Brustkrebs
FINGERSPITZENGEFÜHL
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Für alle Karzinome gilt: Je früher es entdeckt wird, umso höher stehen die Chancen, es erfolgreich behandeln zu können. Für die Entdeckung eines Mammakarzinoms steht neben der Mammografie, die im Rahmen des Screening-Programms allen Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren angeboten wird, als eine wichtige Maßnahme die Tastuntersuchung der Brüste zur Verfügung. Ab dem Alter von 30 Jahren wird diese Untersuchung der Brust und der Lymphknoten in der Region ein Mal jährlich durch den Arzt durchgeführt. Außerdem werden Frauen zur regelmäßigen Selbstuntersuchung angeleitet.
Möglichkeiten und Grenzen des Abtastens Jedoch kritisieren einige Experten, dass bei der Selbstuntersuchung wie auch im Rahmen der ärztlichen Tastuntersuchung Geschwülste oft erst entdeckt werden, wenn sie bereits über zwei Zentimeter groß sind – und damit jenseits der Grenze, unterhalb derer man von einer guten Prognose ausgehen kann . Damit könnte man das Tasten nicht mehr als wirkliche „Früherkennung“ ansehen.
Andere Frauenärzte finden, dass ein geübter Kollege in der Lage sein sollte, Knoten in der Brust ab einer Größe von einem Zentimeter aufzufinden. Je mehr Erfahrung und Können der Gynäkologe hat, umso genauer und verlässlicher ist das Ergebnis seiner Tastuntersuchung. Einer sorgfältigen Prognose abträglich ist allerdings, dass in der Praxis dafür meist nur wenige Minuten zur Verfügung stehen.
Besondere Begabung nutzen Eine Verbesserung der Tastergebnisse versprechen sich manche von der Unterstützung durch blinde Frauen. In einem interessanten Projekt (Discovering Hands), das ein Duisburger Gynäkologe vor einigen Jahren initiierte, versucht man den besonders ausgeprägten Tastsinn Blinder diagnostisch zu nutzen. In einem neunmonatigen theoretischen und praktischen Schulungsprogramm werden blinde oder sehbehinderte Frauen zu „Medizinischen Tastuntersucherinnen“, kurz MTU, ausgebildet.
Ihre Qualifikation stellen sie am Ende in einer praktischen Prüfung vor Ärzten unter Beweis. Nach einem standardisierten Verfahren untersuchen die ausgebildeten MTU das Gewebe Zentimeter um Zentimeter auf Veränderungen. Zwischen 30 und 60 Minuten dauert der Check, der etwa 45 Euro kostet. Die Gebühr wird von privaten Krankenversicherungen sowie einigen gesetzlichen Kassen übernommen.
Konzept ausbaufähig Zurzeit beschäftigen in Deutschland 16 Praxen beziehungsweise Kliniken eine MTU (Adressen unter www.discovering-hands.de/teilnehmende-praxen.html). Und das Interesse unter Ärzten an der Zusammenarbeit mit einer fürs Tasten ausgebildeten Spezialistin wächst.
Immerhin bewies ein erster Praxistest, dass die blinden Helferinnen bereits sehr kleine Gewebsveränderungen wahrnehmen: Bei einer Gruppe von 451 Probandinnen ertasteten sie auch Veränderungen, die nur halb so groß waren wie diejenigen, die Fachärzte auffanden. 32 der insgesamt 128 Auffälligkeiten wurden nur von den blinden Frauen, aber nicht von den Ärzten erkannt. An der Frauenklinik Erlangen soll der Erfolg der Methode jetzt wissenschaftlich untersucht werden.
»Ein Ersatz für die Mammografie ist das Tasten nie, es ist ein ergänzendes Verfahren!«
Der Wert der Tastuntersuchung generell ist in den letzten Jahren allerdings in die Diskussion geraten, denn ein eindeutiger Nutzen der Methode ist wissenschaftlich bisher nicht belegt worden. In zwei Studien in China und Russland starben im Schnitt gleich viele Frauen an Brustkrebs, unabhängig davon, ob sie sich regelmäßig selbst abtasteten (Untersuchungsgruppe) oder nicht (Kontrollgruppe).
Zudem wird von Kritikern angeführt, dass viele der bei den Tastuntersuchungen entdeckten Auffälligkeiten gutartige Verhärtungen des Gewebes sind, was im Laufe der Abklärung zu unnötigen Gewebeentnahmen führen kann. Eine Argumentation, die berechtigt ist, aber im Prinzip gegen jede Art von Brustkrebs-Screening angeführt werden kann.
Ungeachtet der genannten Studien stellt sich die Situation im klinischen Alltag so dar, dass immerhin 70 bis 80 Prozent aller Tumore von den Frauen selbst getastet wurden, bevor die Diagnose schließlich gestellt wird. So halten denn auch die meisten Frauenärzte die Selbstuntersuchung für ein gutes Hilfsinstrument, zumal jede Frau es selbst regelmäßig und in kurzen Abständen anwenden kann. Schließlich können ihre Beobachtungen ein erster Hinweis auf ein möglicherweise bösartiges Geschehen sein, insbesondere bei jungen Frauen sowie solchen mittleren Alters, bei denen keine anderweitigen Früherkennungsverfahren zur Verfügung stehen.
Gewissheit liefert immer erst die Biopsie Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es mit einem Tastbefund allein nicht getan ist. Jeder auffällige Befund erfordert weitere Diagnoseverfahren, um einen Verdacht ausschließen oder bestätigen zu können. Das gilt übrigens genauso für mammografische Befunde.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 140.
Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin