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Interaktionen

EINFACH NICHT FÜREINANDER BESTIMMT

Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln oder zwischen Arznei- und Lebensmitteln sind keine Seltenheit. Kennen Sie die Klassiker unter den Interaktionen und checken Sie die Risiken bei jedem Kunden?

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Bei gleichzeitiger Anwendung können sich verschiedene Arzneistoffe untereinander beeinflussen. Dabei kann es zu unerwünschten, aber auch zu erwünschten Interaktionen kommen, die man sogar therapeutisch nutzen kann. Ein Beispiel dafür ist die bei der Parkinson-Therapie genutzte Kombination von L-Dopa und einem peripheren Decarboxylasehemmer, der dafür sorgt, dass die Umwandlung von L-Dopa zu Dopamin erst im Zentralen Nervensystem (ZNS) geschieht. Die eigentlich wirksame Substanz Dopamin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und würde sonst gar nicht erst an den Wirkort gelangen.

Die Vorstufe, die Aminosäure L-Dopa, kann es. Ein kluger Schachzug, die beiden Substanzen miteinander zu kombinieren! Auch die Wirkung eines Antidotes zusammen mit dem entsprechenden Arzneistoff oder Gift kann als Arzneimittelinteraktion gesehen werden – beispielsweise der Effekt des Opioidantagonisten Naloxon bei einer Opioidvergiftung oder der Einsatz von Physostigmin bei einer Vergiftung mit Tollkirschen. Meist sprechen wir jedoch im Zusammenhang mit Wechselwirkungen von unerwünschten Effekten. Dies können – je nachdem wie die beiden Substanzen interagieren – eine Wirkungsabschwächung, aber auch eine verstärkte Wirkung mit entsprechenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) sein.

Bei weitem nicht alle theoretisch denkbaren Wechselwirkungen sind allerdings auch klinisch relevant. Einige sind nur theoretisch denkbar, haben aber in der Praxis noch nie zu einem Problem geführt. Wie man sich leicht vorstellen kann, steigt die Wahrscheinlichkeit von Wechselwirkungen mit der Zahl der eingenommenen Medikamente. Die Polymedikation bei älteren Patienten erhöht das Risiko. So nehmen 65-jährige Patienten im Durchschnitt fünf Arzneimittel zu sich. Die Gruppe der 75- bis 84-Jährigen nimmt im Schnitt sechs oder mehr, in Einzelfällen bis zu zwölf Arzneimittel ein.

Häufig werden Wechselwirkungen dann gar nicht als solche erkannt. Manchmal werden die Beschwerden als neues Symptom einer Erkrankung oder gar als neue Erkrankung fehlinterpretiert. Wechselwirkungen treten nicht nur dann auf, wenn man zwei Arzneimittel tatsächlich zeitgleich einnimmt. Es hängt vom Mechanismus ab, der dahintersteckt. In circa 20 Prozent der beobachteten Interaktionen ist der genaue Mechanismus unbekannt. Ist er aber bekannt, so ist er auch vorhersagbar und damit vermeidbar. Dennoch sind Metaanalysen zufolge sieben Prozent aller Krankenhausaufnahmen die Folge von Arzneimittelwechselwirkungen.

Heute wird bereits in der präklinischen und klinischen Entwicklung eines Arzneistoffes das Interaktionspotenzial zum Beispiel aufgrund seines Verhaltens an metabolisierenden Enzymen charakterisiert. Allerdings werden auch heute noch nach der Zulassung bis dahin nicht erfasste Arzneimittelinteraktionen beobachtet. Mit steigenden und immer komplexeren Anforderungen für die Zulassung neuer Arzneimittel liegen Hinweise auf viele potenzielle Interaktionen aber bereits vor der Marktzulassung vor. Wechselwirkungen können in jeder Phase, die der Arzneistoff im Köper durchläuft, auftreten. Man unterscheidet zum besseren Verständnis des zugrundeliegenden Mechanismus pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionen.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen Die Pharmakokinetik umfasst, vereinfacht ausgedrückt, alles, was der Organismus mit dem Arzneistoff macht. Es beginnt mit der Freisetzung des Arzneistoffes aus der Arzneiform, gefolgt von der Resorption, der Verteilung im Körper, dem Um- oder Abbau, also der Metabolisierung und endet mit der Ausscheidung. Während dieser ganzen pharmakokinetischen Phase kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Stoffen kommen. Die Vorhersage dieser Wechselwirkungen ist schwierig, da sie häufig nicht arzneistoffspezifisch sind.

Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln (Beispiele)
ArzneimittelArzneimittelWechselwirkung
Blutdrucksenker (Betablocker, ACE-Hemmer, Diuretika) wie Metoprolol, Lisinopril oder FurosemidEntzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac Erhöhung des Blutdrucks
Gerinnungshemmer wie PhenprocoumonEntzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac oder Acetylsalicylsäure Verstärkte Wirkung (erhöhte Blutungsneigung)
Bronchienerweiternde Asthmasprays oder -inhalatoren beispielsweise mit Salbutamol Betablocker (Blutdrucksenker oder Mittel gegen erhöhten Augeninnendruck) wie Metoprolol oder Timolol Auslösen eines Asthmaanfalls
KaliumsalzeEntwässerungsmittel / Blutdrucksenker (Kaliumsparende Diuretika) wie Triamteren oder Amilorid Überhöhter Kaliumspiegel kann zu Blutdruckabfall oder Muskelschwäche führen
Osteoporosemittel wie Alendron-, Risedron- oder IbandronsäureMineralstoffe wie Magnesium oder CalciumVerminderte Wirkung des Osteoporosemittels bei zeitgleicher Einnahme
Mineralstoffe wie Magnesium oder CalciumAntibiotika wie Ciprofloxacin, Levofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacinl Verminderte Wirksamkeit des Antibiotikums bei zeitgleicher Einnahme
Schilddrüsenhormone wie L-ThyroxinMineralstoffe wie Magnesium oder Calcium Verminderte Wirkung des Schilddrüsenhormons bei zeitgleicher Einnahme
Mineralstoffe wie Magnesium oder CalciumAntibiotika wie Doxycyclin oder TetracyclinVerminderte Wirksamkeit des Antibiotikums bei zeitgleicher Einnahme
Entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR), wie Ibuprofen oder Diclofenac Cortisonpräparate zum Einnehmen wie PrednisolonErhöhte Gefahr für Magenblutungen
Cholesterinsenker (Statine) wie Simvastatin, Atorvastatin, LovastatinAntibiotika wie Erythromycin oder Clindamycin Verminderte Wirkung des Cholesterinsenkers

Wechselwirkungen bei der Resorption Ein typisches Beispiel dafür ist die zwischen basischen oder sauren Arzneistoffen und Antazida. Das Antazidum erhöht den pH-Wert im Magen, wodurch sich die Resorptionsquote der anderen Arzneistoffe verändert. Da sehr viele Arzneistoffe schwache Säuren oder Basen sind, gilt die allgemeine Empfehlung, generell einen Abstand von zwei Stunden zur Einnahme des Antazidums einzuhalten. Auch die Verlängerung oder Verkürzung der Verweildauer im Magen-Darm-Trakt durch ein Arzneimittel kann zu einer Wechselwirkung mit anderen Substanzen führen.

So können beispielsweise Laxanzien die Verweildauer anderer Arzneistoffe verkürzen, während Opioide sie durch ihre obstipierende Wirkung verlängern. Von Bedeutung in der Praxis sind auch Komplexbildungen. Entstehen bei der zeitgleichen Einnahme unlösliche und damit nicht mehr resorbierbare Komplexverbindungen, kann es zu Therapieversagen kommen. Bekannt ist die gleichzeitige Einnahme von Tetrazyklinen, Schilddrüsenhormonen oder auch Bisphophonaten zur Osteoporosetherapie mit mehrwertigen Metallkationen, wie Calcium-, Magnesium- oder Eisen-Ionen.

Die Kationen können nicht nur aus entsprechenden Mineralstoffpräparaten stammen, sondern auch aus Antazida oder aus Lebensmitteln, wie Milch und Milchprodukten. Deswegen ist der Hinweis darauf bei der Abgabe von Tetrazyklinen, Schilddrüsenhormonen und Bisphosphonaten so wichtig. Wird ein Abstand von zwei Stunden eingehalten, so treffen die Stoffe nicht aufeinander und die Gefahr ist gebannt. Breitspektrum-Antibiotika schädigen nicht nur pathogene Keime, sondern auch die physiologischen Darmbakterien.

Sie können dadurch den enterohepatischen Kreislauf jener Substanzen unterbrechen, die in der Leber konjugiert und anschließend im Darm wieder gespalten und erneut resorbiert werden. Solche Interaktionen betreffen zum Beispiel die weiblichen Sexualhormone, die dadurch vermehrt ausgeschieden werden und keine ausreichend hohen Blutspiegel erreichen. Es besteht die Gefahr einer unerwünschten Schwangerschaft trotz Einnahme der Pille. Hier nützt auch eine versetzte Einnahme mit einem Abstand von einigen Stunden nichts.

Auch das plötzliche Absetzen eines Arzneimittels kann zur veränderten Wirkung eines anderen führen.

Wechselwirkungen bei der Verteilung Bei der Distribution oder Verteilung eines Arzneistoffes geht es um seinen Transport mit dem Blutstrom. Je nach Durchblutung der Organe und Gewebe, der Durchlässigkeit der jeweiligen Membranen und der pH-Unterschiede zwischen Blut und Gewebe reichert sich das Pharmakon in den verschiedenen Geweben in unterschiedlicher Konzentration an. Auch die Eigenschaften des Arzneistoffes sind entscheidend. So spielen seine Molekülgröße, seine Löslichkeit und besonders die Bindung an Plasma- und Gewebsproteine eine große Rolle.

Wenn sich mehrere Pharmaka gleichzeitig im Blut befinden, können sie um die Bindungsstellen der Plasmaeiweiße konkurrieren. Dies geschieht sehr häufig. Wirklich relevant ist es aber nur bei Substanzen, die eine sehr hohe Eiweißbindung eingehen und gleichzeitig eine geringe therapeutische Breite aufweisen. Ein bekanntes Beispiel für eine durchaus relevante Wechselwirkung ist die zwischen einigen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), wie Acetylsalicylsäure (ASS) und oralen Antidiabetika vom Sulfonylharnstofftyp, wie Glibenclamid.

Oder NSAR und orale Antikoagulanzien, die als Vitamin K-Antagonisten fungieren, wie Phenprocoumon. Sie alle binden zu einem großen Teil an Plasmaproteine und verdrängen sich bei gleichzeitiger Einnahme gegenseitig. Damit liegt ein größerer Teil in der freien Wirkform vor. Ein Kunde, der regelmäßig Glibenclamid oder Phenprocoumon nimmt und auf eine bestimmte Dosis eingestellt ist, muss deshalb, insbesondere wenn er hohe Dosen eines Analgetikums nimmt, mit einer Hypoglykämie beziehungsweise verstärkten Blutungsneigung rechnen. Zwei kurze Fragen, nämlich: „Ist das Arzneimittel für Sie?“ und „Nehmen Sie noch weitere Arzneimittel ein?“, können Aufklärung bringen und den Kunden vor der Wechselwirkung schützen. Sie können ihm mit diesem Wissen dann zum Beispiel Paracetamol empfehlen, das nur eine Plasmaeiweißbindung von etwa 30 Prozent hat.

Wechselwirkungen bei der Metabolisierung In ganz ähnlicher Weise wie bei den Plasmaeiweißen kann es auch zu einer Konkurrenz um die Bindungsstellen der Enzyme kommen, die für den Metabolismus, also die Biotransformation, zuständig sind. Problematisch wird es besonders dann, wenn mehrere Arzneistoffe eingenommen werden, die alle in irgendeiner Form mit einem der Cytochrom-Isoenzyme interagieren. Viele Arzneistoffe sind nämlich nicht nur Substrate der CYP-Enzyme, sondern wirken gleichzeitig auch als Induktor oder Inhibitor.

So sind einige Wirkstoffe bekannt, die insbesondere CYP3A4 kompetitiv hemmen. Dazu zählen beispielsweise das Azol-Antimykotikum Ketokonazol, das Makrolidantibiotikum Clarithromycin und die aus diesem Grund mit vielen Arzneistoffen inkompatible Grapefruit beziehungsweise der daraus hergestellte Saft. Durch die Enzymhemmung werden andere Arzneistoffe, die gleichzeitig eingenommen werden und auch von CYP3A4 abgebaut werden, nun verlangsamt abgebaut, was zur Kumulation und Überdosierung führen kann.

Substanzen wie Carbamazepin oder die Barbiturate, aber auch Johanniskraut, bewirken dagegen eine Enzyminduktion. Das heißt, es werden bei regelmäßiger Einnahme mehr Enzyme dieses Typs gebildet. Der Abbau anderer Arzneistoffe, der ebenfalls über CYP3A4 läuft, beschleunigt sich also. Auch hier bringt eine um einige Stunden zeitversetzte Einnahme nichts. Im Gegensatz zur Hemmung tritt die Induktion deutlich verzögert ein. Erst zwei bis drei Wochen nach dem Beginn der Einnahme des Enzyminduktors wird das Maximum erreicht.

Die Wirkung kann bis zu vier Wochen nach Absetzen des auslösenden Stoffes anhalten. In den meisten Fällen ist es die Wirkverstärkung, die zu relevanten Interaktionen führt. Dass aber auch der Wirkverlust eines Arzneistoffs durch die induktive Wirkung eines anderen pharmakologisch relevant sein kann, zeigen Beispiele wie die Organabstoßung durch Ciclosporinabfall. Allgemein lässt sich sagen, dass von Wechselwirkungen bei der Metabolisierung besonders lipophile Arzneistoffe betroffen sind. Sie müssen ja am ehesten von CYP für die Ausscheidung vorbereitet werden.

Diese Pharmaka können andererseits – gerade durch ihre Lipophilie – besonders gut Membranen überwinden und in Gewebe oder ins ZNS eindringen. Wechselwirkungen dieser Art treten daher häufig bei Antiinfektiva, wie Virustatika, Azol-Antimykotika und Makrolidantibiotika auf, aber auch bei kardiovaskulär wirksamen Stoffen, wie Calciumkanal-Blockern und Betablockern sowie bei Psychopharmaka. Auch die Änderung der Lebensgewohnheiten, wie zum Beispiel der Umgang mit Alkohol oder Rauchen kann zu einer Veränderung von Arzneimittelwirkungen führen.

So bewirken die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die in großen Mengen beim Rauchen inhaliert werden, eine Induktion, also vermehrte Bildung von CYP1A-Enzymen. Das verstärkt den Abbau von Arzneimitteln, die darüber metabolisiert werden. Ein klinisch relevantes Beispiel ist das Neuroleptikum Clozapin. Es muss bei einem Raucher höher dosiert werden. Hört der Patient während der Behandlung mit dem Rauchen auf, kann es zur Überdosierung kommen.

Was bedeutet CYP3A4?

Die Cytochrome P450, abgekürzt einfach CYP genannt, sind eine Familie von Enzymen, die ubiquitär, also in praktisch allen lebenden Organismen vorkommen und wichtige physiologische Aufgaben beim Metabolismus körpereigener und körperfremder Substanzen erfüllen. Für uns spielen sie eine große Rolle beim Abbau von Arzneistoffen. Sie führen Sauerstoff in das Substrat ein, wodurch es besser wasserlöslich wird und schneller über die Niere ausgeschieden werden kann. Die CYP-Isoenzyme metabolisieren über die Hälfte der heute auf dem Markt befindlichen Arzneistoffe. Man gliedert die Cytochrome in Familien, Unterfamilien und zuletzt in die einzelnen Enzyme. Die Einteilung wird aufgrund von Ähnlichkeiten in der Aminosäuresequenz vorgenommen. Auf die Abkürzung CYP folgt eine Zahl für die Familie, ein Buchstabe für die Unterfamilie und eine weitere Zahl für das einzelne Enzym. Beim Menschen hat man etwa 60 verschiedene CYP-Isoenzyme gefunden. Für den Abbau von Arzneimitteln ist meist CYP3A4 zuständig. Es kann von allen CYP-Isoenzymen das breiteste Spektrum an Substraten metabolisieren. Zu finden sind die Cytochrome hauptsächlich in der Leber, einige jedoch auch im Darm, in der Niere und in der Lunge. CYP3A4 hat seinen Einsatzort neben der Leber auch im Darm.

Wechselwirkungen bei der Ausscheidung Hauptausscheidungsorgane für Pharmaka sind die Niere und der Darm. Hydrophile Stoffe werden leichter mit dem Urin renal eliminiert, während lipophilere Substanzen eher den Weg über den Darm nehmen. Verändert ein Arzneistoff den pH-Wert des Urins, so hat dies auch Einfluss auf die Ausscheidung über die Niere. Ebenfalls von Bedeutung ist die Beeinflussung sogenannter Effluxtransporter, die Stoffe aus der Zelle in den Extrazellulärraum heraustransportieren. So geht man davon aus, dass ASS diese Transportproteine kompetitiv hemmt und dadurch zum Beispiel die Ausscheidung von Methotrexat verringert.

Pharmakodynamische Wechselwirkungen Drückt man es auch hier vereinfacht aus, umfasst die Pharmakodynamik alles, was der Arzneistoff mit dem Organismus macht, also wie und über welche Mechanismen er wirkt. Pharmakodynamische Interaktionen sind solche, bei denen sich Pharmaka in ihrer Wirkung unmittelbar beeinflussen. Sie sind immer dann zu erwarten, wenn zwei oder mehr Wirkstoffe am gleichen Rezeptortyp, am gleichen Erfolgsorgan oder im selben Regelkreis synergistisch oder antagonistisch wirken. Bei pharmakodynamischen Wechselwirkungen handelt es sich in der Regel um die Effekte ganzer Wirkstoffklassen.

Man kann hier zur Vermeidung nicht einfach einen Arzneistoff gegen einen anderen aus der gleichen Klasse austauschen, wie das bei pharmakokinetischen Interaktionen häufig möglich ist. Ein Beispiel für einen Synergismus ist die Einnahme eines Sedativums und der gleichzeitige Genuss von Alkohol. Das Sedativum macht müde und fördert den Schlaf, der Alkohol verstärkt dies durch seine ebenfalls zentral dämpfende Wirkung. Es kann zu Benommenheit kommen. Ein Antagonismus liegt beispielsweise vor, wenn man gleichzeitig orale Antikoagulanzien, wie Phenprocoumon, und Vitamin K einnimmt.

Antikoagulanzien verlängern die Blutgerinnungszeit, indem sie die Synthese von Prothrombin und einigen Gerinnungsfaktoren hemmen. Für diese Reaktion ist Vitamin K notwendig. Phenprocoumon verhindert die Aktivierung des Vitamins. Werden jetzt große Mengen Vitamin K-haltiger Lebensmittel (vor allem grüne Gemüsesorten) gegessen oder Vitamin K eingenommen, so wird die Wirkung des Antikoagulans vermindert.

Vorsicht bei Therapieänderungen

Viele Interaktionen sind heute bekannt, aber nicht alle. Und nicht bei jedem Menschen äußert sich die Wechselwirkung gleich. Die unerwünschte Wirkung tritt meist in den ersten Stunden bis Tagen nach dem Beginn einer neuen Arzneimitteltherapie oder veränderter Konsumgewohnheiten auf. Hören Sie genau hin, wenn ein Kunde von unerwünschten Effekten spricht und fragen sie stets nach, ob er ein neues Arzneimittel nimmt oder eins abgesetzt hat. Ist eine Interaktion bekannt, gibt die ABDA-Datenbank Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Wechselwirkung durch Angriff am selben Rezeptor Das eingangs genannte Beispiel des Opioids und des Antagonisten am Opioidrezeptor zeigt sehr deutlich, was gemeint ist. Die eine Substanz verhält sich als Agonist. Sie hat eine Affinität zum Rezeptor, bindet daran und löst damit einen Effekt aus, beispielsweise eine starke analgetische Wirkung. Die andere Substanz – der Antagonist - verfügt ebenfalls über eine Affinität zum Rezeptor und bindet auch an ihn. Dies führt allerdings zu keiner Reaktion, es blockiert den Rezeptor lediglich für den Agonisten.

Werden beide Substanzen gleichzeitig zugeführt, wird je nach Dosierung die Wirkung des Agonisten abgeschwächt oder ganz aufgehoben. Ein weiteres Beispiel ist die gleichzeitige Einnahme eines Beta-Sympathomimetikums, wie Salbutamol, und eines Betablockers. Salbutamol ist ein Beta-2-Sympathomimetikum, das seine Wirkung wegen der hohen Dichte an Beta-2-Rezeptoren vor allem an der glatten Muskulatur der Bronchien entfaltet. Es führt zu einer Erschlaffung der Bronchialmuskulatur und damit zu einer Erweiterung der Bronchien und wird daher beim akuten Asthma-Anfall eingesetzt.

Wird nun gleichzeitig ein Betablocker, vielleicht wegen eines erhöhten Blutdruckes, gegeben, kann es zur Wechselwirkung kommen. Bei den Rezeptoren am Herzen handelt es sich zwar um Beta-1-Rezeptoren, weshalb man bevorzugt Betablocker mit hoher Selektivität zu diesem Subtyp einsetzt. Eine hundertprozentige Selektivität gibt es hier jedoch nicht und insbesondere ältere Betablocker, wie Propranolol, wirken an beiden Subtypen. Mögliche Effekte der Wechselwirkung sind eine Abschwächung der Salbutamol-Wirkung im Asthma-Anfall.

Erstellen Sie für die gängigen Arzneistoffe in der Selbstmedikation eine Übersicht mit den wichtigsten Wechselwirkungen und platzieren Sie sie an einen für die Mitarbeiter gut einzusehenden Ort abseits des HV-Tisches.

Wechselwirkung durch Angriff am selben Organ Eine Hypercalciämie und genauso eine Hypokaliämie verstärken die Wirkung von herzwirksamen Glykosiden. Diese bewirken durch die Hemmung der Na+/K+-ATPase einen Konzentrationsanstieg von Calcium-Ionen in der Herzmuskelzelle und eine Verminderung der Konzentration der Kalium-Ionen. So kommt es unter anderem zur Steigerung der Kontraktionskraft des Herzmuskels und zur Verlangsamung der Herzfrequenz. Der unverhältnismäßige Einsatz von Laxanzien kann zu einem Kaliumverlust führen, der die Wirkung steigert – ebenso die Gabe von Calcium in hohen Dosen.

Da herzwirksame Glykoside nur eine geringe therapeutische Breite besitzen, ist rasch mit toxischen Wirkungen zu rechnen. Die gleichzeitige Gabe von Phenprocoumon und Acetylsalicylsäure führt nicht nur, wie bereits beschrieben, zu einer Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung und damit zu einer pharmakokinetischen Wechselwirkung. Sie wirken auch beide im Blut. Phenprocoumon hemmt die Blutgerinnung, während ASS die Thrombozytenaggregation verhindert. Dadurch wird die Blutungsneigung erhöht.

Wechselwirkung im selben Regelkreis Der bekannteste Regelkreis ist wohl das vegetative Nervensystem. Sympathikus und Parasympathikus haben an vielen Organen gegensätzliche Wirkungen. Bei der Einnahme von zwei Arzneistoffen, von denen eines auf den Sympathikus und das andere auf den Parasympathikus wirkt, kann es auch hier zu einer Interaktion kommen. Ein Beispiel wäre die Kombination eines Betablockers mit einem Parasympatholytikum, wie Butylscopolamin.

Der Betablocker ist ein Antagonist am Sympathikus und wird unter anderem eingenommen, um bei Herzerkrankungen den Puls nach oben zu begrenzen. Butylscopolamin blockiert die Acetylcholin-vermittelte Erregungsübertragung des Parasympathikus und wird bei Krämpfen der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt eingesetzt. Da aber eine Aktivierung des Parasympathikus auch zur Senkung der Herzfrequenz führt, kann seine Blockade die Herzfrequenz heraufsetzen und die Wirkung des Betablockers abschwächen.

Medikamente auf Interaktionen prüfen Viele Interaktionen sind bekannt, aber nicht alle kann man im Kopf haben. Die gängigen Apothekenkassenprogramme haben einen integrierten Interaktions-Checker auf Grundlage der ABDA-Datenbank. Diese Datenbank ist eine der umfangreichsten zu Interaktionen mit Schwerpunkt auf den in Deutschland eingesetzten Medikamenten. Auch Wechselwirkungen zwischen Fertigarzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln sind hier hinterlegt. Die Datenbank wird 14-tägig aktualisiert.

Die Warnungen enthalten immer Hinweise zum Schweregrad der Interaktion und häufig auch Empfehlungen zum weiteren Vorgehen wie zum Beispiel Einnahmehinweise, Rücksprache mit dem Arzt oder Verweigerung der Abgabe. Teilweise wird auch der Hintergrund der Wechselwirkung erklärt. Das Programm überblickt allerdings nur den jeweils aktuellen Verkaufsvorgang. Wenn das Einverständnis für die Aufnahme in die Kundendatei der Apotheke vorliegt, können meist auch noch Informationen zu früheren Einkäufen einbezogen werden. Nicht mehr nachvollziehbar wird es, wenn die Arzneimittel in unterschiedlichen Apotheken gekauft werden. Deshalb muss vor allem bei Laufkunden stets gefragt werden, ob sie weitere Arzneimittel einnehmen.

Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Nahrungsmitteln
LebensmittelArzneimittelWechselwirkungen vermeiden
Milch und MilchprodukteEinige Antibiotika, Medikamente gegen Knochenschwund, EisenpräparateZwei Stunden Abstand zwischen Medikament und dem Verzehr von Milchprodukten
Goji-BeerenEinige gerinnungshemmende MedikamenteAuf Goji-Beeren und Zubereitungen mit diesen Beeren verzichten
Grapefruit (Frucht und Saft)Verschiedene MedikamenteAuf Grapefruit und Grapefruitsaft verzichten
Lakritze (mit Extrakt der Süßholzwurzel, auch in Tees)Blutdrucksenkende MittelPatienten mit Bluthochdruck sollten wenig oder keine Lakritze essen
Grüne Gemüse mit Vitamin K (Spinat, Brokkoli)Einige gerinnungshemmende Medikamente (Vitamin-K-Antagonisten) z. B. PhenprocoumonKeine abrupte Umstellung der Ernährung – grüne Gemüse nur in normalen Mengen essen
Alkohol Verschiedene Medikamente, z. B. einige Psychopharmaka und SchlafmittelAuf Alkohol verzichten
Citrathaltige Getränke wie Limonaden, Fruchtsäfte, WeineSäurebindende Mittel (Antazida), die bei Magenbeschwerden (z. B. Sodbrennen) eingenommen werden und die Aluminiumsalze enthaltenZwei Stunden vor und nach der Medikamenteneinnahme auf diese Getränke verzichten
Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee, Cola, schwarzer TeeMedikamente mit Theophyllin gegen Asthma oder chronische Bronchitis, EisenpräparateWährend der Einnahme vollständig auf koffeinhaltige Getränke verzichten
Lang gelagerte, eiweißreiche Lebensmittel wie Salami, Käse, Suppenwürfel, SojasauceVerschiedene Medikamente gegen Depressionen und die Parkinson-KrankheitNur kleine Mengen zu sich nehmen oder ganz darauf verzichten
RauchenVerschiedene Medikamente wie Antibabypille, einige Mittel gegen Asthma, Depressionen, ParkinsonZigarettenrauch steigert den Abbau mancher Wirkstoffe in der Leber und erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Ganz auf das Rauchen verzichten.

Wann müssen Sie handeln? Bei allen laut ABDA-Datenbank als schwerwiegend eingestuften Interaktionen muss eingegriffen werden. Wenn bereits die zeitlich versetzte Einnahme Abhilfe schafft, wie zum Beispiel bei den Bisphosphonaten und Calcium, können Sie dies dem Kunden erklären. Bei Arzneimitteln auf Rezept muss ansonsten mit dem verschreibenden Arzt Rücksprache gehalten werden. Bei mittelschweren Interaktionen ist es Ermessenssache des Arztes. Die Kombination führt zwar zu therapeutischen Schwierigkeiten, doch bei sorgfältiger Überwachung des Patienten ist die Kombination möglich.

Auch hier müssen Sie oder der Apotheker Rücksprache halten. Bei als geringfügig eingestuften Wechselwirkungen können etwas verstärkte oder verminderte Wirkungen auftreten. Die Wechselwirkungen können aber auch nur einen Personenkreis mit bestimmten Risikofaktoren betreffen. Hier ist zu klären, ob diese Risikofaktoren vorliegen. Alle Patienten, die mindestens drei Medikamente dauerhaft einnehmen müssen, haben inzwischen einen Anspruch auf einen schriftlichen Medikationsplan von ihrem Arzt. Apotheker dürfen diesen Plan ergänzen.

Ideal ist diese Form noch nicht, vor allem weil die Fachärzte nicht automatisch die von ihnen verschriebenen Medikamente in die Liste eintragen. Auch OTC-Arzneimittel werden hier nicht eingetragen. Zusätzlich bieten viele Apotheken schon jetzt eine Medikationsanalyse an. Diese Dienstleistung ist in der Regel kostenpflichtig und wird von den Krankenkassen nicht übernommen.

Interaktionsmanagement Wichtig ist es natürlich, dass jede PTA und jeder Apotheker die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel richtig nutzen kann. Sinnvoll ist es aber auch, in der Apotheke zusätzlich eine Übersicht über häufig vorkommende Wechselwirkung zu erstellen. Dabei kann man sich auf die sogenannten Schnelldreher, also OTC-Arzneimittel, die besonders häufig verkauft werden und die ein erhöhtes Interaktionspotenzial haben, beschränken. So können Sie sich in der zunächst unüberschaubar wirkenden Zahl möglicher Wechselwirkungen auf relevante „Hauptproblemfälle“ beschränken. Die „Beratungsrenner“ müssen zunächst einmal individuell für die Apotheke identifiziert werden.

Dann sollten für diese Arzneimittel kritische Arzneimittelkombinationen und Patientengruppen ermittelt werden. Auch zielgerichtete Fragen, die der Beratende dem Kunden stellt, können schon vorformuliert werden. Bei einem Großteil der möglichen Interaktionen geht es um Analgetika oder Analgetika-Kombinationen, was aber nicht daran liegt, dass ASS und andere NSAR mit mehr Arzneistoffen Wechselwirkungen eingehen als andere Arzneistoffe. Vielmehr gehören sie zu den am häufigsten in der Selbstmedikation gekauften Arzneimitteln. Sie können daher in jeder Apotheke als Beratungsrenner klassifiziert und es können mögliche Interaktionen in den Fokus gerückt werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 34.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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