Fertiggerichte
HOCHVERARBEITETE LEBENSMITTEL: FLUCH ODER SEGEN?
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Was sind hochverarbeitete Lebensmittel, auch high oder ultra processed Food (UPF) genannt? Und warum schaden Fertiggerichte der Gesundheit? Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um Lebensmittel, die mit Hilfe von Zusätzen verarbeitet werden. Dazu gehören etwa Aromen, Farb-, Duft sowie Konservierungsstoffe, Stabilisatoren und andere Hilfsmittel. In hochverarbeiteten lebensmiteln sind meist zudem ungesunde Fette, schnell resorbierbare Kohlenhydrate wie Zucker und High-Fructose-Corn-Sirup sowie andere preiswerte Füllstoffe enthalten. Die meisten Produkte aus dem Segment Fast Food sowie Convenience (bequeme, vorgefertigte Lebensmittel) zählen zu den hochverarbeiteten Lebensmitteln.
Wurde die Qualität von Nahrungsmitteln früher primär anhand ihrer energieliefernden (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Alkohol) und für den Körper wichtigen Begleitsubstanzen wie Vitamine, Ballaststoffe, Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe klassifiziert, rückt heute ihr Verarbeitungsgrad stärker in den Fokus. Dazu bedienen sich Expertinnen und Experten der NOVA-Klassifikation. Diese macht es möglich, die enorme Fülle an festen und flüssigen Lebensmitteln leichter und einfacher zu kategorisieren und hochverarbeitete Lebensmittel und Fertiggerichte zu erkennen.
NOVA-Klassifikation zur Einschätzung von UPF
Die Nova-Klassifikation teilt Lebensmittel in vier Gruppen ein. Das sind:
- Unverarbeitete bis minimal verarbeitete Lebensmittel
beispielsweise frisches Gemüse und frische Früchte. Getreide wie Reis, Hirse, Couscous, Trockenobst wie Pflaumen, Dörraprikosen, getrocknete Äpfel - Verarbeitete haushaltsübliche Zutaten
beispielsweise Salz, Honig, Zucker, Mehl, Pflanzenöle, gekörnte Brühe - Verarbeitete Lebensmittel
beispielsweise gekochtes Gemüse und Hülsenfrüchte in Konserven, Gläsern oder in Salzlake, Nüsse und Samen mit Zusätzen wie Zucker, Salz oder Gewürzmischungen, frisch gebackenes und unverpacktes Brot sowie verschiedene Käsesorten. - Hochverarbeitete Lebensmittel/UPF
beispielsweise Süßigkeiten wie Schokolade, Plätzchen, Kuchen, Eis, Desserts, fertig gebackene und verpackte Kuchen oder Brote, Margarine, Brotaufstriche und Fertiglebensmittel wie Pizza, Konserven- oder Tiefkühlgerichte
Laut Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) bestand bereits Anfang der 2000er-Jahre rund die Hälfte der täglich gegessenen Kalorienmenge von Erwachsenen aus hochverarbeiteten Lebensmitteln.
Haben hochverarbeitete Lebensmittel Vorteile?
Das Angebot an hochverarbeiteten Lebensmitteln steigt in Industrienationen stetig. Dafür muss es doch triftige Gründe geben? Entscheidend für den Erfolgszug der hochverarbeiteten Lebensmittel und Fertiggerichte sind
- die Option des sofortigen Genusses, zum Beispiel bei Schokoriegeln oder Fast Food,
- ebenso sind sie häufig lange haltbar und entsprechend lange lagerfähig, beispielsweise eingeschweißtes Brot und Backwaren im Vergleich zu frischem Brot,
- viele Menschen gewöhnen sich zudem an Zusätze wie Emulgatoren, Aromen, Zucker und Fett – gerne kombiniert mit einer weichen, leicht und schnell zu schluckenden Konsistenz.
Wie wirken hochverarbeitete Produkte auf die Gesundheit?
Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien und Untersuchungen, die belegen, dass ein regelmäßiger Genuss hochverarbeiteter Lebensmittel wie Fertiggerichte mit dem Risiko und der Verschlechterung zahlreicher Krankheiten assoziiert ist. So heißt es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass solche Produkte und Getränke chronische Erkrankungen wie Magen-Darm- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen können.
Ebenso besteht der Verdacht, dass verschiedene Krebsarten, Demenz und Depression mit UPF in Zusammenhang stehen. Das Risiko für die Entstehung von Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes, erhöhten Blutfettwerten, erhöhten Harnsäurewerten, Bluthochdruck sowie Adipositas wird durch den regelmäßigen Konsum dieser hochverarbeiteten Lebensmittel forciert. Ebenso zeigen sich negative Folgen auf ein gesundes Milieu von Darmbakterien(Mikrobiom).
Fertiggerichte: Schadstoffe aus Verpackungen
Nicht nur die meist hohen Gehalte an leicht verfügbarer Energie in hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichten tun dem Körper nicht gut. Der hohe Verarbeitungsgrad kann die Bildung von giftigen Verbindungen wie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PACs), Acrylamid oder Transfettsäuren begünstigen.
Französische Forschende fanden zudem heraus, dass sogar schädliche Phthalate und Bisphenole aus den Verpackungen der hochverarbeiteten Lebensmittel, beispielsweise aus Plastiktüten von Brot, Gebäck oder aus Konserven, in die Nahrung übergehen können. Aktuell wird deshalb zum Beispiel bei Mais empfohlen, diesen in Gläsern statt Konservendosen zu kaufen. Denn in sämtlichen Maisdosen wurden zu hohe Werte der Massenchemikalie Bisphenol A nachgewiesen. Diese soll hormonelle Wirkungen auf den Körper haben. Deshalb wird Bisphenol A in Europa offiziell als wahrscheinlich reproduktionstoxisch eingestuft.
Aromen aus UPF können die Darmgesundheit beeinflussen
Ebenso wird diskutiert, dass Zusatzstoffe in UPF wie Emulgatoren, Zucker und sämtliche Zuckerarten sowie auch künstliche Süßstoffe Einfluss auf die Diversität gesunder Darmbakterien und damit auf ein gesundes Darm-Mikrobiom haben sollen. Demnach kann der Konsum von UPF das Immunsystem stören. Beobachtet wird zudem, dass sich dabei chronische Entzündungen entwickeln können. Auch Übergewicht spielt bei der gesunden Aktivität diverser Darmbakterien eine zentrale Rolle.
Welche immense Auswirkung ein gesunderer Darm für die Gesundheit hat, wird weiterhin erforscht. Denn in vielen Gebieten steckt die internationale Forschung hier noch in den Kinderschuhen.
Es ist wenig verwunderlich, dass die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfiehlt, den Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel zu begrenzen.
Wenn Fische eckig sind und Äpfel das Geschirr spülen
Neben zahlreichen negativen Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit leidet beim stetigen Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln der Genuss. Denn die meisten dieser Produkte sind meist sehr salzig oder süß. Der individuelle Eigengeschmack der Ursprungsprodukte lässt sich nicht mehr herausschmecken. Mehr noch: Wer wenig bis keinen Kontakt und Zugang zu frischen Lebensmitteln hat, sondern (fast) ausschließlich hochverarbeiete Lebensmittel isst, kommt nicht in den Genuss der unendlichen Vielfalt, die es bei frischen Produkten und selbst gekochten Speisen gibt.
Und das geht schon bei den Kleinen los. So gibt es Kinder, die nicht wissen, dass Speisefische nicht rechteckig und paniert sind – wie Fischstäbchen. Bei Geschmackstests, die teils in Kindergärten und/oder Schulen im Rahmen von Aktionsprojekten angeboten werden, zeigen sich verheerende Ergebnisse. So manches Kind verbindet Apfelaroma beim Schnuppern mit Spülmittel. Oder der Duft von Erdbeeren wird mit Fruchtjoghurt assoziiert.
Viele Erwachsene können frische Gemüsesorten wie Wirsing, Chinakohl, Spitzkohl oder Rosenkohl nicht unterscheiden oder kennen sie erst gar nicht. Beispielsweise ist oft nicht bekannt, dass Weißkohl die Ausgangszutat für Sauerkraut ist. All das hat auch mit dem regelmäßigen Essen von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu tun.
Fertiggerichte adé: Kochen lernen dank YouTube und Co.
Es führt kein Weg daran vorbei: Je naturbelassener Lebensmittel sein dürfen, desto positiver ist das für die menschliche Gesundheit. Ist das das Aus für hochverarbeitete Lebensmittel? Nein, das heißt nicht, dass ab sofort auf jede Kugel Eis, Pizza oder Kuchen verzichtet werden muss. Eine gesunde Mischung und Vielfalt ist der Schlüssel zum gesunden Umgang mit hochverarbeiteten Lebensmitteln und Fertiggerichten.
Wer zum Beispiel nicht kochen kann, muss nicht ständig auf hochverarbeitete Lebensmittel zurückgreifen. Krankenkassen und Volkshochschulen bieten Kochkurse zu verschiedenen Themen und Schwierigkeitsgraden an. Auch im Internet gibt es mit Tutorials oder auf YouTube,Instagram, Pinterest und Facebook passende Angebote, die zum Kochen anregen. Ebenso zeigen TV-Kochsendungen und auch Kochbücher zu verschiedenen Themen Alternativen zu hochverarbeiteten Lebensmitteln auf.
Oft reicht es schon aus, vier oder fünf Standardgerichte selbst kochen zu können. Denn diese lassen sich allein durch die saisonale Auswahl an Gemüse, Salaten und Obst vielfach variieren.
Praxistipps für ein Plus an frischen Lebensmitteln
Nicht jedes abgepackte Lebensmittel ist gleich hochverarbeitet. Es gibt verarbeitete Produkte, die durchaus sinnvoll sind und dabei Kochen und Genießen erleichtern. Allen voran tiefgekühltes Gemüse ohne Zusätze. Hier entfällt Schnippeln und es ist im Nu einsatzbereit. Außerdem sind die Vitalstoffe in Tiefkühlgemüse hochwertiger als aus Konservenware. Aus diesen Produkten lassen sich Aufläufe, Suppen, Eintöpfe, Saucen, Gemüse-Smoothies oder Gemüsebeilagen einfach kochen.
Wer beim Würzen unsicher ist, wählt gekörnte Gemüsebrühe. Auch sie ist ein verarbeitetes Lebensmittel, aber sinnvoller als Fertigsoßen. Statt Fertigdesserts, Eis und Milchprodukten wie Fruchtjoghurt oder Fruchtquark, die allesamt hochverarbeitet sind, besser Lebensmittel ohne Zusätze wählen. Dazu dann entweder frische Früchte, Tiefkühlobst ohne Zusätze oder einen Löffel Marmelade.
Soll es doch einmal hochverarbeitete Lebensmittel oder Fertiggerichte wie Pizza, Burger oder Pasta geben, einfach ein paar Kirschtomaten, Gurkenscheiben oder Blattsalat dazu essen.Statt süßer Softgetränke (auch das sind UPF!) einfach mal Wasser mit einem Schuss Zitronensaft veredeln oder ein paar Gurkenscheiben, Beeren oder Orangenscheiben hineingeben.
Kleine Dinge, die einfach und schnell machbar sind und Großes bewirken können – ein Plus an Genuss und Balsam für Seele und Körper.
Quellen:
Fachwissen der Autorin, staatlich diplomierte Diätassistentin, DKL/DGE
www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Hochverarbeitete-Lebensmittel-So-ungesund-sind-Zusatzstoffe,lebensmittel720.html
www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/verarbeitung/fragen-und-antworten-zu-hochverarbeiteten-lebensmitteln/
www.dge.de/presse/meldungen/2023/wie-wirken-stark-verarbeitete-lebensmittel-auf-die-gesundheit/
www.oekotest.de/essen-trinken/Mais-im-Test-Labor-findet-Bisphenol-A-in-jedem-Dosenmais_14739_1.html