden Rüssel, mit dem sie die Haut ihrer Wirte durchdringen und Blut saugen. Sie benötigen die im Wirtsblut enthaltenen Proteine und Eisen, die für die Produktion und Reifung ihrer Eier notwendig sind.
Während der Stich der Hausmücke bei uns in Deutschland in der Regel lediglich juckende Quaddeln hinterlässt, übertragen viele Stechmückenarten aus wärmeren Ländern gefährliche Krankheitserreger. So ist die südliche Hausmücke (Culex quinquefasciatus) für das West-Nil-Fieber, die Gelbfiebermücke oder Ägyptische Tigermücke (Stegomyia aegypti) für Virusinfektionen wie Dengue-Fieber und Gelbfieber verantwortlich und die Moskitomücke (Anopheles gambiae) infiziert mit Malaria.
Ebenso sind Bremsen (Tabanidae) blutsaugende Insekten. Im Gegensatz zu den Stichen der Stechmücken, die für uns schmerzlos verlaufen, verspüren wir die Blutmahlzeit der Bremsen sehr deutlich, da ihre Mundwerkzeuge wesentlich größer sind. Zudem juckt die Stichstelle nicht nur stärker, ihr Biss ist zudem für die mechanische Übertragung von Krankheiten (z. B. Milzbrand, Weilscher Krankheit) verantwortlich.
TIPPS FÜR DIE REISEAPOTHEKE
Repellents sollten vor Antritt einer Fernreise vorzugsweise in Deutschland erworben werden. Ausländische Produkte können bedenkliche Wirk- und Zusatzstoffe beziehungsweise Wirkstoffkonzentrationen enthalten, die bei uns keine Zulassung aufgrund möglicher Nebenwirkungen haben.
Oftmals unbemerkt erfolgt der Stich des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus), der verbreitetsten Zeckenart hier zu Lande. Die Zecke gehört nicht zu den Insekten, sondern ist ein Spinnentier, das Blut zum Überleben braucht. Zeckenstiche, die fälschlicherweise oftmals als Biss bezeichnet werden, sind gefürchtet, da beim Blutsaugen Krankheiten wie die Lyme-Borreliose und die FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) übertragen werden können. Während FSME vor allem in bestimmten Risikogebieten wie Bayern und Baden- Württemberg verbreitet ist, wird das Borrelioserisiko in ganz Deutschland als hoch eingeschätzt, da jede dritte Zecke Borrelien in sich trägt.
Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen Diese Insekten benötigen kein Blut und stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Wer nicht allergisch gegen das Gift dieser Tiere ist, muss sich vor vereinzelten Stichen nicht fürchten. Sie sind zwar sehr schmerzhaft, doch erst mehrere hundert Stiche – selbst von Hornissen – werden zur ernsthaften Bedrohung.
Gefährdet sind etwa ein bis fünf Prozent der Bundesbürger, die allergisch auf Wespen- oder Bienengift reagieren. Bei ihnen kann bereits ein einziger Stich schwere Reaktionen auslösen. Gefährlich wird es auch für alle bei Stichen im Mundraum, die mit lebensbedrohlichen Schwellungen und Luftnot einhergehen können.
Insekten aus dem Wege gehen An erster Stelle zur Prophylaxe von Stichen stehen mechanische Abwehrmaßnahmen und Verhaltensregeln. So halten angeschaltete Klimaanlagen in geschlossenen Räumen, Mückenschutzgitter vor Fenstern und Türen sowie Moskitonetze Insekten fern. Letztere können zusätzlich – vor allem in Malariarisikogebieten – mit Insektiziden (z. B. Permethrin) imprägniert werden.
»Ammoniak und Buttersäure im Atem- und Schweißgeruch des Menschen ziehen Stechmücken förmlich an.«
Darüber hinaus schützen geeignete Textilien vor Stichen. Vorteilhaft ist eine helle, dicht abschließende Kleidung, die aber nicht eng anliegt (Durchstechgefahr) und den ganzen Körper bedeckt (langärmelige Oberteile, lange Hosen, geschlossene Schuhe, Kopfbedeckung). Da viele Mückenarten mit Einbruch der Dämmerung aktiv werden, sollte diese Tageszeit für Aktivitäten im Freien gemieden werden. Ebenso sollte von Orten Abstand gehalten werden, die Insekten bevorzugen.
Mücken halten sich beispielsweise vermehrt an stehenden Gewässern und anderen offenen Wasserstellen auf, Zecken lieben hohes Gras und Bienen und Wespen finden sich vermehrt auf Wiesen mit Fallobst oder Blumen (z. B. Klee). Essen und Getränke gehören abgedeckt, um die Insekten nicht anzulocken. Getränkedosen sind tabu, da hineingefallene Tiere leicht übersehen und verschluckt werden. Zudem helfen Repellents, die möglichst mit mechanischen Maßnahmen zur Abwehr kombiniert werden.
Unsichtbare Dufthülle Unter Repellents (lat. repellere = vertreiben) versteht man Substanzen, die auf die Haut aufgetragen werden. Solche Vertreibungsmittel sind von Insektiziden, welche die Insekten nach direktem Kontakt abtöten, abzugrenzen. Repellents töten nicht. Sie bilden lediglich durch Verdampfen auf der Haut einen wenige Millimeter dicken Schutzfilm. Dieser stört den Geruchssinn der Tiere beziehungsweise maskiert den Eigengeruch des potenziellen Wirts, sodass die Plagegeister das mögliche Zielobjekt nicht mehr orten können. Mit der Zeit werden die Konzentration des Wirkstoffs und damit die unsichtbare Dufthülle immer schwächer. Der Mensch wird wieder wahrnehmbar und damit erneut Zielscheibe für die Angreifer.
Begrenzter Schutz Auf den Packungen finden sich Angaben zur mittleren Schutzdauer. Dabei ist zu beachten, dass die Präparate je nach Wirkstoff und Dosis unterschiedlich lange die Insekten abwehren. In der Regel wirken die Produkte erheblich länger gegen Mücken als gegen Zecken. Allerdings kann die postulierte Wirkdauer individuell variieren und stellt nur einen Anhaltspunkt zur Wirkdauer dar. Starkes Schwitzen, eine hohe Luftfeuchtigkeit oder Abrieb lassen Repellents schneller unwirksam werden und erfordern ein häufigeres erneutes Auftragen, um die Schutzwirkung aufrecht zu erhalten.
Pflanzliche Mittel erfreuen sich großer Beliebtheit Grundsätzlich können synthetische Wirkstoffe von Naturstoffen unterschieden werden. Als natürliche Repellents kommen vor allem ätherische Öle verschiedener Pflanzen wie beispielsweise Geranien, Lavendel, Nelke, Eukalyptus, Teebaum oder Zitronengras zum Einsatz. Auch Präparate auf der Grundlage von Soja-, Raps- und Kokosöl werden verwendet. Pflanzliche Repellents sind aber trotz ihrer natürlichen Herkunft weder wirksamer noch besser verträglich. Ätherische Öle können die Haut vielmehr reizen und allergische Reaktionen auslösen, was durch Exposition mit UV-Licht noch verstärkt wird.
Untersuchungen zufolge weisen die meisten Naturstoffe eine erheblich kürzere Schutzdauer als ihre synthetischen Konkurrenten auf. Manche schützen kürzer als eine Stunde vor Stechattacken. Am besten scheint der Ölextrakt Citriodiol® abzuschneiden. Dabei handelt es sich um eine Zubereitung aus den Blättern einer in China beheimateten Eukalyptusart, die als Wirkstoff p-Menthan-3,8-diol (PMD) enthält.
Synthetische Mittel sind effektiverDie meisten Fachleute raten bei Reisen in tropische Länder vom Einsatz natürlicher Repellents ab und bevorzugen synthetische Mittel wie DEET (Diethyltoluamid, N,N-Diethyl-3-methylbenzamid). Es ist das Mittel der Wahl für den Einsatz in den Tropen und gilt als Goldstandard. Es wehrt Mücken, Moskitos, Bremsen und Zecken zuverlässig ab. Gegen Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen wirkt es nur schwach bis gar nicht.
Es sind Formulierungen mit unterschiedlichem DEET-Gehalt erhältlich. Mit steigender Konzentration erzielen sie eine längere Schutzdauer. Ein Präparat mit 30 Prozent DEET schützt bis zu sechs Stunden vor tag- und dämmerungsaktiven Mücken (inklusive Moskitos) und bis zu vier Stunden vor Zecken. Wer länger mückenfrei sein möchte, greift auf Formulierungen mit 50 Prozent zurück, die bis zu zwölf Stunden Mücken abwehren. Eine längere Schutzwirkung ist auch nicht mit höher konzentrierten Präparaten zu erzielen. Vielmehr machen sich dann die unerwünschten Eigenschaften häufiger bemerkbar.
Zu den Nebenwirkungen zählen lokale Hautreaktionen sowie neurotoxische Effekte. Daher wird grundsätzlich geraten, DEET nicht großflächig aufzutragen. Auch sollte es weder in der Schwangerschaft und Stillzeit noch bei Säuglingen und Kleinkindern zum Einsatz kommen. Die vom Hersteller empfohlenen Altersangaben für Kinder variieren bei den verschiedenen Präparaten aufgrund der unterschiedlichen DEET-Konzentrationen. Zu beachten ist zudem, dass die Substanz Kunststoffe und Lacke angreift.
TIPPS FÜR DIE ANWENDUNG
+ Ein Repellent stellt keinen hundertprozentigen Schutz dar. Mechanische Maßnahmen ergänzen den Schutz.
+ Die Präparate sollten frühzeitig und lückenlos auf alle zu schützenden Hautstellen aufgetragen
werden.
+ Mittel prinzipiell nur auf exponierte, nicht bekleidete Haut (z. B. Hände, Nacken, Knöchel)
auftragen. Auch dünne Kleidungsstücke mit einsprühen, da Insekten durch sie hindurchstechen
können.
+ Mittel dünn auftragen (Haut nicht tränken).
+ Kontakt mit Augen, Mund, Nasenöffnungen und Schleimhäuten vermeiden. Nicht direkt ins Gesicht
applizieren, sondern zuvor in die Hände sprühen und dann manuell auftragen.
+ Anschließend Repellent von den Händen abwaschen, um eine spätere Berührung mit Augen und
Schleimhäuten zu vermeiden.
+ Gründliches Spülen mit Wasser nach versehentlichem Kontakt mit Augen, Mund und Schleimhäuten.
+ Mittel nicht auf Wunden, Ekzeme oder entzündete Haut (Sonnenbrand) bringen.
+ Regelmäßig Schutz erneuern.
+ Repellents von der Haut abspülen, wenn der insektenabwehrende Schutz nicht mehr benötig wird.
+ Gleichzeitiger Gebrauch von parfümierten Kosmetika sollte unterbleiben.
+ Soll zugleich ein UVSchutz erfolgen, werden Repellents 15 bis 30 Minuten nach dem
Sonnenschutzmittel aufgetragen.
Als besser verträglich gilt Icaridin. Toxikologische Untersuchungen haben keine Vorbehalte gegen seine Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit ergeben. Zudem kann es schon bei Kindern ab zwei Jahren verwendet werden. Icaridin hat eine vergleichbare Wirkung und ein analoges Wirkspektrum wie DEET. Zehnprozentige Formulierungen halten bis zu vier Stunden Mücken fern, ein Icaridingehalt von 20 Prozent bietet bis zu acht Stunden zuverlässigen Schutz vor Mücken und bis zu vier Stunden vor Zecken.
Ein ähnliches Spektrum wie DEET und Icaridin hat zudem IR3535 (Ethylbutylacetylaminopropionat, EBAAP). Es soll auch Bienen und Wespen abwehren, doch gegen Moskitos weniger wirksam sein und generell eine kürzere Schutzdauer als die beiden anderen Substanzen aufweisen. Daher wird es nicht für Tropenaufenthalte empfohlen. Ansonsten ist es sehr gut verträglich und kann schon bei Kindern ab einem Jahr zur Anwendung kommen.
Viel beworben, aber nicht bewiesen Zur Abwehr von Insekten werden Kapseln mit Vitaminen B1, Knoblauch und Petersilienöl angeboten. Doch weder diese Präparate noch Produkte wie Armbänder, die mit einem Repellent imprägniert sind, sowie Geräte, die UV-Licht (Lichtfallen) oder Ultraschall (Buzzer) aussenden, konnten ihre Wirksamkeit in Studien zweifelsfrei belegen.
Erste Hilfe nach dem Stich Nach dem Aufenthalt in Zeckenrisikogebieten, sollte der Körper täglich auf die Tiere abgesucht werden, um einen möglichen Befall schnell zu entfernen. Je kürzer deren Saugzeit ist, desto geringer ist das Risiko für die Übertragung von Krankheitserregern. Zecken werden mit einer Zeckenzange oder Pinzette hautnah ergriffen und vorsichtig herausgezogen, ohne dabei ihren Körper zu quetschen. Im Anschluss wird die Einstichstelle desinfiziert und mehrere Wochen beobachtet.
Ein sicheres Symptom für eine Borreliose und Anlass für einen Arztbesuch ist eine Rötung mit hellem Zentrum, die sich ausdehnt. Doch tritt diese Wanderröte nicht bei allen Infizierten auf. Auf jeden Fall sollten sich Betroffene bei anschließenden grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen ärztlich auf eine Borreliose untersuchen lassen. Eine Pinzette ist auch zum Entfernen eines Insektenstachels erforderlich.
Beim Stich durch eine Biene bleibt der Stachel mit der Giftblase in der Stichstelle stecken. Dieser darf nicht mit den Fingern entfernt werden, um nicht versehentlich das Toxin aus der Giftblase in die Stichwunde zu drücken. Die Einstichstelle wird ebenfalls desinfiziert. Das Anlegen einer Kühlkompresse wirkt einer Schwellung entgegen. Bei Bienen- oder Wespenstichen im Mundraum helfen bis zum Eintreffen des Notarztes kalte Umschläge um Hals und Nacken und das Lutschen von Eiswürfeln.
Bei bekannter Bienen- und Wespenstichallergie sollte während der Insektensaison immer ein Notfallset mit Medikamenten (z. B. Adrenalin- Autoinjektor, Glukokortikoid, Antihistaminikum) zur raschen Selbstversorgung mitgeführt werden. Juckende Pusteln nach Mücken-, Bienen- oder Wespenstichen können mit juckreizstillenden Topika, die Antihistaminika (z. B. Bamipin, Chlorphenoxamin, Dimetinden) enthalten, gelindert werden. Bei größeren Schwellungen wirken Zubereitungen mit Hydrokortison effektiver (für Kinder ab sechs Jahren).
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 58.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin