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Liegt die Lösung im Supermarkt?

ESSEN FÜRS HIRN?

Berichte häufen sich in der Presse, nach denen der Genuss von Joghurt einer Parkinson-Erkrankung vorbeugen oder diese sogar heilen soll. Kann es so einfach sein?

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Kennen Sie das auch? Die ständige Flut von Berichten in der Presse über angebliche neue Therapien zur Heilung schwerer Erkrankungen? Mitunter ist es schwer zu entscheiden, ob es sich bei der Meldung um einen echten medizinischen Durchbruch oder lediglich um Sensationsjournalismus handelt, denn leider werden häufig gerade kleine, durchaus vielversprechende Befunde aus der Grundlagenforschung, die in der Fachliteratur noch sachlich dargestellt sind, in populärwissenschaftlichen Artikeln übertrieben optimistisch, weil nur so publikumswirksam, wiedergegeben.

Nehmen wir als Beispiel einmal aktuelle Berichte über die angebliche Heilwirkung von Joghurt bei Parkinson unter die Lupe: Parkinson ist gekennzeichnet durch das Absterben Dopamin-produzierender Zellen in einem bestimmten Bereich des Mittelhirns, der Substantia nigra. Tatsächlich konnte eine Gruppe von Forschern aus Dresden, Zürich und München zeigen, dass D-Laktat und Glykolat (Glykolsäure), Substanzen, die natürlicherweise in bestimmten Joghurtsorten oder unreifem Obst, Zuckerrohr sowie Rosmarin vorkommen, diesem Absterben durch Stabilisierung der Mitochondrienaktivität entgegenwirken können.

Dass Parkinson zumindest bei manchen Patienten tatsächlich auf einem Mangel an diesen Substanzen beruhen könnte, wird überdies dadurch nahegelegt, dass das Gen, welches das Enzym Glyoxalase kodiert, bei den Betroffenen geschädigt ist. Dieses Enzym katalysiert die Umsetzung bestimmter, potenziell mitochondrienschädigender Stoffwechselprodukte zu D-Laktat und Glykolat, weshalb sein Fehlen sich gleich doppelt nachteilig auf die Neurone in der Substantia nigra auswirken würde: Die schädigende Wirkung der Stoffwechselprodukte bliebe erhalten, die protektive Wirkung durch D-Laktat und Glykolat bliebe dagegen aus.

Wenngleich dieser vielversprechende Befund durchaus mögliche neue Therapieansätze aufzeigt, macht es aber keinen Sinn, nun alle Parkinsonpatienten in die Supermärkte zu schicken – und zwar aus einer Reihe von Gründen, wie auch die Deutsche Parkinson Gesellschaft in einer Stellungnahme anmerkt.

Zum einen sind die Untersuchungen bislang nur an Zellkulturen eines Maus-Modells durchgeführt worden, sodass die Übertragbarkeit auf den Menschen noch unklar ist. Zum anderen ist der genaue Wirkmechanismus von D-Laktat und Glykolat auf die Mitochondrienfunktion noch ungeklärt, sodass offen bleibt, welche Dosierungen benötigt würden und ob man diese überhaupt durch normale Nahrungsaufnahme erreichen könnte.

Und schließlich enthält der derzeit handelsübliche Joghurt meist nicht D-Laktat, welches nur von bestimmten Milchsäurebakterien produziert wird, sondern das spiegelbildliche, aber hier unwirksame L-Laktat. Wir müssen uns also weiter in Geduld üben, die nächsten Forschungsergebnisse der Kollegen abwarten und sollten nicht überstürzt unsere Ernährungsgewohnheiten ändern – aber so machen Sie das ja sicher auch…

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 auf Seite 12.


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