GESUNDER BISS
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Mundhöhle und Rachen sind von einer Schleimhaut ausgekleidet, die dicht mit Bakterien besiedelt ist: etwa einer Million pro Quadratzentimeter. Die meisten davon sind nützlich, einige können jedoch Krankheiten auslösen und zwar häufig dann, wenn die Schleimhautflora im Mund-Rachen-Raum aus der Balance gerät. Das kann durch Infekte passieren, aber auch durch mangelnde Hygiene. Dann haben die krank machenden Erreger leichtes Spiel, sich zu vermehren.
Gefahr durch Bakterien Eine Parodontitis, früher umgangssprachlich „Parodontose“ genannt, ist eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparates. Bakterielle Plaque auf den Zähnen führt dazu, dass Zahnfleischtaschen entstehen, die sich immer mehr vertiefen. Der Zahnfleischsaum sitzt nun nicht mehr dicht am Zahn an, wodurch immer mehr Speisereste und Bakterien in die Taschen eindringen können. Dort finden die Erreger optimale Bedingungen, um sich zu vermehren. Der Körper versucht die Bakterien zu bekämpfen, indem er eine Entzündung auslöst. Dann blutet das Zahnfleisch leicht, es schmerzt und ist druckempfindlich.
In fortgeschrittenem Stadium haben die meisten Patienten auch einen unangenehmen, fauligen Mundgeruch. Gleichzeitig baut die Entzündung aber auch Gewebe und Knochenmasse ab, bis sich die Zähne irgendwann lockern und ausfallen. Die Parodontitis darf nicht mit der Gingivitis verwechselt werden, bei der es sich lediglich um eine Zahnfleischentzündung handelt, ohne dass die Knochensubstanz angegriffen wird.
Allerdings kann eine chronische Gingivitis in eine Parodontitis übergehen oder diese begünstigen. Letztere kann für den Organismus weitreichende Folgen haben, denn die Bakterien gelangen über die Blutbahn in die Organe und können dort Krankheiten verursachen. Sehr häufig ist dabei die Endokarditis, eine Entzündung der Herzinnenhaut. Patienten mit einer Parodontitis haben ein 1,7-fach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wissenschaftlich erwiesen ist aber auch ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus, Frühgeburten und Rheuma.
Spezielle Lebenssituation
Schwangere müssen ganz besonders auf die Mundhygiene achten, denn durch die Hormone verändert sich die Mundschleimhaut. Sie wird durchlässiger, auch für Krankheitserreger. Hinzu kommt, dass viele werdende Mütter sich in den ersten Monaten häufig übergeben müssen. Dadurch verändert sich der pH-Wert im Mund, die Balance wird gestört und die Säuren greifen den Zahnschmelz zusätzlich an. Da chronische Entzündungen im Mundraum nachgewiesenermaßen das Risiko für eine Fehlgeburt drastisch erhöhen, sollten Schwangere alle drei Monate zur zahnärztlichen Kontrolle gehen und sich darüber hinaus zahngesund ernähren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt in der Schwangerschaft eine besonders vitaminreiche Kost und die tägliche Zufuhr von einem Milligramm Natriumfluorid, um Zähne und Zahnfleisch zu stärken.
Rauchen gilt als anerkannter Risikofaktor für Parodontitis, eine genetische Prädisposition scheint ebenfalls wahrscheinlich. Auch eine unausgewogene Ernährung (vor allen Dingen ein Vitamin-C-Mangel) kann eine Parodontitis begünstigen, genauso wie Piercings im Mundraum, zum Beispiel in der Zunge.
Knochenrückgang lässt sich nur aufhalten Eine Parodontitis muss immer behandelt werden, da sie sonst unweigerlich zum Verlust der Zähne führt. Hierzu säubert der Zahnarzt die Taschen, wobei in schweren Fällen danach zudem eine Antibiotikakur erforderlich ist, um alle Bakterien abzutöten. Die gereinigten Zahntaschen können sich zurückbilden und das Zahnfleisch liegt wieder fest am Zahn an. Bereits abgebaute Knochenmasse wird jedoch nicht wieder aufgebaut, lediglich der weitere Abbau kann gestoppt werden.
Da Plaque- und Zahnsteinbildung die Parodontitis wieder aufflackern lassen kann, ist eine konsequente und richtig durchgeführte Mund- und Zahnhygiene für Parodontitispatienten unumgänglich. Meist ist alle sechs Monate – in schweren Fällen alle drei Monate – eine professionelle Zahnreinigung erforderlich. Der Patient selbst muss aber ebenfalls mithelfen und die Zähne penibel sauber halten. Nur dann kann dem Verlust der Zähne vorgebeugt werden.
Löchrige Zähne Milchsäureproduzierende Bakterien verursachen Karies (Zahnfäule), von der fast jeder betroffen ist. Die Säure löst Mineralien aus dem Zahnschmelz, der hierdurch aufweicht, sodass sich die Keime bis zum Zahnnerv „fressen“ können. Die dafür verantwortlichen Erreger kommen nicht von Geburt an in der Mundhöhle vor, sondern werden erst über infizierten Speichel übertragen.
Da bei den meisten Erwachsenen Kariesbakterien in der Mundhöhle vorhanden sind, werden diese bereits bei der intensiven Beschäftigung mit dem Säugling, beispielsweise beim Füttern, auf das Kind übertragen. Im Zusammenspiel mit Plaque und Zucker können die Bakterien dann den „Lochfraß“ beginnen. Daher sind Süßigkeiten, Limonade und alles Zuckerhaltige Gift für die Zähne und man sollte nach dem Genuss von Kuchen, Schokolade oder anderen Süßigkeiten unbedingt die Zähne putzen. Wichtig ist auch, zwischen den Mahlzeiten längere Pausen einzulegen, damit der Speichel die Möglichkeit hat, Säuren zu neutralisieren und somit für eine gesunde Mundflora zu sorgen.
Fluorid kann schützenHeutzutage sind kaum noch Zahncremes ohne zugesetztes Fluorid erhältlich. Es kann wissenschaftlich erwiesen die Kariesprophylaxe verbessern, denn es hemmt die Säureattacken der Bakterien und remineralisiert die Zähne. Die empfohlene Tagesmenge Fluorid beträgt laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) bei Kleinkindern zwischen 0,25 und 0,5 Milligramm pro Tag. Kinder im Schulalter sollten zwischen 1,1 und 3,2 Milligramm pro Tag zu sich nehmen, Erwachsene bis zu 3,8 Milligramm pro Tag.
»Jugendliche und Erwachsene sollten Fluoridgels höchstens ein Mal pro Woche anwenden, zur besseren Wirksamkeit werden sie nicht ausgespült, sondern die Reste einfach ausgespuckt.«
Dazu, wie das Fluorid zugeführt werden soll, gibt es jedoch keine eindeutigen Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin spricht sich für fluoridhaltige Tabletten bei Säuglingen und gegen die Anwendung von fluoridhaltiger Zahnpasta bei Kleinkindern aus. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde empfiehlt hingegen keine Fluoridtabletten für Säuglinge, dafür aber ab dem ersten Milchzahn das tägliche Putzen mit einem erbsengroßen Stück fluoridhaltiger Kinderzahncreme. Diese enthält 500 ppm (parts per million) Fluorid, während Kinder im Grundschulalter eine Juniorzahncreme mit 1000 ppm verwenden sollten. Erwachsenen wird eine Zahnpasta mit 1500 ppm Fluorid empfohlen.
Bei Kindern wirkt eine Menge von mehr als fünf Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht allerdings toxisch, daher sollte man zum einen auf die Gesamtfluoridzufuhr pro Tag achten und zum anderen darauf, dass das Kind keine Zahnpasta verschluckt. Bei Kinderzahnpasta besteht aufgrund der relativ niedrigen Dosierung keine wirkliche Gefahr, anders sieht es jedoch bei hochdosierten fluoridhaltigen Gels zur Kariesprophylaxe aus. So enthalten zum Beispiel 8 Gramm Gelee 100 Milligramm Fluorid. Jugendliche und Erwachsene sollten Fluoridgels höchstens ein Mal pro Woche anwenden, zur besseren Wirksamkeit werden sie nicht ausgespült, sondern die Reste einfach ausgespuckt.
Sinnvoll oder Geldmacherei? Es gibt zahlreiche Produkte, um den Mund-Rachen-Raum zu reinigen und vor Bakterien zu schützen:
- Mundduschen können lockere Speisereste aus den Zahnzwischenräumen entfernen. Hygienisch sauber sind diese nach einer solchen Behandlung aber noch lange nicht, da Mundduschen keine Plaque entfernen können. Ein solches Gerät kann also Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürsten nicht ersetzen. Außerdem sind Wasserbehälter und Zuleitung am Gerät Keimherde, sodass von einer Munddusche eher abzuraten ist.
- Zahnpflegekaugummis enthalten meist den Zuckeraustauschstoff Xylitol, der erwiesenermaßen das Kariesrisiko verringern kann. Außerdem regt das Kaugummikauen den Speichelfluss an, sodass zahnschmelzgefährdende Säuren neutralisiert werden. Allerdings kann Xylitol Magenschmerzen und Durchfall auslösen, was bei einer Fruktosemalabsorption schon bei kleinen Mengen der Fall sein kann.
- Mundwasser kann sinnvoll sein, wenn eine antibakteriell wirkende Mundspüllösung eingesetzt wird. Nur diese ist unter den herkömmlichen Mundwassern in der Lage, in den Biofilm der Plaques einzudringen und Bakterien abzutöten. Gurgeln bekämpft auch Bakterien in der Rachenregion! Noch besser wirkt die „chemische Zahnbürste“ (orale Chemoprophylaktika). Dazu gehören Chlorhexidin, Triclosan und Zinnfluorid. Sie sollten allerdings nicht als tägliche Hygienemaßnahme, sondern nur bei einer Entzündung eingesetzt werden.
- Zungenbürsten sind in den meisten Fällen unnötig. Zwei Drittel der Bakterien der Mundhöhle sind zwar auf der Zunge angesiedelt, und sie ist zerklüftet genug, um ihnen gute Brutstätten zu bieten. Damit kommt eine gesunde Schleimhautflora normalerweise aber gut zurecht. Zwar kann eine belegte Zunge potenziell eine Ursache für Halitosis (Mundgeruch) sein, jedoch ist dann der Belag meist auch mit bloßem Auge zu erkennen. Bei einer gesund aussehende Zunge in einer gesunden Mundhöhle ist keine Zungenbürste nötig.
- Weißmacher-Zahncremes hellen die Zähne zwar geringfügig auf, enthalten aber meist so viele Schmirgelstoffe, dass der Zahnschmelz angegriffen wird. Ablagerungen von Kaffee, Tee oder Nikotin werden besser bei einer professionellen Zahnreinigung schonend und gründlich entfernt.
Zahnbürsten häufig wechseln Ob man sich für eine herkömmliche oder elektrische Zahnbürste entscheidet, ist unerheblich, solange man einige Punkte beachtet: Die Borsten sollten abgerundet und aus Kunststoff sein. Naturborsten sind innen hohl und damit regelrechte Bakterienschleudern! Bei gesundem Zahnfleisch dürfen die Borsten hart sein, liegen jedoch Zahnhälse frei oder ist das Zahnfleisch verletzt, sollte man weiche Borsten wählen. Kleinere Bürstenköpfe kommen auch in entlegenere Winkel, sind also den Zahnbürsten mit großem Kopf vorzuziehen.
Tag der Zahngesundheit
Am 25. September ist es unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – Zähneputzen macht Schule” wieder soweit: Bundesweit wird mit Events auf das Thema Mundhygiene aufmerksam gemacht.
Um Interessierten eine bessere Orientierung und gleichzeitig den Veranstaltern eine größere öffentliche Wahrnehmung zu ermöglichen, hat der Aktionskreis „Tag der Zahngesundheit” eine Internetseite (www.tagderzahngesundheit.de) mit einem Verzeichnis von Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet eingerichtet.
Der Druck auf die Zahnbürste sollte immer sehr gering sein. Die Borsten dürfen sich beim Putzen nicht verbiegen, denn dann bieten sie keine Reinigungswirkung, sondern strapazieren nur das Zahnfleisch. Elektrische Zahnbürsten haben den Vorteil, dass die Putzbewegungen bereits von der Bürste ausgeführt werden und dass man bei ihnen eigentlich gar keinen Druck ausüben muss.
Handzahnbürsten und Bürstenköpfe sollten nach drei Monaten gewechselt werden. In speziellen Fällen, zum Beispiel nach infektiösen Mund- oder Rachenerkrankungen (z. B. Pharyngitis, Scharlach oder Mandelentzündung) sollte die Zahnbürste ein Mal während und dann nach der Genesung gewechselt werden. Dass jedes Familienmitglied seine eigene Zahnbürste hat, sollte aus hygienischen Gründen selbstverständlich sein.
Auf die Technik kommt es an Die Zahnbürste wird in einem schrägen Winkel am Zahnfleischsaum angesetzt. Die Borsten werden in die Zahnzwischenräume „eingerüttelt“, anschließend putzt man mit einer elliptischen, vibrierenden Bewegung. Zum Schluss rollt man die Zahnbürste nach oben zur Kaufläche hin ab. Dieser Vorgang wird innen und außen an allen Zähnen durchgeführt, wobei man die Rückseite der hinteren Backenzähne mit aufgestellter Zahnbürste reinigt. Danach putzt man noch ein Mal über die Kauflächen. Das Ganze sollte etwa zwei Minuten in Anspruch nehmen.
Geputzt wird nach jedem Essen, wobei dies bei einer Parodontitis auch nach einer Zwischenmahlzeit getan werden muss. Danach spült man die Zahnbürste mit klarem Wasser ab, schlägt sie kurz aus und stellt sie mit dem Bürstenkopf nach oben beispielsweise in ein Glas. Wichtig ist, dass der Bürstenkopf luftig steht, damit die Feuchtigkeit schnell abtrocknen kann.
Etwa ein Drittel der Zahnoberfläche lässt sich mit der normalen Bürste nicht erreichen. Meist liegen diese schwer zugänglichen Stellen in den Zahnzwischenräumen. Um sie zu reinigen, kann man Zahnseide oder eine Zahnzwischenraumbürste (Interdentalbürste) benutzen. Die Zahnseide wirft man nach einmaligem Gebrauch weg, während die Zahnzwischenraumbürsten alle zwei Wochen gewechselt werden sollten.
Früh mit der Zahnhygiene beginnen Viele Menschen glauben immer noch, dass die Milchzähne nicht besonders gepflegt werden müssen, da sie ja sowieso ausfallen. Studien haben aber gezeigt, dass Kinder, die bereits ein kariöses Milchgebiss hatten, bei den zweiten Zähnen viel häufiger Karies entwickelten als Kinder mit gesunden Milchzähnen. Daher ist es wichtig, mit der Mundhygiene so früh wie möglich anzufangen. Schon der erste Schneidezahn sollte regelmäßig morgens und abends mit einer speziellen Babyzahnbürste geputzt werden.
Richtige Pflege der „Dritten“ Auch, wenn es nicht mehr die eigenen Zähne sind – Prothesen müssen ebenso gepflegt werden. Denn an ihnen können sich Speisereste und abgestorbene Schleimhautzellen (Prothesenplaque) festsetzen. Das wiederum kann dazu führen, dass sich die Schleimhautflora ungünstig verändert und sich Krankheitserreger über Gebühr vermehren. Zwar können dadurch keine Zähne mehr zerstört werden, aber Zahnfleischentzündungen sind noch immer möglich und sogar sehr wahrscheinlich, da das Zahnfleisch durch die Prothese sowieso schon strapaziert ist.
Sie sollte daher täglich gut gereinigt werden, zuerst mechanisch mit einem normalen Spülmittel. Starke Ablagerungen kann man mit verdünntem Essigreiniger beseitigen. Danach kommt der Zahnersatz in ein chemisches Reinigungsbad. Jeden zweiten Tag sollte man die Prothese desinfizieren. Dazu gibt es Reinigungstabletten oder man benutzt eine 0,2-prozentige Chlorhexidinlösung. So gereinigt, ist die Prothese keine Brutstätte für Keime und der Körper bleibt gesund.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 ab Seite 14.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist