U-Untersuchungen
GESUNDE KINDLICHE ENTWICKLUNG: DIESE 10 UNTERSUCHUNGEN SOLLTEN SIE KENNEN
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Es geht schon kurz nach der Geburt los: Da wird gemessen, gewogen, getastet und getestet – und am Ende verlässt man das Krankenhaus mit einem kleinen, gelben Heftchen und der Ermahnung innerhalb der nächsten Tage einen weiteren Kontrolltermin wahrzunehmen. Diese Vorsorgeuntersuchungen sollen zum einen die gesundheitliche Entwicklung des Kindes verfolgen und dazu beitragen, dass Erkrankungen oder Fehlentwicklungen von Neugeborenen, Kleinkindern und größeren Kindern frühzeitig entdeckt, beurteilt und therapiert werden können. Andererseits dienen sie auch der Kontrolle der elterlichen Fürsorge: Liegt eventuell ein Fall von Vernachlässigung, Misshandlung oder (sexuellem) Missbrauch vor? Nicht nur die Kleinen werden getestet, auch ihre Eltern, um entsprechendem Fehlverhalten vorzubeugen oder solches zu erkennen. Gerade in den ersten Monaten und Jahren machen Kinder extreme Entwicklungsphasen durch, die engmaschig überwacht werden sollten. Daher finden die sogenannten „U“-Untersuchungen in engen Zeitabständen statt. Der Umfang und die Inhalte dieser Untersuchungen wurden in der sogenannten „Kinder-Richtlinie“ vom gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt und werden von den Krankenkassen voll bezahlt.
U-Heft gut aufheben
Die Ergebnisse werden in einem gelben Untersuchungsheft festgehalten – es ähnelt in seiner Gestalt ein wenig dem Impfpass. Eingelegt ist eine abtrennbare Teilnehmerkarte. Eltern oder Erziehungsberechtigte können sie in verschiedenen Einrichtungen vorlegen, beispielsweise beim Kindergarten, um ihre regelmäßige Teilnahme an den „Us“ zu belegen. Auch der Impfstatus des Schützlings kann aus einer abtrennbaren Teilnehmerkarte abgelesen werden – was in manchen Bundesländern von öffentlichen Einrichtungen vor einer Aufnahme gefordert wird oder mittlerweile bundesweit für die Masernschutzimpfung gilt. Die Inhalte des Hefts an sich sind vertraulich, es kann keine Vorlage des gesamten Heftes verlangt werden. Und wenn man nicht in einer Klinik entbindet? Dann erhält man das Heft von Hebamme oder Entbindungspfleger kurz nach der Geburt. Bei Verlust wendet man sich ebenfalls an diese Stellen beziehungsweise den behandelnden Kinderarzt, damit alle Ergebnisse nachgetragen werden können. Bei längeren Auslandsaufenthalten wird es jedoch etwas knifflig: In den wenigsten Staaten (darunter z.B. die Niederlande, Österreich, Schweden oder Schweiz) wird ein vergleichbares Untersuchungssystem angeboten. Man sollte sich daher im Vorfeld über die Lage vor Ort informieren und gegebenenfalls Rücksprache mit der Kinderarztpraxis halten.
Mit der U1 geht das Leben los
Unmittelbar nach der Geburt – je nach Usus des jeweiligen Geburtsortes sogar direkt auf Mamas Bauch – findet die U1, der sogenannte Apgar-Test statt. Benannt wurde er nach seiner Erfinderin Virginia Apgar, einer Anästhesistin. Sie entwickelte 1952 einen heute noch weltweit anerkannten und genutzten Score zur Beurteilung der Vitalfunktionen eines Neugeborenen. Gleichzeitig steht der Name für:
A – Atmung
P – Puls
G – Grundtonus (Körperspannung)
A – Aussehen
R – Reflexe
Mit Hilfe eines Punktesystems wird der Gesundheitszustand des Frischlings bewertet, jeder Punkt (APGAR) wird zwischen 0 und 2 einsortiert und das Ergebnis am Schluss addiert. Der Test ist natürlich schmerz- und vergleichsweise stressfrei. Im Ergebnis bedeuten
8-10 Punkte: Das Neugeborene ist in sehr guter bis guter gesundheitlicher Verfassung.
5-7 Punkte: Das Neugeborene befindet sich in einem angemessenen Zustand. Meist massiert eine Hebamme oder ein Kinderarzt das Baby oder versorgt es mit etwas Sauerstoff.
Unter 5 Punkte: Das Neugeborene ist wahrscheinlich in schlechter Verfassung und benötigt Hilfe. Es wird meist in ein Wärmebettchen gelegt und mit Sauerstoff versorgt.
Ausnahmen gibt es wie bei jeder Regel auch hier. So fallen die Werte bei Frühgeborenen etwas anders aus und müssen individuell und je nach Lebenswoche beurteilt werden. Auch bei einer schweren Geburt oder nach der Einnahme von Schmerzmitteln können die Werte abweichen. Daneben beinhaltet die U1 noch weitere Untersuchungen: Es wird etwas Nabelschnurblut entnommen und der Sauerstoffgehalt ermittelt, eventuell verschlucktes Fruchtwasser wird abgesaugt, Vitamin-K-Tropfen können verabreicht werden (Zustimmung der Eltern nötig) und natürlich die drei wichtigen Kennzahlen für Familie und Freunde festgehalten – Gewicht, Größe und Kopfumfang.
U2 bis U9 – gut betreut durch die Kinderarztpraxis
Die U2 findet bei Entbindung in einem Krankenhaus auch meist dort statt. Empfohlen wird die Untersuchung zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag. Bei einer ambulanten oder Hausgeburt ist aber auch hier die Kinderarztpraxis der erste Ansprechpartner. Falls nicht bereits mit der U1 erledigt, wird im Blut nach Auffälligkeiten gesucht, die auf Stoffwechselstörungen oder Mukoviszidose hindeuten, gefahndet – natürlich nur nach Zustimmung der Eltern. Das gilt auch für das Neugeborenen-Hörscreening. Liegen Hüftprobleme in der Familie, kann die Ultraschalluntersuchung der Hüfte – eigentlich Inhalt der U3 – vorgezogen werden. Und natürlich wird wieder gewogen und ordentlich nach dem allgemeinen Gesundheitszustand geschaut.
Spätestens bei der U3 ist man dann aber in der Kinderarztpraxis vor Ort. Empfehlen Sie Ihren Kunden schon frühzeitig an alle anstehenden Termine zu denken und diese mit der Praxis zu vereinbaren. In der vierten bis fünften Lebenswoche ist schon viel geschehen und der Termin sollte auch dafür genutzt werden, um offene Fragen zu klären und Probleme anzusprechen. Ansonsten schaut sich der Arzt vor allem das Verhalten des Kindes auf seine Umwelt an: Kann es in Bauchlage schon den Kopf halten, die Hände spontan öffnen und Gesichter aufmerksam beobachten? Zudem wird auf Auffälligkeiten in der Hüftstellung geachtet und das Verhalten des Babys erfragt: Trinkverhalten? Schlaf? Verdauungs- oder sonstige Probleme? In diesem Rahmen erhalten die Eltern meist noch eine umfassende Beratung zu Gesundheitsthemen im Säuglingsalter, Unfallverhalten und worauf sie bei der Entwicklung ihres Sprösslings achten sollten. Der Arzt/die Ärztin wird auch eine Empfehlung zur Vitamin D- und Fluorid-Supplementation aussprechen zur Vorbeugung von Rachitis beziehungsweise zur Zahnhärtung. Auch über erste Impfungen wird informiert – mit denen geht es laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission nämlich schon in der neunten Lebenswoche los.
In der U4 geht es ähnlich zu: Zwischen dem dritten und vierten Lebensmonat werden Bewegungsabläufe, Hör- und Sehverhalten gecheckt sowie der Allgemeinzustand überprüft. Beratungsthemen sind außerdem die Förderung der Sprachentwicklung und Wiederholungsimpfungen.
Wenn das Kind ungefähr ein halbes Jahr alt ist, steht die U5 an. Das Kind kann jetzt schon richtig viel, hat mit ersten Zähnchen zu kämpfen, bekommt vielleicht schon seine erste Breimahlzeit. Daher ist neben den allgemeinen Untersuchungen ein Schwerpunkt der Untersuchung die Beratung über die Zahngesundheit und der Verweis an einen Zahnarzt bei Problemen der Mundschleimhaut oder der Zahnentwicklung.
U und Corona
Während der Pandemie ist alles anders, das gilt auch für die Vorsorgeuntersuchungen. Die normalerweise festgelegten Daten werden etwas aufgeweicht, sodass Arztpraxen die anstehenden Untersuchungen auch dann abrechnen können, wenn der zeitliche Rahmen überschritten wurde. Die Regelung gilt vorerst bis zum 30. September 2020. Das bedeutet, wenn der Vorsorgetermin für die U6, U7, U7a, U8 und U9 aufgrund von Lock-down, Kurzarbeit, systemrelevanter Tätigkeiten oder krankheitsbedingt nicht rechtzeitig wahrgenommen werden kann, bleibt der Anspruch bestehen. Die U kann dann zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Jetzt geht es rasend schnell: Das Baby wird immer eigenständiger, fordert mehr und ist ratz-fatz von einem Zimmer ins andere gewuselt. Bei der U6, der Nachwuchs ist nun circa ein Jahr alt, schauen Ärzte daher genauestens darauf, was das Kind alles schon so kann. Sehen, Hören, Kontakt zu den Eltern werden beobachtet und dokumentiert.
Fast stehen schon zwei Kerzen auf dem Geburtstagskuchen und das Kind geht vielleicht schon in die Kita oder eine andere Betreuung. Daher wird während der U7 nach der sozialen Interaktion mit gleichaltrigen oder anderen Kindern gefragt, sowie einfache Sätze abgefragt, um die Sprachentwicklung zu überprüfen.
Und auch wenn es nicht so klingt, aber die U7a ist eine eigenständige Untersuchung, sie ist aber erst im Juli 2008 hinzugefügt worden. Inhaltlich geht es im Wesentlichen um die Erkennung von Allergien, Verhaltensstörungen (vor allem in der Sozialisation), Übergewicht und Zahnentwicklungsstörungen sowie Kieferanomalien. Sie findet vor dem dritten Lebensjahr statt und schließt eine größere zeitliche Lücke bis zur U8.
Mit der U8 interessieren sich Ärzte immer mehr dafür, wie geschickt und selbstständig das Kind ist – immerhin ist es jetzt schon fast vier und normalerweise voller Wissensdrang. Zudem wird zu Medienkonsum beraten und natürlich, wie bei jeder U, an anstehende Impftermine erinnert.
Kurz vor der Einschulung steht dann noch die U9 an, daher liegt ein Schwerpunkt der Untersuchung in der Sprachentwicklung sowie der Entwicklung der Feinmotorik.
Keine Kostenerstattung, aber möglich: U10 und U11
Sie wurden eingeführt, um die große Lücke zwischen der U9 mit fünf und der J1 mit zwölf Jahren zu schließen. So kann die gesundheitliche Entwicklung eines Schulkindes überwacht werden. Daher stehen hier vor allem Entwicklungsstörungen im Mittelpunkt, die häufig erst nach der Einschulung auffallen: Lese-Rechtschreib-Rechenstörung oder Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS. Bei Bedarf kann auch eine Suchtberatung stattfinden, beispielsweise wenn ein fragwürdiger Medienkonsum, Ernährungs-, Bewegungs- oder Stressstörungen vorliegen, aber natürlich auch bei Konsum von Suchtmitteln. Die Untersuchungen sind jedoch nicht Teil der erstattungsfähigen Vorsorgeuntersuchungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Die Nachzügler: J1 und J2
Werden oft vergessen und sind dennoch relevant: Die Untersuchungen im Jugendalter. Denn in der Teenagerzeit (J1 zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr, J2 zwischen dem 16. und 17. Lebensjahr) beschäftigen die Kinder ganz andere und besondere Themen: Gewicht, Sexualität, Hautprobleme, Freundschaft, Mobbing, die Gestaltung der Zukunft, Rauchen oder Drogenmissbrauch. Manchmal fällt die Kommunikation mit den Eltern schwer und mit Fachpersonal leichter oder die Eltern sind besorgt und fühlen sich hilflos. Nach Eintritt der Pubertät treten manchmal auch erst hormonbedingte Erkrankungen wie zum Beispiel eine Schilddrüsenfehlfunktion und Diabetes mellitus oder Haltungsstörungen zu Tage, die ärztlich abgeklärt werden müssen und in den „Js“ frühzeitig auffallen.
Die Kosten für die J2 wird jedoch nicht von jeder Krankenkasse übernommen, die J1 ist wiederum Teil der erstattungsfähigen Vorsorgeuntersuchungen.
Farina Haase,
Apothekerin/Online-Redaktion
Quellen:
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/frueherkennung-u1-u9-und-j1/untersuchungen-u1-bis-u9/ https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/frueherkennungsuntersuchung-bei-kindern.html
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/vorsorge/
https://www.kbv.de/html/1150_45165.php
https://www.tag24.de/anzeige/aok-plus-u-untersuchung-baby-kinder-corona-krise-kinderarzt-termine-wahrnehmen-1492266
https://www.ln-online.de/Lokales/Ostholstein/Frueherkennung-in-Corona-Zeiten-U-Untersuchungen-verschieben
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/frueherkennung-u1-u9-und-j1/das-gelbe-heft/
„Gesunde kindliche Entwicklung: Diese 10 Untersuchungen sollten Sie kennen”