Wirtstier Fledermaus | Immunprotein
INFLUENZAVIRUS SUCHT SICH NEUE WEGE
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Bisher geschah eine Grippe-Infektion auf folgende Weise: Einmal im Körper, band sich das Virus an Sialinsäure und wurde mittels dieses Vehikels komfortabel ins Zellinnere eingeschleust. Nun entdeckten Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikums Freiburg einen völlig neuen Infektionsweg: In Fledermäusen infiziert es die Zellen, indem es an den Oberflächenkomplex MHC-II bindet. Da sich dieses Immunprotein bei vielen Tierarten und dem Menschen sehr stark ähnelt, spielt die Entdeckung eine wichtige Rolle, um Infektionsrisiko und Gefahrenpotential des Virustyps zu beurteilen. Denn: „Im Labor können die Fledermausviren die MHC-II-Komplexe von Mäusen, Schweinen, Hühnern oder dem Menschen für den Zelleintritt benutzen. Eine natürliche Übertragung dieser Influenzaviren von Fledermäusen auf andere Wirbeltiere und sogar den Menschen ist daher nicht ausgeschlossen“, sagte Prof. Dr. Martin Schwemmle, Studien- und Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie des Uniklinikums Freiburg.
Der Versuchsaufbau funktionierte so, dass die Freiburger Forscher in einzelnen tierischen Zellen mittels der Genschere CRISPR-Cas jeweils eines von 20 000 Genen zerschnitten. Das Resultat: „Zellen, bei denen wir MHC-II ausgeschaltet haben, wurden gegen eine Infektion immun“, rekapitulierte Schwemmle. Damit war bewiesen, dass das Virus mit Hilfe von MHC-II in die Zelle eindringt. Doch welcher Infektionsmechanismus ist nun evolutionär älter? Durchaus möglich, dass der MHC-II Weg über den bereits vorhandenen Sialinsäure-Weg ging.
Aus der am 20. Februar im Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie entstehen wichtige Fragen: Gibt es weitere Influenza-Viren, die den bis dato unbekannten Wirtszellrezeptor nutzen? Und wie einfach können Influenza-Viren den Rezeptor wechseln? Besteht eine Möglichkeit, dass sich Influenza-Viren entwickeln, die über beide Rezeptoren Zielzellen infizieren? Sicher ist nur, dass die Grippeviren deutlich vielseitiger sind als von den Wissenschaftlern bisher angenommen.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft