Kolumne | Prof. Dr. Aglaja Stirn
FASTEN
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Der Fastnachtsfest hat seine Wurzeln in vorchristlicher Zeit und dient traditionsgemäß dazu, den Winter zu vertreiben. Von den Christen wurde dieser Brauch übernommen und anschließend mit dem Aschermittwoch eine 40-tägige Fastenzeit eingeleitet. Doch nicht nur praktizierende Christen nutzen die Zeit zu einer gewissen Askese. Mit Fasten ist nicht nur der Verzicht auf opulente Mahlzeiten gemeint, sondern auch das Fasten im psychischen Sinne, dass man auf das eine oder andere verzichtet. Das kann auch etwas sehr Positives sein. Normalerweise essen wir dreimal am Tag – jetzt ist es modern geworden auch nur zweimal am Tag zu essen und über Nacht eine längere Pause zu machen, um Stoffwechselprozesse im Körper zur Ruhe kommen zu lassen.
Dass Fasten gesund ist, beschrieb bereits der Arzt und Philosoph Paracelsus (1493-1541): „Fasten ist das größte Heilmittel“. Aus heutiger Sicht weiß man, dass zu viel Nahrung Körper und Gehirn schadet. Ein zeitweiliger Verzicht kann Großes bewirken. Denn nicht nur der Körper reagiert auf diese Art der Entgiftung im positiven Sinne, sondern auch die Stimmung, die Seele und das Gehirn. Nach einer schwierigen anfänglichen Phase, stellt sich das Gehirn evolutionsbiologisch auf Euphorie um, damit der Mensch aktiviert nach Nahrung sucht. Das war damals sehr wichtig und hat für uns hierzulande an Bedeutung verloren, weil Nahrung ubiquitär vorhanden ist.
Trotzdem reagiert der Körper noch mit der Ausschüttung von Glückshormonen, wodurch Euphorie entsteht. Insofern wirkt das Fasten wie ein Antidepressivum. Körperlich wird nach dem Verzicht auf Nahrung Glykogen abgebaut, Körperfette werden mobilisiert und die gespeicherte Energie wird dem Körper zur Verfügung gestellt. Dadurch kann der Mensch, je nach Verfassung, bis zu 30 Tagen oder mehr Fasten. Gleichzeitig werden auch eingelagerte schädliche Substanzen wieder in den Stoffwechselprozess eingeschleust und können abgebaut und ausgeschieden werden. In allen Weltreligionen wurde und wird gefastet, meist eingebettet in Kontemplation und Gebete. Damit ging es nicht nur um das Fasten des Körpers, sondern auch das „Fasten“ des Gehirns und der Seele.
Es soll also nicht nur der Körper entschlackt werden, sondern auch die Seele. Dennoch muss man darauf achten, wie man fastet, jeder Körper ist anders, auch jede Persönlichkeit ist anders. Zu viel Fasten kann auch wieder krank machen - wie immer, geht es um die gesunde Balance. Eins jedoch steht fest, in bestimmten Abständen zu verzichten, zu fasten, ist für Körper und Seele gut. Nicht nur der Stoffwechsel stellt sich um, entzündliche und schädliche Substanzen werden ausgeschüttet, sondern auch das Gehirn reagiert mit Euphorie. Auch Altersprozesse werden reduziert und degenerativen Erkrankungen wird vorgebeugt.
Auch ist es für die Seele gut, zu wissen, dass man verzichten kann und nicht alles braucht. Dabei entsteht Unabhängigkeit und das gibt das Gefühl der Freiheit. Man weiß, dass man nicht süchtig ist und auch verzichten kann, so entsteht ein neues Gefühl des Genusses. Insofern ist es auch gut, zeitweise auf die digitale Welt oder andere Dinge zu verzichten – und zu überprüfen, ob es vielleicht sinnvollere, erfüllendere Möglichkeiten gibt mit seiner Zeit umzugehen. Insofern gibt es vielleicht auch ein gesundes Dopaminfasten, ein gesundes Netflix- oder Smartphonefasten, ein gesundes Flugreisenfasten, Fleischfasten, Alkoholfasten, Zigarettenfasten… Jeder weiß für sich selbst am besten, auf was er ab und zu verzichten sollte.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 auf Seite 12.
Zur Person
Professor Dr. Aglaja Stirn ist Direktorin des Instituts für Sexualmedizin und forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Gruppentherapie, Psychoanalyse und Sexualtherapie an der Universität Kiel, Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP.
www.zip-kiel.de