Interview
„ICH MÖCHTE DIE KOMPETENZEN IN DER APOTHEKE VOR ORT FÖRDERN“
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Zunächst einmal, wie gehen Sie bei Klinge Pharma mit der Corona-Krise um?
Wir versuchen wie alle, das Bestmögliche aus dieser Situation zu machen. Auf der einen Seite müssen wir sehen, dass es weiterläuft, auf der anderen Seite haben wir eine gesellschaftliche Verantwortung. Also sind alle Mitarbeiter, bei denen es möglich war, sofort ins Homeoffice gegangen. Wenn man teamorientiert arbeitet, sich gegenseitig unterstützt und jeder seine individuellen Fähigkeiten einbringt, dann funktioniert das sehr gut.
Eigentlich sollte unser neuer Schulungsaußendienst am 1. April mit der Schulung von Apothekenteams beginnen. Die Schulungen sind mir sehr wichtig, denn das Wissen muss in die Apotheken gebracht werden, dort wird es gebraucht und umgesetzt. Da mussten wir uns schnell eine Alternative überlegen. Und jetzt läuft es eben erst mal online. Es gibt Telefon, Mails und Skype-Meetings. Was zuerst eine Notlösung war, macht inzwischen richtig Spaß.
Was haben Sie seit Ihrem Einstieg bei Klinge schon bewegen können?
Die ersten Wochen dienten erst einmal der Orientierung: Was funktioniert gut? Was kann man besser machen? Im September letzten Jahres haben wir uns dann in unter- schiedlichen Runden ausgetauscht und Pläne für eine strategische Neuausrichtung entwickelt: Wo sehen wir Klinge Pharma in der Zukunft? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, um dorthin zu kommen? Dieses Unternehmen hat ja eine lange, wechselhafte, aber letztlich erfolgreiche Geschichte. 1933 wurde Venostasin®, das auch heute noch zeitgemäß ist, als erstes Produkt eingeführt. Eine der Stärken von Klinge ist seine Flexibilität.
Als mittelständisches Unternehmen sind wir kein behäbiger Tanker, sondern können Dinge schnell umsetzen. Die Impulse, die wir setzen, zeigen sich bereits durch ein neues Logo, einen neuen Firmenauftritt mit einer zeitgemäßen Homepage und ein neues Layout bei Schulungsmaterialien. Im Mittelpunkt unserer Zukunftsstrategien steht die Förderung der Kompetenzen in der Apotheke vor Ort. Ich komme selbst aus einer Apothekerfamilie und bin quasi in der Apotheke aufgewachsen.
Deshalb liegt mir die öffentliche Apotheke sehr am Herzen und ich weiß, was Apotheker und PTA an Unterstützung brauchen, um kompetent beraten zu können. Wir möchten ein persönlicher Partner der Apotheken sein. Klinge Pharma ging wie viele pharmazeutische Unternehmen aus einer Apotheke hervor, das ist über die Jahre ein bisschen aus dem Blick geraten. Wir legen den Fokus gerade wieder dorthin, wo beraten wird, also auf die Apotheke vor Ort.
VITA
Dr. Ines Bohn stammt aus einer Apothekerfamilie und ist promovierte Neurobiologin und Betriebswirtschaftlerin. Seit Juli 2019 ist sie Geschäftsführerin bei Klinge Pharma in Holzkirchen am Tegernsee. Sie bringt 20 Jahre Erfahrung in der pharmazeutischen Industrie für OTC- und Rx-Produkte mit. Frau Bohn ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Wird es auch neue Produkte geben?
Aber sicher! Wir entwickeln unsere beliebten und etablierten Produkte weiter, neu ist zum Beispiel die Vomex A® Sublingualtablette, die man auch ohne Wasser unterwegs einnehmen kann oder das Venostasin® fresh Spray, für alle, denen das Eincremen der Beine zu lange dauert. Für den Sommer haben wir noch eine neue Darreichungsform von Vomex A® geplant, mehr verrate ich im Moment noch nicht. Aber wir können bereits jetzt auch ganz neue Produkte präsentieren. Die drei wesentlichen Kernbereiche bei uns sind: Magen-Darm mit Vomex A®, DiaVerde®, Carvomin® und Gelsectan®, dann die Harnwege mit Arctuvan®, Arctuvan® Mannose und Utipro® plus, das wir vor kurzem dazugekauft haben und schließlich die Dermatologie. Hier haben wir Physiogel® übernommen.
Demnächst wird unser neuer Derma-Außendienst seine Arbeit aufnehmen und die Ärzte über die Produkte informieren, sodass Physiogel® auch von den Ärzten empfohlen werden kann. Außerdem werden wir zunehmend auch mit verschreibungs- pflichtigen Arzneimitteln vertreten sein. Generell beschränken wir uns lieber auf wenige Fokusbereiche und kümmern uns intensiver um diese, anstatt zu versuchen, auf allen Hoch- zeiten zu tanzen. Dennoch arbeiten wir auch an ganz innovativen Produkten, unsere Pipeline ist gut gefüllt.
Hat sich auch etwas an den Strukturen im Unternehmen verändert?
Das bleibt nicht aus, wenn man die Strategie neu ausrichtet. Wir haben zum Beispiel ein neues Apotheken-Schulungsteam. Eine Person ist ausschließlich für die Schulungsmaterialien zuständig, das gab es vorher nicht. Mir geht es um Inhalte, nicht nur um schöne, bunte Folder! Die Schulungen wurden übrigens gemeinsam mit PTA und Apothekern aus der Praxis entwickelt und gehen auf die Punkte ein, die im Apothekenalltag und gerade im Kundengespräch wichtig sind. Im Schulungsteam sind ebenfalls PTA᾽s dabei, wir schätzen und brauchen ihre Fachkompetenz. Sie wissen am besten, welche Hilfestellung wir den Apotheken geben können, denn sie haben eigene Erfahrungen in der Apotheke gesammelt.
Neu ist auch der erwähnte Derma-Außerdienst für die Ärzte und auch in anderen Bereichen wird umstrukturiert. Da hat schon der eine oder andere Mitarbeiter gefragt, ob er denn jetzt nicht mehr wichtig sei. So darf man das nicht sehen. Natürlich ist jeder Mitarbeiter wichtig, aber es geht nicht um „uns im Büro“. Das Wichtigste sind unsere Kunden, also die Menschen, die in den Apotheken arbeiten. Wenn bei uns das Telefon klingelt und jemand aus einer Apotheke möchte etwas zu unseren Produkten wissen, dann gibt es nichts Wichtigeres als diese Anfrage zu beantworten. Denn möglicherweise steht die PTA oder die Apothekerin/der Apotheker gerade vor dem Kunden und braucht jetzt eine Antwort.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich versuche, die Mitarbeiter situativ zu führen, das heißt, ich gehe individuell auf den einzelnen in seiner momentanen Situation ein. Dabei setze ich auf eine direkte Kommunikation, auf Offenheit und Ehrlichkeit. Ich schätze ein direktes Feedback, auch mir gegenüber. Jeder Mitarbeiter kann jederzeit in meinem Büro vorbeikommen, mich anrufen oder mir eine Mail schreiben. Nur wenn ich weiß, wo der Schuh drückt, kann ich auch unterstützen. Ich behaupte, einen sehr engen Kontakt zu meinen Mitarbeitern zu haben und weiß eigentlich immer, wie es ihnen geht. Auch das ist der Vorteil eines mittel- ständischen Unternehmens, die Zahl der Mitarbeiter ist überschaubar – das Miteinander funktioniert und das Menschliche kommt nicht zu kurz. Mein Weg mit Mitarbeitern umzugehen beruht auf Vertrauen und Motivation und nicht auf Kontrolle.
Für Kontrolle habe ich gar keine Zeit! Jeder hat erst einmal einen Vertrauensvorschuss. Das hat auch was mit Wertschätzung zu tun. Ich finde auch Lob sehr wichtig. Dem alten Spruch „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ kann ich gar nichts abgewinnen. Ich bin dabei aber durchaus anspruchsvoll. Nur wenn man immer besser werden will, kann man auch aktiv etwas mitgestalten. Man muss immer einen Schritt voraus denken, sich nur einer neuen Situation anzupassen, reicht nicht. Also raus aus der Komfortzone! Und das erwarte ich von mir genauso wie von meinen Mitarbeitern. Gemeinsam Großes zu erreichen ist möglich, wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 110.
Das Interview führte Sabine Breuer