Entschlacken
EINMAL ENTGIFTEN, BITTE!
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Gerade im Frühjahr, wenn Diäten Hochkonjunktur haben, machen viele Menschen auch Entgiftungs- und Entschlackungskuren. Sie versprechen sich eine doppelte Wirkung: Kampf dem Winterspeck und Generalsanierung des Körpers. Dabei setzen die meisten dieser Kuren auf eine Sanierung des Darms, wo sich schädliche Abfallprodukte ansammeln sollen.
Hierzu werden verschiedene Kuren angeboten. Ihnen allen gemein ist die Kombination aus extrem kalorienreduzierter Ernährung und Darmreinigung, die entweder mit Klistieren oder Abführmitteln, wie etwa Glaubersalz erfolgt. Darüber hinaus gibt es Detoxprodukte wie Tees, Pulver oder gar Pflaster, die die schädlichen Stoffe aus dem Körper herausziehen sollen.
Heilfasten Die Idee mit dem Entschlacken stammt von Otto Buchinger, einem deutschen Arzt, der das Heilfasten begründete. Dabei wird dem Körper mittels Brühe und Säften nur ein geringes Maß an Nährstoffen zugeführt, um den Stoffwechsel zu entlasten. Gleichzeitig wird der Darm mehrmals mithilfe von Einläufen gereinigt. Hierfür erfand Buchinger das Bild der „Schlacke“, denn wie ein Ofenrohr sei auch der Darm voll mit Abfallprodukten und müsse daher regelmäßig davon gereinigt werden.
Noch heute ist das Heilfasten sehr beliebt. Viele Menschen halten es über Wochen durch – teilweise sogar ohne ärztliche Betreuung. Doch das ist ausgesprochen gefährlich. Etwa zwei bis drei Tage nach Beginn des Fastens schaltet der Organismus auf den Hungerstoffwechsel um, was den Energieverbrauch stark drosselt. Gleichzeitig werden, noch vor den Fettreserven, die Eiweißreserven des Körpers aufgezehrt, wodurch Muskelmasse verloren geht.
Langes Heilfasten kann somit sehr gefährlich sein, da je nach Konstitution eventuell auch der Herzmuskel angegriffen wird. Außerdem kann es zu Mangelerscheinungen kommen, da der Körper nicht genug Vitamine und Mineralstoffe bekommt. Das Bild des Entschlackens selbst ist zwar griffig, aber trotzdem wissenschaftlicher Unsinn. Denn der Darm entschlackt sich regelmäßig von selbst: So sorgt seine Peristaltik dafür, dass der Nahrungsbrei den Darm reibungslos passiert, während sich die Darmzotten durch rasche Zellteilung ständig erneuern.
Eine ständige Manipulation dieser natürlichen Tätigkeit durch Klistiere oder wochenlange Zufuhr von Abführmitteln kann die Darmtätigkeit jedoch aus der Balance bringen oder zu Entgleisungen des Elektrolythaushaltes führen.
Schrothkur Sie vermittelt einen ähnlichen Ansatz wie das Heilfasten, wobei hier jedoch der Körper „entgiftet“ und nicht „entschlackt“ werden soll. Dazu wird eine mehrwöchige Kur durchgeführt, in der es abwechselnd Trink- und Trockentage gibt. Die Grunddiät ist salz- und fettarm und besteht hauptsächlich aus Brei sowie gekochtem Gemüse. Während der Trockentage wird dem Körper weniger als ein halber Liter Flüssigkeit zugeführt. Mediziner lehnen diese Kur als gesundheitsschädlich ab, denn dem Körper werde über einen langen Zeitraum eine Mangeldiät verordnet. Zudem würde der Flüssigkeitshaushalt durch die Trockentage strapaziert. Für eine „Entgiftung“ des Körpers gäbe es ebenfalls keine Anhaltspunkte.
pH-Wert außer Balance Eine spezielle Form des Fastens ist die Basenkur. Ihre Befürworter gehen davon aus, dass unser Körper durch Fehlernährung, mangelnde Bewegung und Umweltgifte chronisch „übersäuert“ ist. Um den Säure-Basen- Haushalt wieder ins Lot zu bringen, müsse somit eine basische Ernährung eingehalten werden. Dazu gehören vor allem Kartoffeln, Gemüse, Obst und Trockenfrüchte. „Säurelieferanten“ wie Zucker, Alkohol, Weißbrot und Fleisch sollen gemieden werden.
GIFTE UND SCHLACKEN
Wer möchte solche schädlichen Abfallprodukte schon in seinem Organismus haben? Daher spricht die Vorstellung, den Körper von innen säubern zu können, viele Menschen an. Doch worum handelt es sich bei diesen Giftstoffen und Schlacken überhaupt? Anhänger von Fastenkuren behaupten, es seien gefährliche Stoffwechselprodukte, die wir durch Fehlernährung, Umweltgifte und Bewegungsmangel anreichern, und die uns auf Dauer krank machen. So sollen sie für viele Zivilisationskrankheiten wie Gicht, Burnout, Diabetes, Allergien, ja sogar Krebs verantwortlich sein.
Klar ist hierbei, dass die Grundidee vernünftig ist, denn man verzehrt gesunde Lebensmittel und meidet ungesunde. Doch benötigt man dafür auch noch Basenpulver oder Basentees, die meist aus Mineralsalzverbindungen, Laktose und Saccharose bestehen und die Bestandteil der Säure-Basen-Kur sind?
Nein, sagen die einen, denn es gibt zwar eine krankhafte Übersäuerung des Körpers, die Azidose, sie kommt aber nur selten vor und ist meist eine lebensgefährliche Entgleisung des Stoffwechsels, die intensivmedizinische Betreuung erfordert. Ja, sagen die anderen. Durch Fehlernährung kommt es zu einer geringfügigen Abweichung des physiologischen pH-Wertes, zur latenten Übersäuerung, was zu chronischen Erkrankungen führen kann.
Sekundärer Nutzen Eine wissenschaftliche Grundlage für den Erfolg von Entgiftungsund Entschlackungskuren gibt es nicht. Trotzdem schwören viele Menschen, dass sie ihnen geholfen haben. Das liegt jedoch nicht an der Kur selbst, sondern eher daran, dass die Betroffenen sich dadurch intensiv mit ihrer Lebensweise auseinandersetzen. Dazu kommt, dass beim Heilfasten durch Aktivieren des Hungerstoffwechsels nach einigen Tagen Endorphine ausgeschüttet werden. Diese Hormone lösen Glücksgefühle aus, um dem Organismus zu helfen, mit dem erhöhten Stress durch die Mangelernährung fertig zu werden.
Der Körper kann sich meist selbst entgiften Ein Entschlacken und Entgiften durch äußere Einwirkung ist sinnlos, sofern es nicht medizinisch indiziert ist. Schädliche Stoffwechselprodukte werden in der Leber entgiftet und über Darm und Nieren ausgeschieden. Methoden, die eine Darmsanierung als unabdingbar für die körperliche Gesundheit halten, sollte man daher kritisch gegenüberstehen. Generell sind einseitige und übertriebene Hungerkuren, die darauf abzielen, den Körper zu reinigen, mit Vorsicht zu genießen, denn sie können dem Körper mehr schaden als nutzen. Über einen längeren Zeitraum sollten sie, wenn überhaupt, nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden. Spezielle Detoxprodukte zeigen ebenfalls keinen wissenschaftlichen Nutzen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 110.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist