Perücken © Maksim Shebeko / stock.adobe.com
Raten Sie Ihrer Kundin zur Perückenauswahl eine vertraute Person mitzunehmen, die ehrlich und kritisch ist. © Maksim Shebeko / stock.adobe.com

Haare

HAARIGES WÄHREND EINER CHEMOTHERAPIE

Helfen und beraten Sie Ihre Kundinnen, die gerade eine Krebstherapie durchstehen müssen, rund ums Thema Haarverlust. Zeigen Sie Alternativen und worauf es bei der Kopfhautpflege jetzt ankommt.

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Gehört zum Therapieplan bei Brust- oder Gebärmutterkrebs auch eine Chemotherapie mit Zytostatika, kommt auf die meisten Frauen wohl oder übel auch das Thema Haarverlust zu. Ob die geliebten Haare komplett, teilweise oder gar nicht ausfallen ist abhängig von Art und Dosis der Chemotherapie sowie individueller Veranlagung.

Kühlhauben gegen Haarausfall? Um mögliche Empfindungs störungen an Händen und Füßen als Folge der Chemotherapie zu reduzieren, gibt es Kältehandschuhe, die in dieser Zeit getragen werden können. Mittlerweile gibt es das auch für den Kopf. Kühlhauben können bewirken, dass eine geringere Menge des Arzneistoffes die Haarfollikel auf der Kopfhaut erreicht.

So kann Haarausfall reduziert oder sogar verhindert werden. Allerdings empfinden viele Frauen das Tragen dieser Kühlprodukte als sehr unangenehm. Auch die Erfolge sind meistens nicht so gut, wie vorher gedacht, dennoch kann es eine Option sein. Raten Sie Ihren Kundinnen, dies im Beratungsgespräch zur Chemotherapie, auch im Hinblick auf die Kostenübernahme, mit dem Arzt vorab zu besprechen.

Ab der zweiten Sitzung geht’s los Wird die erste und oft auch die darauf folgende Einheit noch ohne nennenswerten Haarausfall erlebt, geht es bei den meisten Betroffenen jedoch ab der zweiten Chemo mit dem Verlust sämtlicher Haare los. Meistens sind es jetzt lediglich einige, die morgens auf dem Kopfkissen liegen oder nach dem Waschen im Handtuch verbleiben.

Irgendwann gehen sie büschelweise verloren oder lassen sich als solche schon mit sanftem Druck ausziehen. Haarverlust ist für die meisten Frauen zunächst eine der drastischsten Folgen der Therapie. Kein Wunder: Haare spielen bei Frauen eine ganz besondere Rolle, unterstreichen die eigene Weiblichkeit, umrahmen das Gesicht und schützen die darunter liegende Kopfhaut.

Auf zur Kurzhaarfrisur Viele Frauen leiden darunter, wenn sie tagein, tagaus Haare auf ihrem Kissen finden und erleben, wie ihre über Jahre gehegte Pracht verloren geht. Sobald der Haarausfall beginnt, entscheiden sich manche zum radikalen Kahlschlag und lassen sich die restlichen Haare abrasieren. Doch zu solch extremen Maßnahmen gehört Mut und Kraft. Eine sanftere Variante ist, sich beim Friseur des Vertrauens eine Kurzhaarfrisur schneiden zu lassen.

So kann sich Frau Stück für Stück an die neue Situation auf dem Haupt gewöhnen und kommt meist auch mental besser mit dem nahenden Kahlkopf zurecht. Keine oder kaum noch Haare auf dem Kopf zu haben, ist nicht nur eine Sache der Optik. Besonders nachts ist es vielen Frauen kalt auf ihrem Haupt. Hierzu gibt es in Perückenstudios und im Internet eine Fülle von weichen, dünnen Mützen (Chemo Night Cap), die nachts vor Kälte schützen.

Am besten können Krebspatientinnen den Haarausfall bei einer Chemotherapie verkraften, wenn sie vorab gut informiert werden und sich vorbereiten können.

Nach der Diagnose hilft der Friseur Empfehlen Sie Ihren Kundinnen, sich schon mit dem Thema Perücke zu beschäftigen, bevor es mit der Chemotherapie losgeht. Als Service können Sie Adressen und Telefonnummern von ansässigen Friseuren und Perückenstudios weitergeben. Oft kommen entsprechende Fach-Friseure ins Krankenhaus und beraten Patientinnen, bevor die Chemotherapie losgeht. Perücken für diese Zeit werden von den Krankenkassen bezuschusst. Dazu braucht Ihre Kundin ein Rezept vom Arzt.

Mit diesem Rezept geht es zum Friseur, der gemeinsam mit der Patientin ein passendes Modell auswählt. Der entsprechende Kostenvoranschlag wird daraufhin zur Krankenkasse geschickt. Manche Kassen übernehmen einen höheren Kostenanteil, wenn sinngemäß auf dem Voranschlag „Sehr flacher Hinterkopf, deshalb ist eine besondere Perücke nötig“, steht. Gibt die Kasse ihre Einwilligung, kann der Friseur mit dem Schnitt der Perücke beginnen. Oft ist allerdings jetzt noch ein Restbetrag von der Kundin zu zahlen.

Heute kurz – morgen lang Raten Sie Ihrer Kundin zur Perückenauswahl eine vertraute Person mitzunehmen, die ehrlich und kritisch ist. Das hilft, das passende Modell zu finden. Viele Frauen wollen zunächst eine Perücke, die so wie ihre bisherige Frisur sein soll. Das gibt ihnen Schutz, da sie nicht unbedingt ständig auf das Thema Haare und Frisur angesprochen werden möchten. Zudem kommt hinzu, dass eine radikale Veränderung auf dem Kopf oft auch mit innerlichen Veränderungen einhergeht.

Man kennt das vom Liebeskummer oder bei Veränderungen der Lebensumstände. Mit dem kleinen aber entscheidenden Unterschied: Der neue Schnitt ist bewusst gewollt, im Gegensatz zur Veränderung durch die Chemotherapie. Doch in solch verrückten Lebenssituationen bieten sich neue, andere Wege, die letztlich sogar bereichern können. Warum muss es die Frisur wie eh und je sein?

Es lohnt sich etwas Neues auszuprobieren. Viele Frauen sehen mit einer unfreiwilligen Kurzhaarfrisur umwerfend aus und sie wirken auf einmal moderner und jugendlicher. Kurzhaarperücken helfen außerdem auf lange Sicht, sich beim Anblick im Spiegel nicht fremd zu fühlen. Denn kurze Haare hat man zunächst auch nach der Chemotherapie, wenn die eigenen Haare wieder wachsen.

Die entscheidende Wahl Bei der Auswahl der individuell passenden Perücke gibt es ein paar Tipps: Modelle mit Pony und bedeckten Schläfen wirken natürlicher, da sie den Haaransatz kaschieren. So ist nicht direkt für jeden erkennbar, dass es sich nicht um echtes Haar handelt. Modelle mit Kurzhaar oder Bob haben den Vorteil dass sie recht leicht sind, was längeres Tragen angenehmer macht. Besonders in der kalten Jahreszeit eignen sie sich besser, denn durch Kragen, dicke Schals und Mützen verrutschen sie nicht so schnell wie längeres Haar.

Empfehlenswert sind Exemplare mit hautfarbenem Einsatz auf dem Oberkopf, das wirkt besonders natürlich. Bleibt noch die Frage: Kunst- oder Echthaar? Zunächst ist es eine Frage des Preises, denn Echthaarperücken sind in der Regel deutlich teurer. Doch auch beim Kunsthaar hat sich einiges getan, sodass es nicht unbedingt direkt als solches zu erkennen ist. Wichtig bei der Auswahl von Kunsthaarperücken ist, dass sie nicht zu stark glänzen sowie einen natürlichen Fall haben.

Die Haare wachsen wieder nach, wenn die Zytostatika abgebaut sind. Meist kommen die Patientinnen drei Monate nach der letzten Therapie schon wieder ohne Perücke aus.

Begleiterin auf Zeit Passt die Perücke zum Typ, sieht sie natürlich aus und sitzt vor allen Dingen angenehm, wird sie in den nächsten fünf bis sieben Monaten ein guter Begleiter sein. Selbst bei Sturm, Sport oder unter der Mütze bleibt sie an Ort und Stelle. Wer skeptisch ist, kann für einen festeren Halt spezielle, beidseitige Klebebänder aus dem Perückenstudio verwenden. Viele Frauen schwitzen unter der haarigen Bedeckung.

Ein dünnes, weiches Tuch oder eine Kopfhautkappe, wie sie auch im Theater zum Abdecken von Haaren eingesetzt wird, schaffen Abhilfe. Perückenstudios haben solche Dinge im Sortiment. Sie können direkt beim Perückenerwerb mit angepasst werden. Damit die neue Kopfbedeckung auch auf Dauer gepflegt erscheint, empfehlen Sie diese einmal monatlich zu reinigen. Auf Nummer sicher geht Ihre Kundin, wenn dies der Friseur erledigt.

Oft sind sogar eine oder zwei Reinigungen beim Erwerb der Perücke mit inbegriffen. Die Reinigung geht meist von einem auf den anderen Tag, damit sie schnell wieder einsatzbereit ist. Wer selbst waschen möchte, macht dies am besten mit einem speziellen Perückenshampoo. Optimal ist es, sie in maximal lauwarmem Wasser sanft zu baden und danach nicht zu wringen, sondern trocken zu tupfen und auf einem Perückenständer trocken zu lassen.

Zum Kämmen gibt es spezielle Perückenbürsten, zum Fixieren spezielle Haarsprays. Herkömmliche Stylingprodukte sind ungeeignet. Um Make-up-Ränder an Perückenansätzen zu entfernen, etwas Reinigungsbenzin auf ein Tuch geben und vorsichtig damit abtupfen, anschließend gut auslüften lassen.

Was Kopfhautpflege und Make up tun können Nicht nur die Perücke braucht Pflege, auch die Kopfhaut. Sind die Haare der Chemotherapie zum Opfer gefallen, klagen viele Frauen über nadelstichartige Schmerzen auf dem Haupt. Hier können leichte Kopfhautmassagen helfen. Sie tragen auch zur Entspannung bei. Angenehm ist es, mit einer Babybürste (die auch während der Bestrahlung gute Dienste leisten kann) über die Kopfhaut zu streichen.

Das entfernt zusätzlich lose Hautschüppchen. Ähnlich wie die Gesichtshaut reagiert auch die Kopfhaut jetzt eher empfindlich. Empfehlen Sie zur täglichen Pflege ein Öl, beispielsweise Sesam- oder Mandelöl. Davon täglich ein paar Tropfen sanft in die Kopfhaut massieren. Am besten vor dem Schlafen, so hat das Öl die Möglichkeit vollständig einzuziehen und zu wirken. Neben Haaren auf dem Kopf gehen bei den meisten Frauen auch sämtliche Körperhaare aus, also auch Wimpern, Augenbrauen, und im Intimbereich. Empfehlen Sie Ihren Kundinnen die Teilnahme an einem speziellen Schminkseminar. Diese werden meistens in Brustkrebszentren angeboten.

Informationen dazu bietet auch DKMS Life. Die gemeinnützige Gesellschaft bietet spezielle Kurse dazu an. Hier dreht sich alles rund ums Thema Schminken, Haut- und Körperpflege. Ferner gibt es praktische Tipps, zum Beispiel, wie sich Tücher effektvoll binden lassen, Infos zu Perücken und Zubehör wie Mützen mit Haar, Haarnetze und anderes. Betroffene Frauen werden hier von ehrenamtlich tätigen Kosmetikerinnen beraten, können sich untereinander austauschen und Mut machen. Motivieren Sie Ihre Kundinnen an einem Seminar teilzunehmen, denn es tut auch der Seele sehr gut.

Chemo vorbei – Haare herbei Sobald die Chemotherapie beendet ist, beginnen die Haare schon wieder mit ihrem Wachstum. Rund drei bis vier Monate nach der letzten Sitzung sind die Kopfhaare häufig schon wieder so lang, dass die Perücke ausgedient hat. Die ersten Haare sind ein weicher Flaum. Häufig sind sie hell- bis dunkelgrau und wellig. Allerdings sollte mit dem Färben noch zwei bis drei Monate gewartet werden. Bevor Ihre Kundin sich zur Coloration entschließt, empfehlen Sie die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.

Mittel gegen Haarausfall können dazu beitragen, den Haarwuchs anzuregen. Die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ist dabei sinnvoll. Auch wenn sich die meisten Frauen ohne Haare fremd vorkommen, empfehlen Sie Ihren Kundinnen, ein paar Porträtfotos aus dieser Zeit aufnehmen zu lassen. Viele sind im Anschluss an ihre Krebstherapie sehr froh diese zu haben und zu wissen, dass die Krankheit besiegt ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 114.

Kirsten Metternich von Wolff, Freie Journalistin

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