Weisses Haar
KEIN GRUND, SICH ALT ZU FÜHLEN!
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Bei Mitteleuropäern beginnt das Grauwerden oft schon bereits mit Mitte 30 – ob früher oder später, ist in erster Linie genetisch bestimmt. Zunächst sieht man es meist an den Schläfen und am Bart, weil diese Haare die kürzeste Lebensdauer haben.
Haarfarben Im verdickten unteren Teil der Haarwurzel liegen pigmentbildende Zellen, die Melanozyten. Die Farbstoffe, die sie synthetisieren, werden in das neu heranwachsende Haar eingebaut. Es gibt zwei Formen des Pigments Melanin: das bräunlich-schwarze Eumelanin und das gelb-rötliche, schwefelhaltige Phäomelanin. Ob schwarz, brünett, rot oder blond: der Farbton ist letztlich das Ergebnis des jeweiligen Mischungsverhältnisses aus den beiden Varianten.
Offenbar steht den Haarfollikeln nur ein begrenztes Reservoir an speziellen Stammzellen zur Verfügung, aus denen neue Melanozyten hervorgehen. Wenn sich ihre Zahl mit den Jahren verringert, geht auch die Produktion des Farbstoffs nach und nach zurück. Anstelle der Pigmente lagern sich in den Haarschaft Luftbläschen ein. Dadurch entstehen Lichtreflexe, die einen helleren, silbergrauen Eindruck vermitteln. Das Ganze geht schrittweise vor sich: Zunächst sind nur einzelne Follikel betroffen. Wenn aus einem solchen ein Haar ausfällt, wächst an der Stelle ein nichtpigmentiertes Haar nach.
Körpereigenes Bleichmittel Beim Herunterfahren der Farbstoffproduktion spielen auch aggressive Sauerstoffmoleküle eine Rolle. Generell entstehen im Rahmen normaler Stoffwechselvorgänge immer auch freie Radikale, also hoch reaktive Sauerstoffverbindungen, darunter auch das als Bleichmittel bekannte Wasserstoffperoxid (H2O2). Als Schutz dagegen verfügt der Organismus über ein körpereigenes antioxidatives System, das die unerwünschte Oxidation – und damit Schädigung – zum Beispiel von Proteinen, Lipiden oder auch der DNA verhindert.
Zu diesen körpereigenen Antioxidanzien, welche die freien Radikale in den Zellen unschädlich machen, gehört das Enzym Katalase. Kürzlich wurde nachgewiesen, dass dessen Konzentration in den Haarwurzelzellen mit den Jahren immer mehr abnimmt. Die Folge: H2O2 wird nicht mehr im nötigen Umfang abgebaut. Das reaktionsfreudige Molekül inaktiviert ein Enzym, das für die Biosynthese des Melanins essentiell ist – die Pigmentbildung kommt zum Erliegen.
Die graue Farbe des Kopfhaars ist übrigens eine optische Täuschung: Das einzelne Haar, das von der Veränderung betroffen ist, ist weiß. Durch das Nebeneinander pigmentierter und pigmentloser Haare entsteht als Gesamteindruck die Mischfarbe grau. Richtig weiß (schlohweiß) wird das Haupthaar nicht bei jedem und wenn, meist in höherem Alter.
Zusammenhang mit Stress Dass, wie häufig vermutet, auch starke psychische Belastungen etwas mit dem Ergrauen zu tun haben können, ist plausibel. Man weiß, dass Stresshormone die Funktion der Melanozyten und die Pigmentsynthese beeinflussen können. Zumindest in Tierexperimenten kann Stress ein Absterben der Pigmentzellen bewirken. Außerdem wurde, ebenfalls an Mäusen, gezeigt, dass chronischer Stress, im Versuch simuliert durch Gabe von Adrenalin, Schäden in der Erbsubstanz begünstigt. Als mögliche Folgen nennen die Forscher neben diversen schwereren Störungen auch das Grauwerden der Haare.
Dagegen gibt es das Phänomen des plötzlichen Weiß- oder Grauwerdens über Nacht in der Realität nicht: Da Haare keine lebenden Zellen enthalten, können sie auch nicht auf Ereignisse reagieren; Veränderungen können sich nur über das Nachwachsen neuer, veränderter Haare ergeben.
Graues Haar braucht Sonnenschutz
Da weißes Haar kein Melanin enthält, fehlt ihm auch dessen wichtige Funktion als natürlicher UV-Filter. Die Strahlen (insbesondere in Kombination mit Salz und Chlorwasser) greifen die Haarstruktur an, mit dem Resultat eines Elastizitätsverlusts und schlechterer Kämmbarkeit; das Haar kann strohig und brüchig werden. Dagegen werden verschiedene Produkte mit UV-Filter angeboten. Der beste und einfachste Schutz ist sicher der Sonnenhut – zumal er zugleich für Gehirn und Kreislauf gut ist.
Äußerst selten stecken hinter einem frühzeitigen und raschen Ergrauen Krankheiten, wie Schilddrüsenleiden oder ein Eisenmangel. Krebsbehandlungen führen nicht nur zu Haarausfall. Die so genannten Multikinasehemmstoffe, die zu den neuen, zielgerichteten Therapien gehören, können das Haar entfärben. Nach Absetzen der Therapie kommt in der Regel die Farbe wieder.
Farbe oder Mut zum Grau? Auch immer mehr Frauen stehen heute bereits zum Grau. Wem aber mehr Farbe lieber ist, der sollte wissen, dass Tönungen das Grau nicht zuverlässig abdecken. Die klassischen Haarfärbemittel dagegen greifen die Struktur des Haars stark an, und sie enthalten Stoffe, die Kontaktallergien hervorrufen können. Strähnchen sind etwas schonender und optisch ansprechend.
Bei Verwendung von Naturfarben wird die Haarstruktur zwar nicht aufgebrochen, aber auch angeblich pflanzliche Produkte enthalten manchmal problematische Chemikalien. Bei reinen Phytopräparaten muss man damit rechnen, dass graue Haare einen Rotstich bekommen.
Bestimmte Produkte sollen die natürliche Haarfarbe zurückbringen (Repigmentierung). Auch sie funktionieren, wie gängige Färbemethoden über eine Oxidation, allerdings nicht auf Basis des aggressiven H2O2, sondern die Farbvorstufen reagieren hier – langsam – mit Luft-Sauerstoff. Wegen der Art der verwendeten Pigmente lassen sich jedoch nur dunklere Töne erzeugen, keine blonden. Außerdem stehen die Produkte in dem Ruf, gesundheitsgefährdendes Bleiacetat zu enthalten, das über die Kopfhaut aufgenommen werden kann.
Schön silbern Bisweilen bekommt die graue Mähne einen unschönen Gelbstich. Gefördert wird dies unter anderem durch UV-Strahlung oder Nikotinkonsum. Shampoos und Spülungen mit bläulichen Farbpigmenten können den „Gilb“ neutralisieren. Auch Salbei-haltige Pflegeprodukte sowie Extrakte aus Nussblatt, Ginster oder Kornblumen werden für ein schönes, silbriges Grau empfohlen.
Kalkhaltiges Wasser führt oft dazu, dass das Haar stumpf und strohig wirkt. Ein Schuss Essig oder auch Zitronensaft beim Spülen kann die Optik verbessern. Auch bestimmte Sprays machen die Haare glatter und verleihen ihnen Glanz.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 auf Seite 146.
Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin