Hunde vegetarisch ernähren
GRÜNZEUG IM NAPF?
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Mit der Zahl der Vegetarier und Veganer steigt auch der Anteil jener Hundehalter, die ihr Tier ebenso fleischlos ernähren möchten. Nachvollziehbar, schließlich haben sie sich dazu entschlossen, auf Fleisch und als Veganer gänzlich auf tierische Produkte zu verzichten. Umso schwerer fällt es dann, an den eigenen Hund Fleisch zu verfüttern. Doch ist es aus tiermedizinischer Sicht okay, diese Einstellung auch auf die Vierbeiner zu übertragen? Schadet ihnen das möglicherweise – und überhaupt: Ist das eigentlich artgerecht?
Fragen wir Mutter Natur Die Natur weist den Weg – das hilft auch hier weiter. Indem wir uns nämlich die anatomische und physiologische Ausstattung unserer Hunde vor Augen führen. Sie gehören zu den Carni-Omnivoren. Das heißt, sie können neben Fleisch auch pflanzliche Kost verspeisen. Doch trotz Omnivor, also Allesfresser: Hunde sind von Natur aus auf Fleischverzehr ausgelegt. Das zeigt bereits der Blick in ihr Maul. Hier finden sich dolchartige Fangzähne und messerscharfe Reiß- und Schneidezähne. Sie ermöglichen es, Haut, zähe Sehnen und Muskeln sowie auch harte Knochen zu zerkleinern. Auch der Verdauungstrakt ist eindeutig vorrangig auf fleischliche Nahrung ausgelegt. Zu berücksichtigen ist natürlich, dass der heutige Hund im Gegensatz zum Wolf über Enzyme verfügt, die Stärke abbauen können. Damit sind pflanzliche Futtermittel für ihn verdaulich. Allerdings nur in Maßen.
Hohes Risiko für Mangelernährung Untersuchungen und Erfahrungen der letzten Jahre haben zwar gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, einen Hund fleischlos zu ernähren. Doch die vegetarische Fütterung birgt einige Risiken für die Gesundheit. Inzwischen ist nachgewiesen, dass besonders die Gefahr einer Mangelernährung immens ist. Eines der größten Probleme ist die ausreichende Versorgung mit essenziellen Aminosäuren. Denn auch wenn pflanzliche Kost für Hunde verwertbar ist: Die meisten pflanzlichen Proteinquellen haben nicht das richtige Profil an Aminosäuren, die für sie wichtig sind.
Das zeigte bereits vor zwei Jahrzehnten eine Untersuchung von Tiermedizinern der Universität München. Mehr als die Hälfte der vegetarisch ernährten Hunde war nicht ausreichend mit Proteinen versorgt. Zudem nahmen sie zu wenige schwefelhaltige Aminosäuren auf. Bei 62 Prozent der Hunde war der Bedarf an Calcium nicht gedeckt, die Hälfte von ihnen hatte Phosphormängel. Zudem waren fast drei Viertel aller Hunde unzureichend mit Natrium versorgt. Bei den Spurenelementen fehlte es in vielen Fällen an Eisen, Kupfer, Zink und Jod. Vitamin B12 erwies sich ebenso als Mangelware – klar, denn dieses gerade für Hunde so wichtige Vitamin kommt einzig in tierischen Produkten, nämlich vor allem Fleisch, vor.
Absolut tabu
Bei Welpen, Junghunden sowie trächtigen und säugenden Hündinnen sind vegetarische und vegane Ernährung absolut tabu. Denn bei ihnen ist der Bedarf an Eiweiß, essenziellen Aminosäuren, Vitaminen sowie Mineralien und Spurenelementen stark erhöht. Er kann durch eine vegetarische oder vegane Fütterung kaum oder gar nicht mehr abgedeckt werden. So drohen bei Welpen und Junghunden durch eine derartige Ernährung unter anderem Probleme beim Knochenaufbau – Entwicklungsstörungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Nur mit Nahrungsergänzungsmitteln und TierarztUm die ausreichende Versorgung mit allen essenziellen Aminosäuren und Mikronährstoffen zu gewährleisten, brauchen vegetarisch ernährte Hunde also in der Regel Nahrungsergänzungsmittel. Vegan ernährte Hunde benötigen diese Zusätze ausnahmslos. Zudem müssen die „grünen“ Fellnasen regelmäßig vom Tierarzt untersucht werden, um mögliche Mangelerscheinungen rechtzeitig zu er- kennen und zu beheben. Das beinhaltet neben stetigen Blut- und Urinuntersuchungen die Beobachtung von Stuhlvolumen und -konsistenz, Gewicht und Verhalten. Eine vegane Fütterung lässt sich ausschließlich unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle praktizieren. Ziemlich viel Aufwand also, der für Hundehalter nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell doch recht belastend ist. Dem Hauptbetroffenen – nämlich dem Hund – stellt sich angesichts der andauernden Untersuchungen ohnehin das Fell auf: Schon wieder zu Tante oder Onkel Tierarzt? Das Grauen schlechthin …
Wie der Tierschutz das so sieht Der Deutsche Tierschutzbund e.V., die größte europäische Tier- und Naturschutzorganisation, rät wie viele andere Institutionen in diesem Zusammenhang von vegetarischer und vor allem von veganer Fütterung ab. Alle Organisationen empfehlen eine ausgewogene Hundeernährung mit Fleisch und Gemüse. Das sehen auch die meisten Tierärzte so. Sie halten die fleischlose Ernährung eines Hundes „sicher nicht für die angemessene Ernährungsform“. So hat es Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum vom Institut für Tierwissenschaften an der Universität Bonn vor kurzem formuliert.
Jetzt zur rechtlichen Seite und den Paragraphen: Paragraph 8 der Deutschen Tierschutz-Verordnung legt fest, dass ein Hund artgerecht ernährt werden muss. Dies ist bei der vegetarischen und veganen Fütterung von heranwachsenden Hunden sowie trächtigen und säugenden Hündinnen nicht mehr gegeben. Vor diesem Hintergrund ist diese Ernährungsform bei den genannten Hundegruppen „komplett abzulehnen“. Und da ist noch etwas: Es gibt Hunde, welche die Aufnahme rein pflanzlicher Kost strikt verweigern. Sie durch mehrtägiges Hungern zur Aufnahme davon zu zwingen, ist aus Gründen des Tierschutzes ebenso abzulehnen.
Fragen an die Hundehalter: warum eigentlich?Gesunde und ausgewachsene Hunde können vegetarisch ernährt werden. Allerdings nur, wenn sie regelmäßig tierärztlich untersucht und ausreichend mit Nahrungsergänzungsmitteln versorgt werden. Letztlich bleiben allerdings wichtige Fragen, die sich jeder Hundehalter stellen sollte. So ist das Ganze unbedingt auch einmal aus Sicht des Hundes zu betrachten. Will dieser denn überhaupt fleischlos ernährt werden? Anders ausgedrückt: Hätte der Hund die Wahl zwischen pflanzlicher oder gemischter Kost mit Fleisch, welche würde er wohl vorziehen?
Sicher nicht Grünzeug alleine … Und als nächstes: Warum möchte ich meinen Hund denn eigentlich fleischlos ernähren? Wegen meiner moralisch-ethischer Bedenken? Doch diese auf Lebewesen zu übertragen, die sich nicht wehren können, ist moralisch-ethisch verwerflich. Denn sich einen Fleisch-Allesfresser ins Haus zu holen und ihn dann fleischlos zu ernähren, ist ziemlich fragwürdig. Wer Probleme damit hat, Fleisch an sein Tier zu verfüttern, sollte dies bei der Anschaffung eines Haustieres dringend berücksichtigen. Ein Kaninchen oder Hamster ist dann sicherlich die bessere Wahl – zum Wohl von Tier und Mensch.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 09/2020 ab Seite 24.
Birgit Frohn, Diplom-Biologin und Medizinjournalistin