© luchschen / 123rf.com

Psychische Störungen

GRENZGÄNGER

Verletzungen mit der Rasierklinge oder selbstzugefügte Verbrennungen – für Borderliner nichts Ungewöhnliches. Während sie unter einem hohen Leidensdruck stehen, ist die Erkrankung für Außenstehende schwer nachzuempfinden.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Der Name Borderline leitet sich aus dem Englischen ab und bedeutet Grenzlinie. In früheren Zeiten wurde die Krankheit als Schwelle zwischen Neurose und Psychose angesehen. Heute gilt sie als eine emotional labile Persönlichkeitsstörung. Der Begriff ist mittlerweile gängig. Aufgrund der starken Zunahme entsprechender Diagnosen, vermuten Skeptiker mitunter eine Modediagnose. Unter Laien existieren zahlreiche klischeehafte Vorstellungen.

Die Borderline-Störung ist sowohl im DSM-IV, dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, als auch im ICD definiert. Ersteres beschreibt die Borderline-Persönlichkeitsstörung als ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie deutliche Impulsivität.

Die Bereiche der Gefühle, des Denkens und des Handelns sind beeinträchtigt, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im gestörten Verhältnis zu sich selbst äußert. Im ICD-10 ist die Erkrankung unter F60.31 gelistet und gilt als Unterform von emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen.

Symptome Es gibt keinen einheitlichen Krankheitsverlauf. Die emotionale Balance der Patienten ist unbeständig. Betroffenen fällt es schwer, ihre Gefühle zu erkennen und einzuordnen. Des Weiteren sind Stimmungsschwankungen, selbstverletzendes Verhalten oder Impulsivität charakteristische Anzeichen. Innerhalb kurzer Zeit verspüren Leidende Gefühle der Angst und Wut oder sie geraten in Panik. Aggressionen sorgen für eine Entladung der inneren Anspannung. Auf Außenstehende wirken Borderliner daher oft unberechenbar.

Multiple Ursachen
Experten gehen davon aus, dass mehrere Risikofaktoren zur Entwicklung der Störung beitragen. Dazu gehören erbliche Veranlagungen und Umwelteinflüsse. Die BPS ist auch als posttraumatische Belastungsstörung in der Diskussion. Eventuell sollen hirnorganische Veränderungen bei der Entstehung der Erkrankung eine Rolle spielen.

Auch das eigene Selbstbild, Ziele und Präferenzen sind unklar und gestört. Viele empfinden ein Gefühl innerer Leere. Die Symptome treten häufig schon während der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter auf. Die Unterscheidung zwischen der Erkrankung und einer aufbrausenden, extremen Persönlichkeit ist nicht leicht. Borderliner haben einen hohen Leidensdruck. Menschen mit einem leicht erregbaren Charakter hingegen finden an ihrem Verhalten meist Gefallen.

Symptome im Überblick:

  • instabile, aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen
  • Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z. B. Verschwendung von Geld, Essstörungen oder Kleptomanie)
  • übermäßige, starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut zu kontrollieren
  • chronisches Gefühl der Leere oder Langeweile
  • Selbstmorddrohungen oder -versuche
  • Selbstverletzungen
  • Instabilität im Gefühlsbereich (wie Stimmungsschwankungen, übertriebene emotionale Reaktionen, starke Reizbarkeit, depressive Phasen)
  • Bemühen, tatsächliches oder vorgestelltes Alleinsein zu verhindern
  • Identitätsstörung
  • vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

Häufig treten parallel zur Borderline-Symptomatik folgende Anzeichen auf:

  • Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivität (ADHS)
  • weitere Persönlichkeitsstörungen
  • affektive Störungen
  • posttraumatische Belastungsstörungen
  • kurzfristige psychotische Episoden
  • defizitäre, zwischenmenschlichen Fähigkeiten.

Radikale Methoden Unerträgliche Spannungszustände werden oft mit extremen Maßnahmen abgebaut: Patienten ritzen sich die Haut auf, drücken Zigaretten auf ihrem Körper aus oder fügen sich Verbrennungen mit dem Bügeleisen zu. Durch diese Handlungen versuchen sie, sich selbst wieder wahrzunehmen und Emotionen zu kontrollieren.

Unfähigkeit zu sozialen Kontakten Zwischenmenschliche Beziehungen gestalten sich oft konfliktreich. Betroffenen fällt es schwer, gesunde Bindungen zu anderen Personen aufzubauen. Sie neigen zu intensiven, aber sprunghaften Partnerschaften. Häufig kommt es zu Trennungen. Erkrankte neigen zu emotionalen Krisen mit Maßnahmen wie Suiziddrohungen, übermäßigen Anstrengungen, nicht verlassen zu werden oder selbstschädigenden Handlungen.

Im Verdachtsfall: Experten aufsuchen Eine Diagnose erfordert eine entsprechende Ausbildung, zu der auch klinische Erfahrung gehört. Richtige Ansprechpartner sind daher nur Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychotherapeuten.

ZUSATZINFORMATIONEN

Medikamentöse Hilfe
Die Behandlung umfasst verschiedene psycho- und soziotherapeutische Verfahren. Das Ziel ist in erster Linie eine verbesserte Selbstregulation. Auch sollen Patienten mit den alltäglichen Belastungen des Lebens besser fertig werden. Bei der medikamentösen Therapie richtet sich die Wahl des entsprechenden Wirkstoffs nach der spezifischen Symptomatik der Personen. Häufig kommen Antidepressiva zum Einsatz.

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zeigen positive Effekte auf aggressives Verhalten, Tendenzen zur Selbstverletzung, depressive Verstimmungen und Ängste. Atypische Neuroleptika werden unter Umständen bei suizidalen Neigungen, impulsivem Verhalten oder psychotischen Symptomen verordnet. Geeignet sind zum Beispiel Olanzapin, Clozapin, Quetiapin oder Risperidon. Benzodiazepine werden aufgrund des hohen Potenzials für physische und psychische Abhängigkeit sehr selten verordnet.

Die Therapie der BPS erfolgt stufenweise. Zunächst verschreibt der Mediziner ein SSRI. Ist die Wirkung unzureichend, wird ein weiteres verabreicht. Erst auf der dritten Stufe kommen Neuroleptika in Betracht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 ab Seite 101.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

×