© Spiderstock / iStockphoto.com

Wissen Sie es noch?

KANN MAN BLUT VERDÜNNEN?

Umgangssprachlich wird gerne der Begriff „Blutverdünnung“ verwendet, wenn es um die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien geht. Korrekt ist das allerdings nicht.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Vorab sei gesagt: Natürlich kann man Blut verdünnen und das nicht nur, nachdem es dem Körper entnommen wurde, sondern auch in der Blutbahn. Dazu muss man nur viel trinken oder eine gewisse Menge an Flüssigkeit in eine Vene infundieren und schon verringern sich die Viskosität des Blutes sowie die Konzentration an Blutkörperchen und Bluteiweißen. Man gibt solche Infusionen beispielsweise in Form von Plasmaersatzmitteln, die nicht nur den Volumenmangel bei großen Blutverlusten ausgleichen, sondern auch die Viskosität des Blutes nach einem frischen Schlaganfall verringern.

Orale Antikoagulanzien allerdings, wie Phenprocoumon und andere Cumarinderivate, die modernen NOAK (nicht Vitamin K-antagonistische orale Koagulanzien), wie Rivaroxaban oder die Heparine, die injiziert werden müssen, wirken wie auch die Thrombozytenaggregationshemmer, also Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel, auf eine ganz andere Weise und machen das Blut kein bisschen dünnflüssiger.

Blutstillung und Blutgerinnung Sofort nach einer Verletzung setzen die Thrombozyten vasokonstriktorisch wirkende Substanzen frei und bilden einen Pfropf. Das heißt, das Gefäß verengt sich zunächst, dann heften sich Blutplättchen an das Leck, verkleben untereinander und stellen so den ersten Wundverschluss her. Parallel dazu wird die Gerinnungskaskade aktiviert. Über insgesamt 13 Gerinnungsfaktoren entsteht Thrombin, das Fibrinogen in Fibrin umwandelt. Allein dieser Prozess dauert mehrere Minuten, daher ist der erste Wundverschluss notwendig.

Das Fibrin polymerisiert anschließend und bildet ein Netz, das den noch relativ losen Pfropf einschließt und die Wunde fest abdichtet. Allerdings kann das Blut manchmal auch ohne offene Verletzung gerinnen. Dies ist vor allem bei Strömungsanomalien, wenn es nicht frei fließen kann, der Fall. Dann bildet sich ein Thrombus. Ist das Thromboserisiko erhöht, wie zum Beispiel bei bestimmten Herzrhythmusstörungen, aber auch nach Operationen und bei Bettlägerigkeit, kann man medikamentös in die genannten Prozesse eingreifen, damit sich das System nicht in Gang setzt.

Verschiedene Angriffspunkte Während ASS und Clopidogrel verhindern, dass sich die Blutplättchen zusammenballen, greifen die Cumarinderivate und Heparine in die eigentliche Blutgerinnung ein. Phenprocoumon und die anderen Vertreter der Cumarine sind Vitamin K-Antagonisten. Sie hemmen die Vitamin K-abhängige Synthese mehrerer Gerinnungsfaktoren und verringern damit indirekt die Gerinnungsneigung. Die NOAK dagegen greifen direkt an verschiedenen zentralen Schlüsselenzymen der Gerinnung an. Die Heparine treten direkt mit verschiedenen Gerinnungsfaktoren in Wechselwirkung und inaktivieren sie. All diese Substanzen haben sicher schon viele Leben gerettet, nur eins können sie nicht – das Blut verdünnen!

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 auf Seite 73.

×