Nahrungsergänzungsmittel
HILFREICH ODER UNSINN?
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Sie sehen auf den ersten Blick aus wie Arzneimittel, sind aber keine: Nahrungsergänzungsmittel gehören zu den Lebensmitteln und sollen die gesunde Ernährung unterstützen. Die Produkte liegen oft in Form von Pulvern, Kapseln, Tabletten oder Dragees vor und enthalten Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Antioxidanzien, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, pflanzliche Extrakte, natürliche Öle (zum Beispiel Fischöl), Enzyme, Aminosäuren, anorganische (Kieselerde) oder organische Naturstoffe (Algen).
Das Bundesinstitut für Justiz und Verbraucherschutz veröffentlichte in der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (Nahrungsergänzungsmittelverordnung, NemV) folgende Definition: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Konzentrate von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ergänzungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellen und in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden.
Abgrenzung zu AM Während Arzneimittel (AM) dazu dienen, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu verhüten, zu lindern oder zu heilen, physiologische Körperfunktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu stellen, sind NEM eine besondere Gruppe an Lebensmitteln zur Ergänzung der Ernährung. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass auf Medikamenten ein Verfallsdatum mit der Bezeichnung „verwendbar bis“ angegeben ist, NEM sind hingegen mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (mindestens haltbar bis) versehen.
Im Umkarton von Arzneimitteln befindet sich eine Packungsbeilage mit Dosieranleitung, auf NEM ist eine empfohlene, tägliche Verzehrempfehlung deklariert. Für Arzneimittel gilt das Arzneimittelrecht (Arzneimittelgesetz) und sie werden in einem Prüfverfahren durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder bei der Europäischen Zentralbehörde zugelassen. NEM fallen unter das Lebensmittelrecht (Lebens- und Futtermittelgesetzbuch und NemV) und müssen beim BVL (Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) angezeigt werden.
Eine weitere Gruppe stellen diätetische Lebensmittel dar: Sie gelten besonderen medizinischen Zwecken und zählen zu den Lebensmitteln für Patienten, deren Nährstoffbedarf aufgrund bestimmter Erkrankungen, Störungen oder spezifischer Beschwerden nicht durch den Verzehr normaler Lebensmittel gedeckt werden kann. Diätetische Lebensmittel sollten unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden.
In aller Munde Laut Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) nehmen circa 25 bis 30 Prozent der Erwachsenen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel ein. Doch wie für Arzneimittel gilt auch für NEM: Dosis facit venenum (Die Dosis macht das Gift). Führt man dem Körper einzelne Nährstoffe in übertriebenen Mengen zu, können sich ernsthafte Nebenwirkungen entwickeln.
Vor dem Hintergrund, dass eine ausgewogene Ernährung den gesunden Organismus mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen versorgt, überarbeitete das BfR vor einigen Monaten seine 2004 vorgeschlagenen Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe und passte seine Empfehlungen an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse an. Während die Höchstmengen für Vitamin D, Selen und Vitamin C angehoben wurden, reduzierte das Institut die Angaben für Vitamin B6 und Folsäure. Das BfR vertritt zudem die Meinung, dass einige Nährstoffe gar nicht in NEM enthalten sein sollten. Dazu gehören Vitamin A, Calcium, Kupfer, Zink, Fluorid und β-Carotin, deren Anteil in Lebensmitteln ohnehin hoch ist.
Vitamine und ihre Aufgaben Sehr populär sind Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen. Die essenziellen, organischen Stoffe werden für zahlreiche Funktionen des Körpers benötigt. Der Organismus ist jedoch (mit Ausnahme von Vitamin D und Vitamin K) nicht in der Lage, die Substanzen selbst herzustellen, sodass sie über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Bei einer ausgewogenen Ernährung kommt es in der Regel nicht zu Mangelzuständen, denn Vitamine sind in Obst, Gemüse, pflanzlichen Ölen, Nüssen, Fleisch, Fisch und Milchprodukten verfügbar. Bei speziellen Kundengruppen, etwa bei Sportlern, Schwangeren, Vegetariern oder Patienten mit besonderen Erkrankungen besteht ein erhöhter Bedarf bestimmter Vitamine.
Wasserlösliche Vitamine Der Körper ist nicht in der Lage, wasserlösliche Vitamine zu speichern, daher sollte der Bedarf über die Ernährung ständig gesichert werden. Zu den wasserlöslichen Vitaminen zählt unter anderem Vitamin C (Ascorbinsäure), das für seinen positiven Einfluss auf das Immunsystem, auf die Wundheilung und auf die Eisenverwertung sowie für seine antioxidative Wirkung bekannt ist. Die Vitamin C-Mangelerkrankung Skorbut trat in früheren Zeiten vor allem bei Seeleuten auf, die lange auf Reisen waren und daher kaum frisches Obst oder Gemüse aßen. Viel Vitamin C ist vor allem in Zitrusfrüchten, schwarzen Johannisbeeren und Gemüse enthalten.
Vitamin B1 (Thiamin) kommt in Sonnenblumenkernen, Pellkartoffeln, Schweinefleisch, Sojabohnen und Bierhefe vor. Es ist am Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt und spielt bei der Funktion der Nervenzellen eine Rolle. Vitamin B2 (Riboflavin) findet man in Milchprodukten, Brokkoli, Spargel, Spinat, Fisch, Eiern, Vollkornprodukten und Muskelfleisch. Es ist für den Energiestoffwechsel und für die Nerven von Bedeutung, Symptome eines Riboflavin-Mangels sind eingerissene Mundwinkel, entzündliche Hautveränderungen sowie möglicherweise die Ausbildung eines grauen Stars. Vitamin B3 (Niacin oder Nikotinsäure) befindet sich in Fleisch, Fisch, Innereien und wird für verschiedene Stoffwechselvorgänge benötigt.
Es existiert in zwei Formen: Nicotinamid und Nicotinsäure. Der Körper kann beide Varianten ineinander umwandeln und Niacin zusätzlich aus der Aminosäure Tryptophan herstellen. Vitamin B5 (Pantothensäure) ist in Nüssen, Vollkornprodukten, Eiern, Avocado, Bierhefe, Reis, Obst, Gemüse und Milch in besonders hoher Konzentration vorhanden. Das Vitamin ist für die Energiegewinnung, das Wachstum, das Nervensystem, die Wundheilung und die Haarpigmentierung unerlässlich. Außerdem verfügt Pantothensäure über universelle biologische Wirkungen, da es als Baustein für Coenzyme an zahlreichen Reaktionen im Stoffwechsel beteiligt ist. Vitamin B6 (Pyridoxin) ist unter anderem für den Eiweißstoffwechsel unentbehrlich. Besonders gute Quellen sind Kohl, Bananen, Fisch, Hühner- und Schweinefleisch. Vitamin B12 (Cobalamin) ist für die Blutbildung, die Zellteilung sowie für die Nervenfunktion wichtig.
Die meisten Menschen sind mit Cobalamin gut versorgt, eine Ausnahme bilden Vegetarier und vor allem Veganer. Das wasserlösliche Vitamin kommt vor allem in Leber, Muskelfleisch, Fisch und Eiern vor. Auch Folat/Folsäure gehört zu den B-Vitaminen und ist insbesondere für die Zellteilung und das Wachstum verantwortlich. Folat ist der Überbegriff für wasserlösliche B-Vitamine in Form von Folatverbindungen. Folsäure ist die synthetische Form des Vitamins. Schwangere müssen auf eine ausreichende Zufuhr achten, denn das Vitamin schützt Ungeborene vor Fehlbildungen (offener Rücken). Folat ist in Blattgemüse (Spinat oder Salat), Hülsenfrüchten, Leber, Kartoffeln, Sprossen, Eiern, Tomaten und Orangen enthalten. Ein weiteres wasserlösliches Vitamin ist Biotin (Vitamin H oder Vitamin B7), das für Haut, Haare und Nägel bedeutsam ist. Lieferanten sind Haferflocken, Sojabohnen, Nüsse sowie ungeschälter Reis.
A, D, E, K Der Organismus kann fettlösliche Vitamine über einen längeren Zeitraum im Fettgewebe speichern. Vorteilhaft ist sicher, dass bei entsprechenden Reserven ein Mangel seltener ist, allerdings wirken sich extrem hohe Dosen negativ aus, da sie nicht einfach ausgeschieden werden können. Dies birgt die Gefahr einer Überdosierung bis hin zur Vergiftung. Vitamin A (Retinol) übernimmt wichtige Funktionen für die Augen, die Haut und die Schleimhäute und entsteht im Körper aus seiner Vorstufe (Carotin). Es ist insbesondere in Innereien sowie in bestimmten Gemüsesorten vorhanden.
Vitamin D (Calciferol) spielt im Calciumstoffwechsel und bei der Knochenmineralisation eine wichtige Rolle. Das Vitamin ist eines der wenigen, welches vom Körper selbst (und zwar unter dem Einfluss von Sonnenlicht) synthetisiert werden kann. Das Antioxidans Vitamin E (Tocopherol) fängt freie Radikale ab. Einen besonders hohen Vitamin E-Gehalt weisen pflanzliche Öle und Paprika auf. Vitamin K (Phyllochinon) ist an der Blutgerinnung, am Knochenstoffwechsel sowie an der Eiweißsynthese beteiligt. Es wird zum einen von den Darmbakterien gebildet, zum anderen kommt es in grünen Gemüsesorten vor.
Mineralstoffe sind essenzielle, anorganische Substanzen und liegen in der Natur überwiegend in Form von Salzen vor. Sie sind für verschiedene Körperfunktionen erforderlich, etwa für den Aufbau von Knochen, Zähnen, Blutzellen oder Hormonen. Zusätzlich aktivieren sie Stoffwechselenzyme, fördern die Reizübertragung von Nervenzellen und sind für die Gewebespannung wichtig. Bedeutsame Mineralstoffe sind Magnesium (Aufgaben: Muskelkontraktion, Reizübertragung im Nervensystem, Enzymaktivierung des Energie- stoffwechsels), Calcium (wichtig für Knochen, Zähne, Blutgerinnung sowie für die Reizübertragung im Nervensystem), Natrium (Regulation des Wasserhaushaltes und des osmotischen Zelldrucks, Erregungsfähigkeit von Nerven und Muskulatur, Funktion im Säure-Base-Haushalt), Kalium (ist als Gegenspieler von Natrium an der Regulierung des Wasserhaushaltes und des osmotischen Zelldrucks beteiligt) und Phosphor (Baustein von Knochen und Zähnen, Funktionen im Säure-Base-Haushalt und Energiestoffwechsel).
Wie der Begriff Spurenelemente bereits aussagt, sind diese Substanzen nur in geringen Mengen (zwischen einem Milligramm und fünf Gramm) im Organismus vorhanden. Dennoch gelten einige Spurenelemente als essenziell: Dazu gehören Mangan, Kobalt, Kupfer, Nickel, Molybdän, Eisen, Jod, Selen, Fluorid sowie Chrom. Sie sind Bestandteile von Enzymen, Vitaminen oder vom Blutfarbstoff Hämoglobin.
Ultraspurenelemente wie Aluminium, Lithium, Brom, Antimon, Silizium, Strontium, Blei, Bor, Vanadium, Thallium, Wolfram oder Titanium liegen im Körper nur in äußerst geringer Konzentration vor. Ihre Bedeutung konnte bislang nur in Tierexperimenten nachgewiesen werden. Würden Ultraspurenelemente in größeren Mengen verabreicht, könnten sie im Organismus Schaden anrichten.
Sekundäre Pflanzenstoffe sind in Gemüse, Obst, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Nüssen oder Vollkornprodukten enthalten und bestimmen die Färbung von pflanzlichen Lebensmitteln. Sie schützen Pflanzen vor Fressfeinden oder mikrobiellen Angriffen, darüber hinaus fungieren sie als Wachstumsregulatoren. Auf den menschlichen Organismus wirken sich die Substanzen positiv aus, zum Beispiel schützen sie den Körper vor verschiedenen Krebsarten, beeinflussen das vaskuläre System positiv und entfalten entzündungshemmende und antibakterielle Wirkungen.
Aminosäuren, Eiweiße und Enzyme Auch Enzymkombinationen gelten als Nahrungsergänzungsmittel – sie werden häufig im Zusammenhang mit entzündlichen Prozessen und Erkrankungen eingesetzt. Nahrungsergänzungsmittel für Sportler verfügen oft über Aminosäuren wie Leucin, Isoleucin oder Valin, allerdings ist deren Einsatz fraglich. Wenn sich Kunden abwechslungsreich ernähren, nehmen sie ausreichend Eiweiß und somit alle wichtigen Aminosäuren auf. Sehr gute, natürliche Quellen sind Rindfleisch, Geflügel, Getreide, Milchprodukte, Hülsenfrüchte oder Eier.
Individuelle Versorgung Es gibt verschiedene Gruppen von Nahrungsergänzungsmitteln, die auf bestimmte Risikogruppen wie Sportler, Veganer, Vegetarier, Schwangere, Stillende, Senioren oder auf Personen mit Erkrankungen wie Arthrose abgestimmt sind.
Höher, schneller, weiter Eine Zielgruppe von Nahrungsergänzungsmitteln sind Sportler. Ausdauersportlern wird beispielsweise nachgesagt, dass sie einen erhöhten Nährstoffbedarf aufweisen, auch weil sie über den Schweiß Mineralien verlieren. Produkte für Sportler sollten bestenfalls einen leistungssteigernden Effekt aufweisen, durch Sport verursachte Zellschäden regenerieren, die Bildung von Muskelgewebe fördern oder die Energiereserven vergrößern.
Ob NEM für Sportler wirklich nötig sind, wird kontrovers diskutiert. Laut einer Studie der Deutschen Sporthochschule müssen selbst ambitionierte Sportler, die bis zu 15 Stunden pro Woche trainieren, bei einer ausgewogenen Ernährung keinen Mangel befürchten. Eine wichtige Anforderung an Präparate für Spitzensportler besteht darin, dass sie keine verbotenen Substanzen enthalten dürfen. Die Kölner Liste gibt Auskunft über NEM, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden. Die Service-Plattform vom Olympiastützpunkt Rheinland schützt Athleten somit vor unberechtigten Dopingvorwürfen.
Bei einem Mangel an Vitamin B12 sind so ziemlich alle Zellen des Organismus beeinträchtigt. Besonders betroffen sind die roten Blutkörperchen, die Erythrozyten. Da Vitamin B12 fast ausschließlich in tierischer Nahrung vorkommt, trifft der Mangel am häufigsten Veganer.
Substitution für Vegetarier und Veganer Einige Menschen entscheiden sich für eine vegetarische oder vegane Ernährung. Da bei ihnen meist viel Obst und Gemüse auf dem Speiseplan steht, sind sie mit Nährstoffen wie Vitamin C, Vitamin E, Folsäure, Kalium oder Magnesium gut versorgt. Dennoch birgt der Verzicht auf tierische Lebensmittel die Gefahr einer unzureichenden Zufuhr von Substanzen wie Zink, Vitamin B12, Calcium, Jod oder Omega-3-Fettsäuren. Hier kann eine Einnahme von Kombinationspräparaten, welche die kritischen Nährstoffe enthalten, sinnvoll sein. Außerdem fällt es Betroffenen häufig schwer, ihren Eisenbedarf zu decken, weil tierische Eisenquellen vom Körper besser verwertet werden.
Eine Substitution von Eisen kann bei dieser Kundengruppe daher sinnvoll sein, allerdings nur beim Auftreten von typischen Mangelsymptomen wie anhaltender Müdigkeit, Infektanfälligkeit oder Leistungsschwäche. Eine wichtige Risikogruppe einer Mangelernährung sind Senioren: Häufig liegt eine Unterversorgung mit den Substanzen Vitamin B6, Folsäure, Calcium, Vitamin C, Vitamin D sowie Vitamin B12 vor. Wenngleich die Ernährung den Bedarf bei den meisten älteren Menschen abdeckt, kann eine Supplementierung in bestimmten Fällen dennoch angebracht sein (zum Beispiel Vitamin D im Winter bei Personen, die selten ins Freie gehen).
Das Apothekensortiment bietet auch spezielle Produkte für Menschen mit bestimmten Erkrankungen wie Arthrose, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Osteoporose. Einen gesteigerten Bedarf an Mikronährstoffen haben auch adipöse Menschen (es mangelt oft an Vitamin D, B12, Magnesium, Kupfer, Zink, Eisen oder Folsäure) oder Personen mit COPD (hier fehlen insbesondere die oben aufgeführten wasserlöslichen Vitamine). Wichtige Hinweise zur optimalen Versorgung in der Schwangerschaft sowie in der Stillzeit finden Sie in dem Artikel „Gut versorgt mit Mikronährstoffen“ ab Seite 130.
Orthomolekulare Nahrungsergänzung Das Konzept der orthomolekularen Medizin setzt auf die gezielte Einnahme von Mikronährstoffen, insbesondere wenn durch spezielle Lebensbedingungen (zum Beispiel während einer Schwangerschaft) oder durch akute und chronische Erkrankungen ein erhöhter Bedarf vorliegt. Das Ziel der Anwendung besteht darin, Krankheiten zu verhüten sowie Beschwerden zu lindern. Nährstoffe sollten unter diesen besonderen Umständen nicht nach dem Motto „Viel hilft viel“ verabreicht werden, sondern auf die ernährungsmedizinischen Erkenntnisse abgestimmt sein. Zu den Nährstoffen zählen Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe, essenzielle Fett-und Aminosäuren sowie Pro- und Präbiotika.
Der Begriff „orthomolekular“ wurde von dem zweifachen Nobelpreisträger Dr. Linus Pauling geprägt. Er postulierte, dass Dysbalancen und Defizite bestimmter Moleküle im Gehirn zu psychischen Erkrankungen führen können. Eine weitere Idee bestand darin, dass praktisch jede Krankheit auf eine Unterversorgung des Körpers mit Vitalstoffen zurückzuführen sei. Das Konzept der orthomolekularen Medizin wird allerdings bis heute kontrovers diskutiert: Wenngleich der Begriff „Orthomolekulare Medizin“ wissenschaftlich klingt, handelt es sich um eine alternativmedizinische Methode, für die es an wissenschaftlichen Belegen mangelt. In der Kritik stehen auch die hohen Kosten entsprechender Präparate.
Sinnvolle Unterstützung oder teurer Unsinn? Nahrungsergänzungsmittel sollen den Organismus positiv beeinflussen, allerdings kann eine zu hohe Zufuhr einiger Substanzen auch Nachteile mit sich bringen: Eine Calciumsubstitution von mehr als 1500 Milligramm pro Tag steigert beispielsweise das kardiovaskuläre Risiko, während die Einnahme von Selen das Mortalitätsrisiko und die Gabe von Folsäure die Zahl an Prostatakarzinomen fördern soll. Die jahrelange Substitution hoch dosierter Vitamin B6- oder Vitamin B12-Einzelpräparate führte laut einer US-Kohortenstudie bei älteren Männern zu einem stark erhöhten Lungenkrebsrisiko, insbesondere bei Rauchern.
Durch die damalige CARET-Studie (1996) haben Betacarotin und Vitamin A ihre Unschuld verloren und wurden mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Bronchialkarzinoms in Verbindung gebracht. Die Studie „SELECT“, in welcher man den Einfluss von Vitamin E oder Selen auf das Risiko eines Prostatakarzinoms betrachtete, verlief nicht zu Gunsten der Substanzen. Ein absolutes No-Go sind Antioxidanzien während einer Radio- oder Chemotherapie: Die S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“ weist darauf hin, dass entsprechende Präparate die Zytostatika-Resistenz von Tumorzellen fördern und die Effektivität von Zytostatika reduzieren.
Professor Dr. Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Lübeck sieht auch die Anwendung von Botanicals (pflanzliche Stoffe und Zubereitungen aus Algen, Pflanzen, Flechten oder Pilzen) kritisch, da seit 2010 werbliche Gesundheitsaussagen von Botanicals nicht mehr überprüft werden. Eine Studie des US-Kardiologen Dr. Joonseok Kim deutete darauf hin, dass NEM keinen Nutzen für die Bevölkerung haben. Vitaminpräparate senken nicht das Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken. Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) sowie die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft (DSG) empfehlen statt NEM Maßnahmen wie Sport und eine gesunde Ernährung.
Fazit In der Apotheke gehören Nahrungsergänzungsmittel zum täglichen Geschäft. PTA und Apotheker sollten Kunden kompetent beraten und sie über die Vor- und Nachteile der Substitution von Mikronährstoffen aufklären – schließlich kann ein Überschuss ebenso schaden wie ein Mangel. Grundsätzlich sind Supplemente bei einer ausgewogenen Ernährung nicht notwendig, bei einigen Krankheiten oder in besonderen Lebenssituationen können sie jedoch unter Umständen sinnvoll sein.
Als Standardempfehlung gilt, vor einer Substitution ein Blutbild erstellen zu lassen, um im Anschluss entsprechende Defizite an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auszugleichen. Dr. Markus Ziegelmeier, Klinikapotheker in München, sieht das Thema differenzierter: Er hält es nicht für notwendig, die Blutspiegel von Vitamin A und E zu ermitteln, hingegen mangele es vielen Menschen, insbesondere Älteren, an Vitamin D. Eisen (in Form von Transferrin) sollte unbedingt vor einer Substitution bestimmt werden, ebenso rät Ziegelmeier zur Messung der Vitamine B1, B2 sowie B12.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 14.
Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin