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Mund- und Zahngesundheit

GEPFLEGTER AUFTRITT

Eine richtige Dentalhygiene ist wichtig, nicht nur, um die Beißkraft zu erhalten. Sind Zähne und Mundhöhle nicht gesund, kann das auf Dauer den ganzen Körper schwer schädigen.

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Der erste Abschnitt des menschlichen Verdauungstraktes ist mit einer Schleimhaut ausgestattet, auf der Abermillionen von Bakterien wachsen. Davon sind die meisten harmlos, während die potenziell gefährlichen durch eine gesunde Mundflora im Zaum gehalten werden.

Doch dieses sensible Gleichgewicht kann kippen, zum Beispiel bei dauerhaft schlechter Ernährung und mangelnder Mundhygiene. Dann können die schädlichen Bakterien die Oberhand gewinnen – mit Schleimhautentzündungen, Karies oder Parodontitis als möglichen Folgen. Die Bakterien können auch ins Blut übergehen und dadurch im Körper schwere Krankheiten auslösen. So ist das Herz-Kreislauf-Risiko bei Menschen mit Parodontitis um das 1,7-fache erhöht.

Zahnhygiene steht ganz oben „Nach jedem Essen das Zähneputzen nicht vergessen“, so warben Dentisten vor einigen Jahrzehnten für mehr Zahnhygiene, doch diese Einstellung ist überholt. Mittlerweile gilt: Jeweils einmal morgens und abends Putzen reicht. Denn es kann sogar schädlich sein, direkt nach dem Essen die Zähne zu putzen, vor allem, wenn man säurehaltige Speisen zu sich genommen hat. Denn Säuren in Obst, Obstsäften, Wein oder Softdrinks lösen die Mineralstoffe Kalzium und Phosphat aus der harten Zahnsubstanz und weichen sie somit auf.

Wer dann zur Bürste greift, schleift sich letztlich die Oberfläche der Zähne glatt. Diesen unwiederbringlichen Verlust an Zahnsubstanz bezeichnet der Mediziner als Abrasion. Unser Speichel ist jedoch in der Lage, die Säure an den Zähnen völlig zu neutralisieren, wozu er etwa eine halbe Stunde benötigt. Diesen Zeitraum sollte man daher nach dem Genuss von sauren Speisen oder Getränken abwarten, bevor man mit dem Zähneputzen beginnt. Zuvor sollte man lediglich den Mund kurz mit Wasser ausspülen, um die Speisereste zu entfernen.

»Unser Speichel ist in der Lage, die Säure an den Zähnen völlig zu neutralisieren, wozu er etwa eine halbe Stunde benötigt.«

Empfehlenswert nach säurehaltigem Essen sind Zahnpflegekaugummis mit dem Zuckeraustauschstoff Xylitol, da sie die Speichelproduktion anregen. Sie eignen sich allerdings nur für Menschen, die nicht empfindlich darauf reagieren, denn er kann Durchfall und Magenbeschwerden auslösen.

Damit die Zahnbürste nicht zur Waffe wird Um die Gesundheit der Zähne zu erhalten, ist es nicht nur wichtig, wann man putzt, sondern auch, wie man putzt. Denn mit der falschen Technik kann man Zähnen und Zahnfleisch mehr schaden als nutzen. Gefährlich ist zum Beispiel eine rein horizontale Bewegung nahe am Zahnfleisch mit zu viel Druck. Dabei wird es beschädigt und seiner Rückbildung Vorschub geleistet. Früher oder später entstehen auf diese Weise freiliegende, schmerzende Zahnhälse.

Kindern bringt man das Zähneputzen mit kreisenden Bewegungen bei, weil es für sie leichter umzusetzen ist. Außerdem sitzt das Zahnfleisch bei ihnen noch so fest an den Zähnen, dass die meisten Beläge so beseitigt werden können. Doch mit zunehmendem Alter muss man bei der Putzbewegung umdenken, denn das Zahnfleisch wird lockerer und geht weiter zurück. Putzt man nun kreisend, schiebt man die Beläge unter das Zahnfleisch, was zu Entzündungen, Taschen im Zahnfleisch und im schlimmsten Fall zu Parodontitis führen kann. Diese ist eine Zahnbettentzündung, die durch Bakterien ausgelöst wird. Sie können sich in tiefen Zahnfleischtaschen ungestört vermehren.

Die Folgen sind weiterer Zahnfleischrückgang und schlussendlich Zahnverlust. Am besten entfernt man die Beläge mit der Fegetechnik: Dabei wird die Zahnbürste schräg direkt am Übergang vom Zahnfleisch zum Zahn angesetzt und dann mit einer fegenden Bewegung in Richtung Zahnkrone gebürstet. Wie lange man putzen sollte, ist sehr individuell; es hängt davon ab, wie geschickt man ist und wie stark die Beläge sind. Während beim einen bereits zwei Minuten ausreichen, sind beim anderen vielleicht fünf Minuten erforderlich.

Um das zu überprüfen, kann der Einsatz von Zahnbelagfärbetabletten sinnvoll sein, die es beim Zahnarzt oder in der Apotheke gibt. Zerkaut zeigen sie durch eine Farbstoffreaktion an, wo sich nach dem Putzen noch hartnäckiger Zahnbelag befindet. Das kann helfen, auf diese Stellen besonders zu achten und dort sorgfältiger zu putzen.

Wichtig ist, dass die Borsten der Zahnbürste abgerundet sind, damit sie das Zahnfleisch nicht verletzen. Eine Höhenabstufung der Borsten ist sinnvoll, denn so können sie sich dem Zahn besser anpassen. Nach dem Putzen muss die Zahnbürste gut ausgespült und mit dem Kopf nach oben gestellt werden, damit der Bürstenkopf trocknen kann. Bleibt er zu lange feucht, bietet er Bakterien einen idealen Nährboden.

Welche Zahnpasta für wen? Karies entsteht durch bestimmte Bakterien, die Zucker aus der Nahrung zu Säure umbauen, die den Zahnschmelz entmineralisiert und aufweicht, wodurch sich Löcher darin bilden können. Zahncreme kann das Kariesrisiko um bis zu 40 Prozent reduzieren – vorausgesetzt, sie enthält eine ausreichende Menge an Fluorid, einer ungiftigen Verbindung aus Natrium oder Kalzium mit Fluor.

Trifft das Fluorid aus dieser Verbindung auf das aus Hydroxylapatit aufgebaute Kristallgitter des Zahnschmelzes, wird es in dessen Struktur eingebaut. Hierbei entsteht das sehr säureresistente Mineral Fluorapatit, das den Schmelz härtet. Zudem bildet sich auf der Zahnoberfläche eine dünne Schicht aus Kalziumfluorid, die bei einem Angriff durch Säuren immer wieder schützende Fluoridionen abgibt.

Eine Überdosierung mit Fluorid kann zu weißen Stellen in den Zähnen führen, daher werden für Kinder bis zum Schulalter nur Zahnpasten mit einem reduzierten Fluoridanteil von 0,05 Prozent (500 ppm) empfohlen. Zudem können kleinere Kinder das Ausspucken nach dem Zähneputzen noch nicht so gut kontrollieren und verschlucken daher häufiger Zahnpasta. Erwachsenenzahncreme sollte einen Fluoridanteil von 0,1 bis 0,15 Prozent (1000 - 1500 ppm) haben.

Zahncreme für überempfindliche Zähne ist für Menschen zu empfehlen, bei denen sich das Zahnfleisch bereits soweit zurückgezogen hat, dass das Zahnbein und damit auch die zum Nerv führenden Kanälchen freiliegen. Ein normales Putzen ist in dieser Situation meist gar nicht mehr möglich, da jede Berührung der Zahnbürste extrem schmerzt. Trägt man hingegen ein wenig von der Zahncreme für empfindliche Zähne auf die Zahnhälse auf und putzt regelmäßig vorsichtig mit dieser Spezialpaste, werden die Nervenkanäle verschlossen und ein schmerzloses Putzen ist wieder möglich. Außerdem werden die Zähne unempfindlicher gegen Hitze- und Kältereize.

Die Zwischenräume nicht vergessen Allein mit der richtigen Putztechnik lassen sich auch bei größter Sorgfalt nicht alle Zahnbeläge entfernen. Vor allen Dingen in den Zahnzwischenräumen setzen sich Speisereste und Beläge fest. Daher ist zumindest einmal am Tag, am besten abends, der Einsatz von Zahnseide oder Interdentalbürsten erforderlich. Die Zahnseide wird dabei mit einem Abstand von etwa fünf Zentimetern um beide Zeigefinger gewickelt, gespannt, und von unten nach oben an den Zähnen in den Zwischenräumen entlanggeführt.

Dabei sollte darauf geachtet werden, dass man wirklich direkt am Zahnfleischsaum ansetzt. und sich nach oben arbeitet. Blutet das Zahnfleisch dabei ein wenig, ist das kein Grund zur Beunruhigung, denn dieses wird letztlich durch Bakterien im Zahnbelag ausgelöst. Regelmäßige Anwendung von Zahnseide entfernt diese bakterienhaltige Plaque, sodass das Bluten aufhört. Zahnseide gibt es in verschiedenen Stärken, auch für sehr eng zusammenstehende Zähne.

Wer in fortgeschrittenem Alter bereits größere Zahnzwischenräume hat, weil das Zahnfleisch stark zurückgegangen ist, der kann gut mit Interdentalbürsten arbeiten, die es ebenfalls in verschiedenen Größen gibt. Sie werden unten am Zahnfleischsaum in den Zahnzwischenraum eingeführt und hin- und her bewegt. Gut ausgespült können Interdentalbürsten ungefähr zwei Wochen lang benutzt werden. Zahnbürsten sollte man alle drei Monate austauschen.

Sinnlose Hygieneprodukte? Der Markt an Zahn- und Mundhygieneprodukten ist vielfältig, und manchmal scheinen auch sinnlose Produkte angeboten zu werden, wie etwa Zungenbürsten oder Zungenschaber. Auf den ersten Blick mögen sie übertrieben wirken und für jemanden mit guter Mundhygiene sind sie das sicherlich auch. Doch für manche Menschen können sie hilfreich sein. Denn auf dem hinteren Drittel der Zunge, das meist keinen reinigenden Gaumenkontakt hat, bildet sich schnell ein Belag aus Speiseresten.

Bei Menschen, die wenig Speichel haben, der diese Essensreste neutralisieren kann, können sie im Laufe der Zersetzung leicht zu Mundgeruch führen. Zungenhygieneprodukte können da Abhilfe schaffen. Diese Geräte werden nach dem Zähneputzen zwei-, dreimal von hinten nach vorne über die Zunge gezogen und entfernen so den unangenehmen Belag. Ein weiterer Vorteil dieser Produkte: Die Geschmacksempfindlichkeit wird erhöht, denn die Geschmacksknospen, die auf der Zunge sitzen, werden ebenfalls gereinigt.

Man kann die Zunge natürlich auch mit der Zahnbürste reinigen, aber dann können die Borsten unangenehm kitzeln oder der Bürstenkopf gar zu einem Würgereflex führen. Zungenbürsten oder -schaber sind hingegen flacher gearbeitet und haben kleine Noppen anstelle von Borsten.

Welchen Nutzen haben Mundwässer? Diese geben vielen einen Frischekick am Morgen. Man fühlt sich sicherer gegen Mundgeruch geschützt und startet gut in den Tag. Doch verbessert es auch wirklich die Mundhygiene? Dazu muss man erst einmal unterscheiden zwischen kosmetischen und medizinischen Mundwässern. Letztere müssen einen heilenden Effekt haben, kosmetische hingegen nicht.

Ein kosmetisches Mundwasser, das frischen Atem verspricht, enthält meist Pfefferminze oder andere ätherische Öle. Es kann den Mundgeruch für kurze Zeit übertünchen, aber die Ursache nicht bekämpfen. Ein solches Mundwasser ist daher nicht zu empfehlen. Ähnlich verhält es sich mit Mundwässern gegen Zahnfleischentzündungen, da sie nur die Symptome, nicht aber die Entzündung selbst oder gar die Ursache bekämpfen. So kann sich im schlimmsten Fall die Entzündung noch verschlimmern.

MANUELL ODER NICHT?
Die Frage, ob Handzahnbürste oder elektrische Zahnbürste, hängt von den persönlichen Vorlieben ab. Für die meisten Menschen dürfte jedoch gelten, dass eine elektrische Zahnbürste gründlicher putzt als man es selbst kann. Allerdings muss man bei diesen Geräten besonders darauf achten, nicht noch zusätzlichen Druck auszuüben. Produkte mit eingebautem Drucksensor können da hilfreich sein. Manche Sensoren zeigen nur an, wenn zu viel Druck ausgeübt wird, manche Zahnbürsten stellen sich auch aus oder schalten auf Sensitiv-Modus.

Kariesreduzierende kosmetische Mundwässer sind dann sinnvoll, wenn sie mindestens einen Fluoridanteil von 0,025 Prozent enthalten. Solche Mundwässer sind tatsächlich für Menschen mit freiliegenden Zahnhälsen zu empfehlen, wenn diese aufgrund der Schmerzen die Zähne nicht mehr gründlich genug putzen können und auch Zahnpasta für schmerzempfindliche Zähne nicht mehr ausreichend hilft. Für alle anderen gilt: Wer eine fluoridhaltige Zahnpasta benutzt, kann auch nach dem Putzen den Schaum noch ein wenig durch die Zahnzwischenräume ziehen und erreicht damit denselben Effekt wie mit dem Mundwasser.

Medizinische Mundwässer werden meist im Rahmen von Parodontitis-Behandlungen eingesetzt, wenn die Zahntaschen professionell gereinigt wurden. Sie enthalten Chlorhexidin, einen Bakterien abtötenden Wirkstoff. Damit soll gewährleistet sein, dass die Zahntaschen bis zur Rückbildung bakterienfrei bleiben. Medizinische Mundwässer sind Arzneimittel und apothekenpflichtig. Sie sind nicht dazu gedacht, über längere Zeit benutzt zu werden.

Einmal hauchen, bitte! Mit am unangenehmsten für viele Menschen ist Mundgeruch. In 80 bis 90 Prozent der Fälle ist die Ursache lokal im Mund- oder Rachenraum zu finden. So kann ein kariöser Zahn Mundgeruch verursachen, aber auch übermäßiger Belag auf Zähnen oder Zunge. Kippt das bakterielle Gleichgewicht in der Mundhöhle und vermehren sich schädliche Bakterien, kann es zum Beispiel zu einer Stomatitis, einer Entzündung der Mundschleimhaut, kommen. Auch das kann Mundgeruch (Halitosis) verursachen.

Es ist daher wichtig, der Mundhygienestatus bei einem Zahnarzt überprüfen zu lassen. Erst, wenn sich lokal keine Ursache für die Halitosis findet, muss überlegt werden, ob sie Begleitsymptom einer organischen Schädigung zum Beispiel der Niere oder Leber, sein könnte.

Auch Diabetes mellitus kann Mundgeruch auslösen, er riecht jedoch typisch nach Azeton und wird von den meisten Ärzten sofort erkannt. Bei hartnäckigem Mundgeruch ohne erkennbare Ursache kann häufig auch eine ausgewogene Ernährung, der Verzicht auf Alkohol und Tabak sowie ausreichendes Trinken von Mineralwasser helfen – das alles natürlich neben der regelmäßigen Mundhygiene.

Zweimal im Jahr zum Arzt Zähne sind ein kostbares Gut, sie sollten so lange wie möglich erhalten bleiben. Daher gehört zur eingehenden Mundhygiene auch die Vorsorge beim Zahnarzt. Zweimal im Jahr sollte man Gebiss und Mundhöhle überprüfen lassen. Einmal im Jahr ist eine professionelle Zahnreinigung empfehlenswert. Je älter man wird, desto enger sollten die Vorsorgeabstände werden. Nach einer behandelten Parodontitis oder bei einem anstehenden Parodontitis-Risiko sollte die professionelle Zahnreinigung alle drei bis sechs Monate durchgeführt werden.

All diese Maßnahmen können einer aufwändigen und teuren Prothetik vorbeugen. Und sie können helfen, den ganzen Körper gesund zu halten, denn neben einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten kann mangelnde Mundgesundheit auch zu Kopfschmerzen, Rheuma oder gar Fehlgeburten führen. Gesund beginnt daher tatsächlich im Mund!

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 15.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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