Der Umriss eines Mannes mit Hut. Anstelle seines Kopfes befindet sich eine Wolke.
Menschen, die sich zu starken Ideologien hingezogen fühlen, weisen einer Studie zufolge bestimmte psychologische Merkmale auf. © francescoch / iStock / Getty Images Plus

Ideologie | Prävention

GANZ SCHÖN EXTREM

Religiöser Fanatismus, Nationalismus, Links- oder Rechtsradikalität: Vertreter extremistischer Ideologien haben ein klares Bild von Gut und Böse und sind bereit, diese mit Gewalt durchzusetzen. Nun fanden Forscher heraus, dass sich diese Neigung mit bestimmten Wesenszügen zusammenhängt.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Es existieren bereits Präventionsprogramme gegen Radikalisierung. Allerdings verlassen sich diese bislang oft auf demographische Daten wie Alter, Ethnie und Geschlecht. Anhand dieser Daten lässt sich nur eingeschränkt vorhersagen, welche Menschen anfällig für extremistische Positionen sind. Aus diesem Grund hat es sich ein Team um Dr. Leor Zmigrod von der University of Cambridge zur Aufgabe gemacht zu untersuchen, inwieweit bestimmte psychologische Merkmale auf eine extremistische Neigung schließen lassen.

Die Studie
334 Probanden absolvierten verschiedene Tests zu ihrer kognitiven Wahrnehmung und Persönlichkeit. Sie sollten farbige Scheiben nach bestimmten Vorgaben stapeln, sich Wörter merken oder schnelle Entscheidungen treffen. Die Persönlichkeitstests prüften unter anderem wie zielstrebig und achtsam die Teilnehmer sind, ihre emotionale Kontrolle sowie finanzielle und soziale Risikobereitschaft. Außerdem wurden die Teilnehmer zu ihrer Haltung zu religiösen und politischen Themen befragt: Familienbild, Waffenbesitz, Patriotismus und Gebet. Es wurde aber auch nach der Gewaltbereitschaft gegenüber Andersdenkenden gefragt.

Daraufhin analysierten die Forscher, wie die ideologische Einstellung mit den zuvor erhobenen psychologischen Merkmalen zusammenhängt. „Ich interessiere mich für die Rolle, die verborgene kognitive Funktionen bei der Gestaltung des ideologischen Denkens spielen“, erklärt Zmigrod und erläutert ihre Absichten:

Viele Menschen werden in ihrem Umfeld Personen kennen, die sich radikalisiert haben oder zunehmend extreme politische Ansichten vertreten, sei es auf der linken oder rechten Seite. Wir wollten wissen, warum bestimmte Personen anfälliger sind.

Das Ergebnis
Die Autoren berichten, dass extreme Einstellungen besonders bei Menschen mit diesen Merkmalen auftraten:

  • schlechteres Arbeitsgedächtnis
  • langsamere Wahrnehmungsstrategien
  • Impulsivität
  • Sensationssucht

Außerdem fanden die Forschenden auch etwas über Konservatismus heraus. Diese Neigung ging mit erhöhter Zielstrebigkeit und Impulsivität einher. Zmigrod erklärt, dass extreme Doktrinen besonders Menschen anziehen, die komplexe Themen nur schwer verarbeiten. Denn sie böten eine klarere, definiertere Erklärung der Welt: 

Das macht sie anfällig für toxische Formen von dogmatischen und autoritären Ideologien.

Ziel der Forschung ist es, zukünftig für Radikalisierung anfällige Menschen im gesamten politischen und religiösen Spektrum besser zu identifizieren und gezieltere Präventionsprogramme anzubieten.

Ein statistisches Modell, das nicht nur demografische, sondern auch kognitive und Persönlichkeitsmerkmale einbezieht, ist leistungsfähiger: Für konservative Positionen zum Beispiel erhöhte sich die Vorhersagekraft von 7,5 Prozent auf 32,5 Prozent, wenn die Ergebnisse von Kognitions- und Persönlichkeitstests berücksichtigt wurden. Laut Zmigrod scheint es „Ähnlichkeiten in den Köpfen derjenigen zu geben, die am ehesten bereit sind, extreme Maßnahmen zu ergreifen, um ihre ideologischen Doktrinen zu verteidigen.“ Sie führt weiter aus: „Dies zu verstehen, könnte uns helfen, jene Personen zu unterstützen, die für Extremismus anfällig sind.“

Mehr zum Thema Psychologie:
Wieso wir uns selbst belügen
Die Psyche in der Pandemie
Die Schönheit des „Ahas“

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/psychologische-signatur-fuer-extremistisches-denken/
Leor Zmigrod (University of Cambridge) et al., Philosophical Transactions of the Royal Society B

×