PTA-Fortbildung 09/15
IMMUNSYSTEM: SCHLAGKRÄFTIG
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Unser Körper ist mit einem gut durchdachten Abwehrsystem, dem Immunsystem, ausgestattet, um Krankheitserreger abzuwehren und uns somit gesund zu erhalten. Die Abwehr beruht auf einem komplizierten Zusammenspiel von verschiedenen Zellen und ihren Produkten, die eine Infektion verhindern können oder dafür sorgen, dass Erreger schnellst möglich wieder eliminiert werden, ohne eine langwierige Krankheit zu verursachen. Allerdings sind auch Überreaktionen des Immunsystems möglich. Allergien und Autoimmunkrankheiten sind Zeichen dafür, dass das System überreagiert oder sich sogar gegen körpereigene Gewebe und Zellen richtet und diese letztlich schädigt.
Anatomische Barrieren Bevor unerwünschte Eindringliche in den Körper gelangen, stellen sich ihnen verschiedene körpereigene Hindernisse in den Weg. Die Haut, die Schleimhäute des Respirations-, Gastrointestinal- und des Urogenitaltraktes stellen wichtige Barrieren gegen das Eindringen von Mikroorganismen dar und bilden eine erste Abwehrlinie. Auch Sekrete wie die Tränenflüssigkeit und der Speichel sind Bestandteile des ersten körpereigenen Schutzwalls. So hält der schwach saure Hydrolipidfilm der Haut pathogene Keime fern und eine intakte Hornschicht bildet eine undurchdringliche Sperre für Bakterien, Viren oder Pilze.
Der Respirationstrakt ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet, die über einen Selbstreinigungsmechanismus (mukoziliäre Clearance) verfügt, mit der eingedrungene Keime und fremde Partikel wieder hinaustransportiert werden. Zudem ist im Atemwegssekret das zum Abbau von Bakterienwänden befähigte Enzym Lysozym enthalten, das sich auch in der Tränenflüssigkeit befindet. Im Magen werden durch den stark sauren pH-Wert schon ein Teil der Erreger abgetötet. Auch in den Harnwegen können sie sich schwer einnisten, da der Harn uropathogene Bakterien schnell wieder ausgespült.
Angeborene, unspezifische Immunität Sollten trotz der ausgeklügelten anatomischen Hürde fremde Keime in den Körper gelangen, mobilisiert der Organismus sein körpereigenes Abwehrsystem. Innerhalb weniger Minuten wird die unspezifische (angeborene) Immunabwehr aktiv, welche die vorderste Front im Abwehrgeschehen darstellt. Ihre Aufgabe ist es, eingedrungene Krankheitserreger am Ort des Geschehens sofort unschädlich zu machen, bevor sie die Gelegenheit erhalten, sich massenhaft zu vermehren. Unspezifisch deshalb, weil sich die Immunzellen gegen eine große Gruppe unterschiedlichster Fremdstoffe richtet.
ABLAUF EINER ABWEHRREAKTION
Dringen Mikroorgansimen in den Körper ein, so treffen sie zu nächst auf Fresszellen der unspezifischen Abwehr wie Granulozyten und Monozyten, welche die Eindringlinge phagozytieren. Anschließend präsentieren die Monozyten Teile des Fremdmaterials, also die Antigene, auf ihrer Oberfläche. Mit Hilfe des Komplementsystems holen sie dann die T-Zellen der spezifischen Abwehr zur Unterstützung und weiteren Bekämpfung der Erreger. Eine Untergruppe der T-Zellen, die T-Helferzellen, erkennen und prüfen die Antigene und senden chemische Botenstoffe wie die Zytokine aus, die einerseits die T-Killerzellen herbeilocken, welche die Erreger absterben lassen (Apoptose) und die andererseits die B-Zellen alarmieren, mit der passenden Antikörperproduktion zu beginnen. Die Antikörper binden an die entsprechenden Antigene und es bilden sich Antikörper-Antigen-Komplexe, wodurch das Antigen unschädlich gemacht wird. Daraufhin kommt das Komplementsystem wieder zum Einsatz, das die Membranen der Eindringlinge auflöst, die im Anschluss von Fresszellen phagozitiert werden. T-Supressorzellen beenden schließlich die Immunreaktion.
Verschiedene Immunzellen spielen dabei eine Rolle. Zum einen eliminieren Fresszellen (Phagozyten), zu denen Granulozyten, Monozyten und Makrophagen zählen, die Pathogene. Dieser Vorgang wird Phagozytose genannt und besteht aus zwei Schritten: Zuerst werden die Fremdkörper umschlossen (Ingestion) und anschließend abgebaut (Digestion). Neben dieser zellulären unspezifischen Abwehr spielen nicht-zelluläre Mechanismen im Blut eine Rolle. Zu dieser humoralen unspezifischen Abwehr gehört beispielsweise das Komplementsystem, das auch mit der spezifischen Abwehr kooperiert. Das Komplementsystem besteht aus einer komplexen Reihe von über 20 Plasmaenzymen, die sich gegenseitig aktivieren.
Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Oberfläche von Krankheitserregern zu bedecken, um so den Phagozyten die Zerstörung jener Krankheitserreger zu ermöglichen, die sie sonst nicht erkennen würden (Opsonisierung). Daneben löst es verschiedene entzündliche Reaktionen aus, die bei der Bekämpfung einer Infektion beteiligt sind. Die Fragmente einiger Komplementproteine wirken als Chemokine, die weitere Phagozyten zum Infektionsherd locken. Eine weitere Funktion ist das direkte Abtöten von Bakterien, indem sie in deren Zellmembranen Poren einfügen.
Zudem gehören zum humoralen unspezifischen Immunsystem Botenstoffe (Zytokine), wie Interferone, Interleukine oder der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha). Sie sorgen für einen Informationsaustausch der Zellen untereinander und locken weitere Abwehrzellen gezielt an. Zudem patroullieren natürliche Killerzellen (NK-Zellen) im Körper. Dies sind spezielle große gekörnte Lymphozyten, die virusinfizierte Zellen erkennen, denen bestimmte Oberflächenmoleküle fehlen. Ihre Aufgabe besteht darin, virusbefallene Zellen von gesunden zu unterscheiden und im Anschluss zu inaktivieren. Alle Zellen der unspezifischen Immunabwehr werden aus Stammzellen im Knochenmark produziert und ins Blut abgegeben.
Erworbene, spezifische Immunität Erst in zweiter Linie setzt etwas später die spezifische (erworbene) Abwehr ein, bei der sich Abwehrzellen gezielt gegen bestimmte einzelne, spezifische Erreger, gegen die Antigene, richten. Sie arbeiten zielgerichteter und damit effektiver, aber auch langsamer. Die spezifische Abwehr reagiert zeitlich verzögert, da sie sich erst durch Kontakt mit dem Erreger beziehungsweise dem Antigen entwickelt. Sie wird daher auch als adaptive, das heißt angepasste Abwehr bezeichnet. Auch die Zellen der spezifischen Abwehr, die Lymphozyten, eine Zellgruppe der weißen Blutkörperchen, werden im Knochenmark aus Vorläufer-Stammzellen gebildet und ins Blut abgegeben und gelangen über die Blutzirkulation in den Körper. Bei den Lymphozyten unterscheidet man zwischen zwei Typen: Die B- und die T-Lymphozyten.
T-Lymphozyten Lymphozyten, welche die hinter dem Brustbein liegende Thymusdrüse durchwandern, werden als T-Lymphozyten bezeichnet. Sie erwerben auf ihrem Weg durch den Thymus quasi eine Prägung, das heißt, sie sind jetzt in der Lage, körpereigene von fremden Zellen zu unterscheiden und zu eliminieren. Allerdings können T-Zellen nicht eigenständig einen Erreger identifizieren. Sie sind daher auf die Hilfe von antigenpräsentierenden Zellen der unspezifischen Immunabwehr (Makrophagen, B-Zellen, dendritische Zellen und Monozyten) angewiesen.
Erst wenn eine der genannten Zellen Antigene präsentiert, findet eine Aktivierung der T-Zellen statt. Mit Hilfe von Zytokinen können sie eingedrungene Erreger schließlich direkt angreifen. T-Zellen werden in verschiedene Subpopulationen eingeteilt. Einige T-Zellen wirken regulatorisch und kontrollieren beispielsweise die Antikörperbildung der B-Zellen. Diejenigen, die eine Immunantwort fördern, heißen T-Helferzellen (CD4-Zellen), diejenigen, die sie hemmen, werden T-Supressorzellen genannt. Letztere kommen nach erfolgreicher Bekämpfung der Krankheitserreger ins Spiel.
Sie unterdrücken die zuvor erfolgte Aktivierung des Immunsystems und bringen die Abwehr zur Ruhe. Das verhindert Autoimmunerkrankungen, also die Überreaktion des Immunsystems mit dem Angriff auf körpereigenes, gesundes Gewebe. Die T-Killerzellen (CD8-Zellen) wiederum, auch zytotoxische T-Zellen genannt, vernichten tumorartig veränderte oder durch einen Virus infizierte Zellen und lassen sie absterben (Apoptose).
B-Lymphozyten Während T-Zellen an der zellvermittelten Immunantwort beteiligt sind, sind die BZellen die Träger der humoralen Immunantwort (Bildung von Antikörpern). Die B-Lymphozyten müssen also erst Antikörper produzieren, ehe sie die Angreifer zerstören. Die Bezeichnung B-Zellen stammt von ihrem Reifungsort im Knochenmark (engl. bone marrow). B-Zellen produzieren an ihrer Oberfläche spezifische Antikörper-Moleküle, die als Antigen-Rezeptoren gegen fremde Antigene fungieren.
Dabei sind diese Rezeptor-Antikörper spezifisch für ein einziges bestimmtes Antigen. Wenn eine B-Zelle auf ein Antigen trifft, das mit seinen Antigen-spezifischen Rezeptoren eine Bindung eingeht, wird sie aktiviert und teilt sich mehrmals. Der Klon an Tochterzellen beginnt dann mit der Ausschüttung eines Typs von Antikörpern, die an das eingedrungene Antigen binden. Es wird eine Kettenreaktion ausgelöst, bei der Antigen-Antikörper- Komplexe entstehen und die mit der Zerstörung des Antigens endet. Ein Teil der B-Lymphozyten bleibt mehrere Jahre als Gedächtniszellen im Körper erhalten. Wenn sie später einmal dem ursprünglichen Antigen wieder begegnen, werden sehr rasch aktiviert, erneut Antikörper zu bilden. Bei wiederholtem Antigen-Kontakt erfolgt also eine viel schnellere Immunantwort als beim Erstkontakt.
Antikörper Antikörper sind Proteine, die das Immunsystem (B-Lymphozyten und Plasmazellen) als Reaktion auf ein Antigen bildet. Sie werden auch Immunglobuline genannt. Jedes Antikörpermolekül besteht aus einer oder mehreren Grundeinheiten, die vier Polypeptidketten enthalten und zwar zwei identische schwere (H für heavy) und zwei identische leichte (L für light) Ketten. H- und L-Ketten sind zu einen Y-förmigen Gebilde zusammengefügt.
Beide Arme besitzen denselben Aufbau und bilden denjenigen Teil des Moleküls, der für die Antigenbindung verantwortlich ist. Diese Region ist sehr variabel und ist für die Spezifität des Antikörpers verantwortlich. Die verschiedenen Antikörper, von denen etwa zehn Millionen existieren, binden unterschiedlichste Antigene. Es wird also eine ganz spezifische Immunantwort ausgelöst.
Antikörperklassen Man unterscheidet die Antikörper je nach Struktur und Funktion weiter in die verschiedenen Immunglobulinklassen IgG, IgE, IgM, IgA und IgD. Immunglobulin A (IgA) wird auf allen Schleimhäuten des Respirations-, Gastrointestinal- und des Urogenitaltrakts sowie im Auge und über spezielle Drüsen rund um die Brustwarze von Müttern sezerniert und schützt dort vor Pathogenen (auch das Neugeborene). IgA machen circa ein Zehntel der im Plasma vorkommenden Antikörper aus und werden vereinfachend auch als Schleimhaut- Antikörper bezeichnet.
Immunglobulin M (IgM) ist der Frühantikörper, der bei Erstkontakt mit Antigenen als erstes gebildet wird. Er zeigt die akute Phase einer Infektion an. Immunglobulin G (IgG) ist die größte Klasse der Immunglobuline. IgG wird erst in einer verzögerten Abwehrphase nach drei Wochen produziert und bleibt lange erhalten. Der Nachweis zeigt eine durchgemachte Infektion oder eine Impfung an. Bei einem Zweitkontakt wird das Immunglobulin aber schnell und in großer Menge gebildet. Immunglobulin D (IgD) kommt im Plasma nur in sehr geringen Mengen vor. Es wird bei der Vermehrung und Differenzierung von B-Zellen benötigt.
Das vielleicht bekannteste Immunglobulin ist IgE. Es vermittelt den Schutz vor Darmparasiten, wie beispielsweise Würmern, und ist an Allergien beteiligt. IgE kommt nicht in freier Form im Plasma vor, sondern findet sich auf Zellmembranen der Mastzellen. Bei Antigenkontakt kommt es zur Mastzelldegranulation und in Folge zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie Histamin.
Die allergische Reaktion Allergien sind ein Beispiel dafür, dass das Immunsystem nicht immer zwischen schädlichen und unschädlichen Stoffen unterscheiden kann. So wird ein eigentlich harmloser Stoff wie beispielsweise ein Pollenkorn als gefährlich eingestuft. Allergische Reaktionen werden anhand ihrer Abläufe in verschiedene Typen eingeteilt.
»Dem Immunsystem stehen zur Bewältigung seiner komplexen Aufgaben zwei wichtige Systeme zur Verfügung: die unspezifische und die spezifische Abwehr.«
90 Prozent aller allergischen Reaktionen sind vom Sofort-Typ, die auch als Typ-I-Reaktion oder klassische Allergie bezeichnet werden. Die allergischen Beschwerden treten dabei sehr rasch, das heißt einige Sekunden bis wenige Minuten nach dem Allergenkontakt mit Haut oder Schleimhaut auf. Zu den Sofort-Typ-Reaktionen zählen die bekanntesten und häufigsten allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, allergisches Asthma bronchiale, das atopische Ekzem und die Nahrungsmittelallergie.
Sofort-Typ-Reaktion Der Organismus bildet nach Antigenkontakt eine große Anzahl spezifischer IgE-Antikörper gegen diesen Fremdstoff. Diese Antikörper setzen sich auf die Mastzellen, die mit spezifischen Bindungsstellen für Antikörper der Klasse E ausgestattet sind. Mastzellen befinden sich in Blut und Körpergeweben, insbesondere in Haut und Schleimhäuten von Nase, Mund und Augen sowie in den Atmungsorganen und im Darm. Während dieser ersten Phase, der Sensibilisierungsphase, treten noch keine sichtbaren Reaktionen auf. Der Körper ist vorerst nur sensibilisiert worden.
Kommt es aber zu einem wiederholten Kontakt mit dem Fremdstoff, dem Allergen, dann „erinnert“ sich das Immunsystem und produziert schnell größere Mengen an IgE. In dieser Reaktionsphase bindet sich das Antigen an seine spezifischen Antikörper auf den Mastzellen. Bei der Antigen-Antikörper-Reaktion überbrückt ein Antigen zwei benachbarte Antikörper und bringt so die Mastzelle zum Platzen. Die Mastzellen setzen dadurch eine Vielzahl von Entzündungsstoffen (Mediatoren) explosionsartig frei, die Entzündungsreaktionen hervorrufen, die harmlos bis lebensbedrohlich sein können.
Der wichtigste Mediator ist das Histamin. Histamin bindet an H1-Rezeptoren verschiedener Körpergewebe, was eine lokale Vasodilatation und eine erhöhte Permeabilität der Gefäße nach sich zieht. Dies ist mit Rötung, Quaddelbildung, Ödemen sowie einer verstärkten Schleimsekretion verbunden und zeigt sich beispielsweise bei einer Pollenallergie durch die typischen Beschwerden an Nase und Augen wie Niesreiz, verstopfter oder laufender Nase, geröteten, tränenden Augen oder Lidschwellungen.
FÜR EINE STARKE ABWEHR
Ein gesunder Lebensstil wirkt sich unterstützend auf das Immunsystem aus. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, Bewegung, sportliches Ausdauertraining, ausreichend Schlaf, Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholgenuss, Entspannungstrainings (zum Beispiel Yoga, autogenes
Training), Saunagänge und Kneippsch’sche Güsse.
Auch kann die Bronchialmuskulatur kontrahieren und einen Asthmaanfall auslösen – letztlich kann es über Atemnot bis hin zum allergischen, anaphylaktischen Schock kommen. Beim gesamten Allergiegeschehen spielen neben Histamin noch Leukotriene und andere zelltoxische Mediatoren eine Rolle. Sie werden ungefähr vier bis 24 Stunden nach Allergenkontakt im Rahmen einer Spätphasenreaktion über aktivierte eosinophile Granulozyten sezerniert und lösen eine chronische Entzündung der Nasenschleimhaut, eine vermehrte nasale Obstruktion sowie eine nasale Hyperreaktivität auf unspezifische Reize wie beispielsweise Temperaturänderungen, Tabakrauch, Abgase oder Duftstoffe aus.
Zytotoxischer Typ Dieser Allergietyp wird auch Typ-II-Allergie genannt. Es handelt sich um eine humoral durch Antikörper vermittelte zytotoxische Reaktion. Nach Kontakt mit zellständigen Antigenen (zum Beispiel mit Medikamenten oder transfundiertem Blut) bilden sich innerhalb weniger Stunden Immunkomplexe zwischen den Antigenen und den im Blutstrom kreisenden IgM-, IgG-, (IgA-)-Antikörpern. Diese aktivieren zytotoxische Killerzellen und das Komplementsystem, worauf hin es zur Zerstörung körpereigener Zellen wie beispielsweise Erythrozyten, Thrombozyten oder Granulozyten kommt.
Immunkomplex-Typ Allergische Reaktionen vom Typ III werden durch Antikörper (IgG, IgA, IgM) vermittelt. Charakteristisch für die allergische Reaktion vom Typ III ist, dass sich nach Allergenkontakt Immunkomplexe bilden. Wie beim Typ II wird das Komplementsystem aktiviert, das eine Phagozytose der Komplexe durch Leukozyten anstößt, welche wiederum zytotoxische Enzyme freisetzen. Eine allergische Reaktion vom Typ III tritt nach etwa sechs bis zwölf Stunden ein. Beispiele dafür sind: Immunkomplex-Erkrankungen wie eine Vaskulitis oder Serumkrankheit sowie eine exogene allergische Alveolitis, eine Entzündung des Lungengewebes nach Einatmen von Allergenen wie beispielsweise die Farmerlunge.
Spätreaktion Bei der Typ-IV-Reaktion treten die allergischen Symptome erst 12 bis 72 Stunden nach dem Allergenkontakt auf. Anders als bei den drei anderen Allergieformen wird dieser Typ nicht durch Antikörper, sondern durch T-Lymphozyten vermittelt. Dabei wandern sensibilisierte T-Lymphozyten an die Hautkontaktstelle des Allergens und verdichten sich dort zu juckenden, geröteten Quaddeln. Es entsteht ein Kontaktekzem. Das wohl bekannteste Beispiel für eine Allergie vom Typ IV ist die Kontaktallergie der Haut (z. B. auf Nickelverbindungen).
Pseudo-Allergien Hierbei handelt es sich um eine allergische Reaktion ohne vorausgehende Antikörperbildung. Die Beschwerden werden von histaminreichen Lebensmitteln (z. B. bestimmte Fischarten und Käsesorten) und von Nahrungsmitteln ausgelöst, die Stoffe enthalten, welche die Körperzellen zur Histaminausschüttung veranlassen (z. B. Erdbeeren, Zusatzstoffe wie Konservierungsstoffe, Antioxidantien, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Aromastoffe). Auch Acetylsalicylsäure kann Pseudo-Allergien verursachen.
Ebenso führen physikalische und/oder chemische Reize zu einer Entleerung der Mastzellen (wie bei der Sonnenallergie). Im Unterschied zur IgE-vermittelten Allergie hängen die Pseudo- Allergien von der Menge des aufgenommenen Auslösers ab. Sie sind nicht durch eine Allergiediagnostik ausfindig zu machen.
Autoimmunerkrankungen Dabei handelt es sich um eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen gesunde körpereigene Strukturen (Gewebe, Zellen), da die Abwehrzellen nicht mehr zwischen körpereigenen Molekülen und fremden Substanzen differenzieren können. Dafür produzieren B-Lymphozyten Antikörper (Autoantikörper). Um an einer Autoimmunerkrankung zu leiden, muss wahrscheinlich eine genetische Veranlagung vorhanden sein.
Damit die Autoimmunkrankheit schließlich zum Ausbruch kommt, sind weitere Faktoren wie beispielsweise bestimmte Umweltfaktoren und/oder Infektionskrankheiten notwendig. Der genaue Mechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Zu den Autoimmunkrankheiten zählen unter anderem die Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose, Psoriasis und eine Hashimoto- Thyreoiditis.
Aktivierung des Immunsystems Mit Schutzimpfungen soll der Organismus in die Lage versetzt werden, spezifische Abwehrzellen gegen gefährliche Infektionskrankheiten zu produzieren. Das Prinzip der Impfung besteht darin, den Körper durch Gabe von Antigenen (abgeschwächte, abgetötete oder fragmentierte Krankheitserreger) zur Bildung von Abwehrstoffen anzuregen, ohne eine Erkrankung auszulösen. Diesen Vorgang nennt man auch aktive Immunisierung, da der Körper selbst tätig werden muss.
Der auf diese Weise erworbene Schutz bleibt jahrelang, teilweise sogar ein Leben lang bestehen. Nachteil ist, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis der Organismus ihn aufgebaut hat. Zudem sind in der Regel mehrere Impfungen zum Aufbau der Immunantwort notwendig. Für einen vollständigen Impfschutz sind in der Regel vier Impfdosen erforderlich – und zwar nach dem vollendeten zweiten, dritten, vierten und elften bis 14. Lebensmonat (Grundimmunisierung).
Dabei sollten zwischen den Teilimpfungen die angegebenen Impfabstände nicht unterschritten werden. Andererseits gibt es keine unzulässig großen Abstände zwischen Impfungen. Jede Impfung zählt. Eine Verlängerung der Impfabstände bedeutet keine Beeinträchtigung der Endimmunität und selbst eine für viele Jahre unterbrochene Grundimmunisierung muss nicht neu begonnen werden. Auffrischimpfungen benötigen nur eine Dosis, um einen abgefallenen Antikörpertiter wieder auf das erforderliche Niveau anzuheben.
Passive Immunisierung Von der aktiven wird die passive Immunisierung abgegrenzt, bei der dem Körper von einem anderen Organismus gebildete spezifische Antikörper (Immunglobuline) übertragen werden, über die er zum gegebenen Zeitpunkt nicht oder nicht in ausreichender Menge verfügt. Vorteil der passiven Immunisierung ist der sofortige Eintritt des Schutzes, da der Körper nicht erst zur Bildung von Antikörpern angeregt werden muss.
Das kann in Notfällen wie beispielsweise der Gefahr einer Tetanusinfektion bei offenen Verletzungen ohne vorhandenem Tetanusschutz lebensrettend sein. Allerdings ist die Immunität nur von kurzer Dauer (circa drei Monate), da die Antikörper wieder abgebaut werden. Daher werden passive Impfungen möglichst mit einer aktiven kombiniert, was als Simultanimpfung bezeichnet wird.
Lebend- und Totimpfstoffe Nach Art und Beschaffenheit der in Impfstoffen enthaltenen Antigene existieren verschiedene Impfstoffarten. Ein Lebendimpfstoff besteht aus in seiner Pathogenität abgeschwächten (attenuierten), vermehrungsfähigen Erregern (zum Beispiel Masern-, Mumps-, Röteln- Impfstoff). Sie erzeugen eine lang andauernde, bei einigen Impfstoffen vermutlich lebenslange Immunität. Lebendimpfstoffe können entweder gleichzeitig oder müssen mit einem Abstand von mindestens 4 Wochen gespritzt werden. Ansonsten verhindert die unspezifische Körperabwehr die Antikörperbildung gegen das zuletzt applizierte Impfantigen.
IMMUNSYSTEM IM ALTER
Mit zunehmendem Alter (etwa vom 40. Lebensjahr an) lässt die Abwehr nach. Der Organismus produziert immer weniger Bund T- Lymphozyten, die zudem weniger schlagkräftig arbeiten. Daher steigt im höheren Lebensalter das Risiko für Infektionskrankheiten. Typisches Beispiel ist die Gürtelrose, an der vor allem Menschen ab 50 Jahren erkranken. Auch kommt es vermehrt zu Autoimmun- und Krebserkrankungen und die Wirkung von Schutzimpfungen lässt nach.
Totimpfstoffe enthalten abgetötete (inaktivierte), nicht mehr vermehrungsfähige Erreger, deren Impfschutz nur von begrenzter Dauer ist, so dass gegebenenfalls Auffrischimpfungen notwendig werden. Bei den Totimpfstoffen wird noch zwischen Impfstoffen mit inaktivierten ganzen Mikroorganismen (z. B. FSME-, Polio-Impfstoff) und Subunit- Vakzinen unterschieden, die aus gereinigten Bestandteilen inaktivierter Erreger (z. B. Pertussis-, Pneumokokken- oder Meningokokken-Impfstoff) bestehen.
Zu den letzteren zählen auch Toxoid-Impfstoffe (z. B. Tetanus- oder Diphterie-Impfstoff), das heißt Impfstoffe mit entgiftetem Toxin, das zumeist zusammen mit einem die Immunantwort zusätzlich stimulierendem Träger (Adjuvans) verabreicht wird. Bei der Impfung von Totimpfstoffen sind keine Wartezeiten zu anderen Impfungen erforderlich.
Impfkalender Die aktuelle Fassung des Impfkalenders ist unter www.rki.de abrufbar. Er umfasst Impfungen zum Schutz vor Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis), Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Kinderlähmung (Poliomyelitis/Polio), Hepatitis B, Rotaviren, Pneumokokken, Meningokokken (Serogruppe C), Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Varizellen) sowie gegen humane Papillomviren (HPV) und Grippe (Influenza). Er führt Standardimpfungen für Säuglinge und Kleinkinder bis zwei Jahre sowie Standardimpfungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf.
Impfungen sind nicht nur für die Kleinen, sondern auch für Große sinnvoll. Nach einer durchgeführten Grundimmunisierung sind meist Auffrischimpfungen im Erwachsenenalter notwendig. Zudem können bei einer besonderen epidemiologischen Situation oder Gefährdung Indikationsimpfungen erforderlich werden. Dazu zählen auch Impfungen aufgrund beruflicher Risiken oder Reisen.
Immunsuppression Nicht immer soll das Immunsystem aktiviert werden. In bestimmten Situationen wie beispielsweise nach einer Organtransplantation ist es von Nöten, immunsupprimierende Maßnahmen zu ergreifen, damit das Transplantat nicht abgestoßen wird. In der Regel müssen die Betroffenen ein Leben lang immunsupprimierende Medikamente (wie Azathioprin, Ciclosporin A) erhalten. Immunsuppressiva werden auch bei Autoimmunerkrankungen und Allergien eingesetzt. Methotrexat ist beispielsweise ein Arzneimittel, das bei einer rheumatoiden Arthritis, Psoriasis oder Multipler Sklerose zur Anwendung kommt.
Daneben werden vermehrt verschiedene Antikörper-Therapien (z. B. Basiliximab, Daclizumab, Infliximab, Adalimumab) und Glukokortikoide bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Letztere sind auch typische die Abwehr unterdrückende Mittel bei allergischen Reaktionen wie einem Asthma bronchiale, einer Neurodermitis oder bei einem allergischen Schock.
ZUSATZINFORMATIONEN
Immunstimulanzien
In der Apotheke werden im Rahmen der Selbstmedikation vor allem Mittel zur Stärkung der Abwehr nachgefragt. Klassiker sind die immunstärkenden Mikronährstoffe Vitamin C und Zink. In letzter Zeit haben auch vermehrt Vitamin D und verschiedene Aminosäuren (z. B. Glutamin, Arginin, Lysin, Taurin) einen besonderen Stellenwert zur Unterstützung des Immunsystems erhalten. Darüber hinaus werden Probiotika zur Abwehrstärkung eingesetzt. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, und deren Stoffwechselprodukte oder Zellbestandteile, die in ausreichender Menge in den Darm geschleust werden und sich dort ansiedeln.
Verwendung finden Milchsäurebakterien wie Lactobacillus, Bifidobacterium, nicht pathogene Escherichia-coli-Stämme sowie Hefe Saccharomyces boulardii. Vor allem in der Erkältungszeit steigt das Interesse an immunstimmulierenden Phytopharmaka. Seit langem im Einsatz sind verschiedene Sonnenhut (Echinacea)-Präparate, wobei sowohl das Kraut des Purpursonnenhuts (Echinacea purpurea) als auch die Wurzel des blassfarbenen Sonnenhuts (Echinacea pallida) von der Kommission E positiv bewertet wurden. Zudem sind Präparate mit dem Abendländischen Lebensbaum (Thuja occidentalis) gefragt, auch in Kombination mit Sonnenhut und Färberhülse (Baptisia tinctoria).
Sowohl die Wurzel des Sibirischen Ginsengs (Eleutherococcus senticosus), der auch Taigawurzel genannt wird, als auch die Ginsengwurzel (Panax ginseng) kommen schon seit langer Zeit in Belastungs- und Stresssituationen sowie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit zum Einsatz. Seit kürzerem werden auch Präparate mit Rosenwurz (Rhodiola rosea) für diesen Zweck vertrieben. Die Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) findet zur Immunmodulation bei akuter Bronchitis Verwendung.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 34.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin