Giftpflanzen
GEFLECKTER SCHIERLING
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Conium maculatum L. ist eine bis zu 2,5 Meter hohe ein- bis zweijährige krautige Pflanze aus der Familie der Doldenblütler , die sich besonders auf Ruderalflächen wie Wegrändern, Ackerbrachen und Schuttplätzen findet. Sie blüht von Juni bis September mit eher unscheinbaren schmutzig-weißen Blüten, die in 10- bis 20-strahligen Doppeldolden stehen. Ihre Samen sind drei Millimeter lang und erhalten durch wellig gekerbte Rippen eine warzig erscheinende Struktur. Die scheidig gestielten Blätter haben eine dunkelgrüne Farbe und sind zwei- bis vierfach gefiedert.
Gefleckt und stinkend Im ersten Jahr entwickeln sich nur grundständige Blätter, im zweiten Jahr sprosst ein runder, fein gerillter, hohler Stängel. Er ist von einem blauen Reif überzogen und zeigt im unteren Bereich braunrote Flecke, die der Artname maculatum aufgreift, der aus dem Lateinischen kommt und gefleckt bedeutet. Auch die deutschen Namen Gefleckter Schierling oder Fleckenschierling nehmen auf dieses Erkennungsmerkmal des Doldenblüters Bezug.
Das andere typische Kennzeichen ist der widerliche, an Mäuseurin erinnernde Geruch, der sich besonders intensiv beim Zerreiben der Pflanzenteile verbreitet. Er kommt im Begriff Schierling zum Ausdruck, der auf das angelsächsische Wort sceran = Mist zurückzuführen sein soll und den unangenehmen Geruch aufgreift.
Tödliches Coniin Mit dem Gattungsnamen Conium wurde der Gefleckte Schierling schon von Theophrast und Dioskurides als die „Schwindelerregende“ bezeichnet. Er leitet sich von der griechischen Bezeichnung koneion = Kreisel oder Schwindel ab und soll eine Anspielung auf die Giftwirkung des Doldenblütlers sein. Die ganze Pflanze ist stark toxisch, besonders in den unreifen Früchten befinden sich hohe Anteile des Piperidinalkaloids Coniin. Bei getrockneten Pflanzenteilen ist der Giftstoffgehalt deutlich niedriger.
Als tödliche Dosis gelten beim Menschen 0,5 bis 1 Gramm des Alkaloids. Es wird schnell über Schleimhäute und Haut aufgenommen. Die Vergiftungssymptome zeigen sich bereits nach ein bis zwei Stunden. Das Toxin bewirkt zunächst eine kurze Erregungsphase mit Brennen im Mund, erhöhtem Speichelfluss, Erbrechen, Durchfall und Schwindel. Danach kommt es zu einer aufsteigenden Lähmung des Rückenmarks und der Medulla oblongata, die mit einem Kältegefühl, Gefühllosigkeit und einem verlangsamtem Herzschlag einhergeht. Der Tod erfolgt meist bei voll erhaltenem Bewusstsein durch Lähmung des Atemzentrums.
Todestrank der Antike Die Giftigkeit des Gefleckten Schierlings war schon damals bekannt. Ein Extrakt der Pflanze wurde im antiken Griechenland nicht nur für hinterhältige Giftmorde, sondern auch offiziell zur Hinrichtung von Staatsfeinden verwendet. Berühmtes Beispiel ist die Verurteilung des griechischen Philosophen Sokrates. Er bekam im Jahre 399 v. Chr. als Todesstrafe den „Schierlingsbecher“ zu trinken, der ein Gemisch aus dem Presssaft der Schierlingspflanze und Opium enthielt.
Heil- und Hexenpflanze des Mittelalters Der Gefleckte Schierling wurde nun zunehmend als Heilmittel eingesetzt. So wurde er in den Kräutergärten von Klöstern angepflanzt und war bei Mönchen und Nonnen ein geläufiges Keuschheitsmittel (Anaphrodisiakum). Mittelalterliche Arzneibücher führten Zubereitungen zur Verwendung als Schmerz-, Schlaf- und lokales Narkosemittel auf, die unter anderem auch den Gefleckten Schierling enthielten.
Achtung Verwechselung!
Der Gefleckte Schierling kann mit anderen als Wildgemüse und Gewürz gesammelten Doldenblütern verwechselt werden. Hauptsächlich kommt es zu Vergiftungen beim Sammeln von Kerbelkraut, Petersilienwurzeln sowie den Früchten von Kümmel und Anis.
Darüber hinaus war das Doldengewächs neben dem Bilsenkraut ein typisches Hexenkraut, das als Bestandteil mittelalterlicher Hexensalben für Flughalluzinationen und zur Bewusstseinserweiterung geschätzt wurde.
Heute obsolet In der Volksheilkunde war die Pflanze später weiterhin ein gebräuchliches Schmerzmittel. Zudem waren Asthma, Krampfhusten, spastische Zustände und eine Hyperaktivität der Milchdrüsen gängige Einsatzgebiete. Dabei wurde die Pflanze sowohl innerlich als auch äußerlich angewendet. Heute ist die Droge aufgrund ihrer starken Toxizität und der potenziellen Vergiftungsgefahr als Arzneimittel obsolet. Die Homöopathen nutzen sie weiterhin, beispielsweise als Mittel bei Schwindelzuständen, Vergesslichkeit, Drüsenschwellung oder Augenleiden. Unerwünschte Wirkungen sind in homöopathischen Verdünnungen nicht zu erwarten.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 100.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin