Reagenzgläser © GiuseppeMartini / iStock / Getty Images
© GiuseppeMartini / iStock / Getty Images

Arzneimittelkunde

KANN MAN BLUT VERDÜNNEN?

Umgangssprachlich wird gerne der Begriff „Blutverdünnung“ verwendet, wenn es um die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien geht. Korrekt ist das allerdings nicht.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Vorab sei gesagt: Natürlich kann man Blut verdünnen und das nicht nur, nachdem es dem Körper entnommen wurde, sondern auch in der Blutbahn. Dazu muss man nur eine gewisse Menge an Flüssigkeit in eine Vene infundieren oder ordentlich Wasser trinken und schon verringern sich die Viskosität des Blutes sowie die Konzentration an Blutkörperchen und Bluteiweißen. Man macht dies beispielsweise mithilfe von Plasmaersatzmitteln, die nicht nur den Volumenmangel bei großen Blutverlusten ausgleichen, sondern auch die Viskosität des Blutes nach einem frischen Schlaganfall verringern.

Orale Antikoagulanzien allerdings, wie Phenprocoumon und andere Cumarinderivate oder die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), wie Dabigatran und Rivaroxaban, wirken wie auch die Heparine und die Thrombozytenaggregationshemmer, also Acetylsalicylsäure oder Substanzen wie Clopidogrel, auf eine ganz andere Weise und machen das Blut kein bisschen dünnflüssiger.

Blutstillung und Blutgerinnung Sofort nach einer Verletzung setzen die Thrombozyten vasokonstriktorisch wirkende Substanzen frei und bilden einen Pfropf. Das heißt, das Gefäß verengt sich zunächst, dann heften sich Blutplättchen an das Leck, verkleben untereinander und stellen so den ersten Wundverschluss her. Parallel dazu wird die Gerinnungskaskade aktiviert. Über insgesamt 13 Gerinnungsfaktoren entsteht Thrombin, das Fibrinogen in Fibrin umwandelt. Allein dieser Prozess dauert mehrere Minuten, daher ist der erste Wundverschluss notwendig. Das Fibrin polymerisiert anschließend und bildet ein Netz, das den noch relativ losen Pfropf einschließt und die Wunde fest abdichtet.

Allerdings kann das Blut manchmal auch ohne offene Verletzung gerinnen. Dies ist vor allem bei Strömungsanomalien, wenn es nicht frei fließen kann, der Fall. Dann bildet sich ein Thrombus in einem eigentlich intakten Blutgefäß, der das Gefäß verstopfen kann. Dies kann, je nachdem welches Gefäß betroffen ist, beispielsweise zu einem Herzinfarkt, zu einem Schlaganfall oder zu einer Lungenembolie führen. Ist das Thromboserisiko erhöht, wie zum Beispiel bei bestimmten Herzrhythmusstörungen, aber auch nach Operationen und bei Bettlägerigkeit, kann man medikamentös in die genannten Prozesse eingreifen, damit sich das System nicht in Gang setzt.

Verschiedene Angriffspunkte Während ASS und Clopidogrel verhindern, dass sich die Blutplättchen zusammenballen, greifen die anderen Substanzen in die eigentliche Blutgerinnung ein. Die Wirkung der Thrombozytenaggregationshemmer ist im Vergleich zu den Antikoagulanzien deutlich schwächer, weshalb sie eher zur Prophylaxe, also zur Behandlung nach einem Herzinfarkt und/oder nach Implantation von Gefäßstützen (Stents) in die Herzkranzgefäße, zur Vorbeugung eines Schlaganfalls bei entsprechenden Risikopatienten, aber auch bei Vorhofflimmern oder bei Menschen mit bekannter Arteriosklerose zum Einsatz kommen. Die Heparine treten direkt mit verschiedenen Gerinnungsfaktoren in Wechselwirkung und inaktivieren sie.

Im Gegensatz zu den anderen Substanzen müssen sie injiziert werden. Man setzt sie zur Thromboseprophylaxe bei immobilisierten Patienten ein, also zum Beispiel nach einem Beinbruch, wenn das gebrochene Bein für eine gewisse Zeit durch einen Gips ruhiggestellt ist. Phenprocoumon und die anderen Vertreter der Cumarine sind Vitamin K-Antagonisten. Sie hemmen die Vitamin K-abhängige Synthese mehrerer Gerinnungsfaktoren und verringern damit die Gerinnungsneigung. Lange Zeit waren Heparine und Vitamin-K-Antagonisten die einzigen Substanzen zur Hemmung der Blutgerinnung.

In den letzten knapp zehn Jahren wurden jedoch neuere Wirkstoffe entwickelt, wie etwa Dabigatran, Rivaroxaban oder Apixaban und Edoxaban. Vor allem wenn eine dauerhafte gerinnungshemmende Therapie nötig ist, können diese neuen Wirkstoffe eine deutliche Erleichterung des Alltags bringen. Die Hauptgefahr bei einer Therapie mit Cumarin-Derivaten besteht nämlich in der verringerten Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Es kann zu Blutungen aus Magen- und Darmgeschwüren oder anderen inneren Erkrankungen kommen. Die individuelle Dosis zu ermitteln ist nicht ganz einfach.

Die Ärzte wählen quasi den Mittelweg zwischen dem Schutz vor Blutgerinnseln und dem Blutungsrisiko durch Gerinnungshemmung. Die Einstellung der Dosis wurde früher über den Quick-Wert und heute über den sogenannten INR-Wert (International Normalized Ratio) gesteuert. Regelmäßige Messungen sind notwendig. Die DOAK greifen direkt in die Gerinnungskaskade ein, indem sie einzelne Gerinnungsfaktoren direkt hemmen.

Obwohl sie mittlerweile routinemäßig eingesetzt werden, bezeichnet man sie immer noch als NOAK (neue orale Antikoagulanzien). Sinnvoller ist der Name DOAK, da er auch gleich den von den Cumarin-Derivaten abweichenden Wirkungsmechanismus betont. Ob Thrombozytenaggregationshemmer, Heparine, Vitamin K-Antagonisten oder direkte orale Antikoagulanzien – all diese Substanzen haben sicher schon viele Leben gerettet, nur eins können sie nicht: das Blut verdünnen! 

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER SCHULE 2018 ab Seite 10.

×