Raucherentwöhnung
EINFACH DAMIT AUFHÖREN!
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Über 100 000 Menschen sterben hier zu Lande jährlich an den Folgen des Tabakkonsums. Rauchen ist der größte Risikofaktor für Herzinfarkte und Krebserkrankungen, allen voran Lungenkrebs. Der Verlauf chronischer Krankheiten, wie zum Beispiel Multipler Sklerose, Diabetes oder Asthma, wird durch das Rauchen ungünstig beeinflusst. Es kann zu erektiler Dysfunktion führen, zu fahler, faltiger Haut, schlechten Zähnen und Mundgeruch.
Doch nicht nur gesundheitlich, auch im wörtlichen Sinne zahlt man einen hohen Preis. Wer ein Päckchen am Tag raucht, investiert in seinem Leben ungefähr den Gegenwert eines Luxusklasseautos in Zigaretten. Und seit das Rauchverbot in Gaststätten eingeführt wurde, sieht man kaum noch Menschen in der Öffentlichkeit rauchen. Plötzlich sind die stigmatisiert, die es trotzdem noch tun – Rauchen ist nicht mehr cool, sondern nur noch verpönt. Es gibt also genügend vernünftige Gründe, mit dem Rauchen einfach aufzuhören – und etwa 80 Prozent der Raucher haben das auch schon mindestens ein Mal im Leben versucht.
Was Zigaretten so gefährlich macht Tabakprodukte enthalten neben dem Tabak bedenkliche Zusatzstoffe, unter anderem Teer, Kondensat, Formaldeyhd und Blausäure. Viele davon sind erwiesenermaßen krebserregend oder stehen im Verdacht, Krebs auszulösen. Doch selbst ein natürlicher Zusatz wie Zucker, der zusammen mit Ammoniak das Raucherlebnis weicher machen soll, bildet bei der Verbrennung krebserzeugende Aldehyde.
WAS PASSIERT NACH DER LETZTEN ZIGARETTE?
+ Nach einer Viertelstunde: Der Blutdruck normalisiert sich
+ Nach zwei Tagen: Die Geschmacksnerven arbeiten wieder normal
+ Nach drei Monaten: Die Lunge arbeitet merklich besser
+ Nach einem Jahr: Das Risiko für einen Herzinfarkt sinkt
+ Nach zehn Jahren: Die Lunge hat sich komplett regeneriert
Der gefährlichste Inhaltsstoff befindet sich jedoch im Tabak selbst: Nikotin, ein Nervengift, das zur Verengung von Blutgefäßen und Bluthochdruck führt. Es ist eine der am schnellsten süchtig machenden Substanzen und gelangt über den Rauch in die Lunge und von dort in die Blutbahn. Dabei kann es in kürzester Zeit die Blut-Hirn-Schranke überwinden und ist bereits sieben Sekunden nach dem Zug an der Zigarette im Gehirn nachweisbar.
Dort beeinflusst es eine breite Palette an Neurotransmittern, die zum größten Teil für positives Erleben zuständig sind, zum Beispiel Endorphine, die Glücksgefühle auslösen, oder Dopamin, das das Belohnungszentrum im Gehirn stimuliert. Rauchen gaukelt dem Gehirn also tatsächlich Glück und Befriedigung vor. Jeder Zug lässt den Nikotinspiegel sprunghaft ansteigen, es kommt zum „Nikotinkick” – und dieser wird für die Sucht verantwortlich gemacht.
Körperliche und psychische Abhängigkeit Erstere manifestiert sich in Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schlafstörungen und Kreislaufproblemen. Die psychischen Auswirkungen sind Gereiztheit und depressive Verstimmungen. Diese kombinierte Abhängigkeit ist für die meisten Raucher zu viel und führt schnell zu einem Rückfall.
Aufhören, aber wie? Die „Schlusspunktmethode” kennen fast alle: Dabei wird das Rauchen von einer auf die andere Minute komplett eingestellt. Sie ist allerdings nur für sehr willensstarke Menschen geeignet, denn diese müssen gleichzeitig die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen in den Griff bekommen. Daher hat diese Methode auch die geringsten Aussichten auf langfristigen Erfolg. Statistisch gesehen gilt außerdem: Wer alleine versucht, aufzuhören, hat ein mehr als doppelt so hohes Risiko, rückfällig zu werden als jemand, der sich dabei von einem Arzt oder Psychologen begleiten lässt.
Nikotinersatztherapie Mit ihr bekämpfen starke Raucher zuerst einmal die körperlichen Entzugserscheinungen. Dazu wird das Nikotin über Pflaster, Kaugummis, Nasenspray oder Lutschpastillen zugeführt und über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten langsam ausgeschlichen. Während dieser Zeit soll der Raucher den Griff zur Zigarette „vergessen”, ohne körperliche Entzugserscheinungen erleiden zu müssen.
Das Nikotinnasenspray ist hoch dosiert und eignet sich daher für starke Raucher, Kaugummis und Lutschpastillen sind eher für Raucher geeignet, die ihren Nikotinspiegel immer gleichmäßig hoch halten, denn mit der oralen Aufnahme können sie die Menge am besten regeln. Pflaster geben das Nikotin über einen längeren Zeitraum kontinuierlich an den Körper ab, dadurch fehlt der „Nikotinkick”. Die Pflaster gelten daher als Ersatzpräparat mit dem geringsten Suchtpotenzial.
Eine Nikotinersatztherapie kann den Einstieg in den Ausstieg erleichtern, hat jedoch ohne eine begleitende Veränderung des Verhaltens ebenfalls wenig Aussicht auf langfristigen Erfolg. Wichtig: Während einer Nikotinersatztherapie darf man auf keinen Fall rauchen, da sonst die Gefahr einer Überdosierung und somit einer Vergiftung besteht!
Akupunktur Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Der Akupunkteur sticht ein paar Nadeln und man versteht gar nicht mehr, was man jemals an Zigaretten gefunden hat. So einfach ist es allerdings nicht, denn wissenschaftlich erwiesen ist die Wirksamkeit von Akupunktur als Rauchentwöhnung nicht. Jedoch zeigen viele Studien, dass dabei häufig ein Placeboeffekt eintritt.
Da eine Rauchentwöhnung hauptsächlich „Kopfsache” ist, könnte die Akupunktur also bei Menschen, die daran glauben, durchaus helfen. Es werden Nadeln in Punkte im Ohrläppchen, manchmal auch in den Rücken, gestochen. Einige Akupunkteure arbeiten auch mit Dauernadeln, die aussehen wie kleine Knöpfchen. Diese verbleiben über den ganzen Zeitraum der Therapie im Ohrläppchen. Durch die Stimulation der Akupunkturpunkte soll den Zigaretten der Geschmack genommen und die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen erleichtert werden. Die Kosten für eine Rauchentwöhnung durch Akupunktur liegen etwa bei 200 Euro.
Hypnose und Suggestion Bei Ersterer wird der Patient in Trance versetzt. Daraufhin verknüpft der Hypnotiseur das Rauchen mit unangenehmen, das Nichtrauchen mit angenehmen Vorstellungen. Häufig werben Hypnotiseure damit, dass die Betroffenen durch eine einzige, zweistündige Sitzung vom Zwang zu rauchen „geheilt” werden. Die Kosten dafür belaufen sich auf etwa 250 Euro. Wissenschaftlich belegt ist die Methode jedoch nicht.
Auch das Buch „Endlich Nichtraucher” arbeitet mit Suggestion. Wichtig ist dabei das, was Autor Alan Carr zu Anfang sagt: Man soll bei der Lektüre unbedingt weiter rauchen. Irgendwann wird man keinen Drang mehr dazu verspüren, denn über die negativen Seiten des Tabakkonsums zu lesen, während man raucht, kann im Gehirn unterbewusst eine neue Verknüpfung entstehen lassen.
Mit der Pille zum Nichtraucher Nicht unumstrittenen sind Raucherentwöhnungstherapien mit bestimmten Medikamenten. Dabei kam mit Buproprion zuerst ein Wirkstoff zum Einsatz, der ursprünglich Depressionen heilen sollte. Buproprion senkt das Verlangen nach Nikotin, indem es wie dieses die Konzentration an positiv stimmenden Neurotransmittern wie Dopamin im Gehirn erhöht.
Seit 2007 ist in Deutschland auch ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Vareniclin zur Raucherentwöhnung auf dem Markt. Dieser Wirkstoff dockt an dieselben Rezeptoren im Nervensystem an wie Nikotin, hat jedoch einen schwächeren Effekt. Dadurch lindert Vareniclin die Entzugserscheinungen ohne Suchtpotenzial zu entwickeln.
ALS ERKRANKUNG ANERKENNEN
Bisher werden die Kosten einer Raucherentwöhnungstherapie von den Krankenkasse nicht übernommen. Dagegen will die Deutsche Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung e.V. nun auf
dem Rechtsweg vorgehen. Sie fordert Patienten auf, ihr Recht auf die Erstattung der Kosten vor dem Sozialgericht einzuklagen und hofft gleichzeitig auf eine „Anerkennung der Nikotinabhängigkeit
als behandlungsbedürftige Erkrankung“.
Beide Wirkstoffe haben allerdings starke Nebenwirkungen. Unter Buproprion wurden Krampfanfälle registriert, teilweise mit tödlichem Ausgang. Kontraindiziert ist diese medikamentöse Therapie daher bei gleichzeitiger Einnahme von speziellen Antidepressiva (Monoaminooxidasehemmer) oder bestimmten sedierenden Antihistaminika (z. B. Cetirizin). Außerdem kann Buproprion psychotische Episoden auslösen und die Wirkung von Diazepam herabsetzen.
Buproprion und Vareniclin erhöhen möglicherweise auch das Risiko für Herzinfarkte. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen sind häufige Nebenwirkungen beider Wirkstoffe. Diese Form der Raucherentwöhnung darf nur unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden. Die Erfolgsquote ist in etwa mit der von Nikotinpflastern vergleichbar.
Liebgewonnene Traditionen Die körperliche Abhängigkeit vom Nikotin ist meist nach etwa einem Monat überwunden. Trotzdem werden viele Betroffene sogar noch nach Jahren rückfällig, da die psychische Abhängigkeit sehr viel länger anhalten kann. Denn der Raucher verknüpft den Griff zur Zigarette mit bestimmten positiven Verhaltensmustern. Der Arbeitsbeginn – gemütlich mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette. Die Arbeitspause – mit einer Zigarette. Das Glas Rotwein am Abend – schmeckt am besten mit einer Zigarette.
Die Zigarette nach dem Essen, nach dem Streit, nach dem Sex – es gibt viele Lebenssituationen, die Raucher mit ihrer Sucht verbinden. Der Kaffee, der Rotwein, der Sex sind immer noch Wohlfühlsituationen, und das was fehlt, nämlich die Zigarette, wird schmerzlich vermisst. Daher kann auf Dauer nur der vom Tabakkonsum loskommen, der seine Verhaltensmuster ändert. Das kann durch suggestive Ansätze wie Hypnose geschehen, aber auch durch eine begleitende verhaltenstherapeutische Maßnahme. Wichtig ist, dass die „Wohlfühlinseln” im Tagesablauf nicht mehr mit dem Rauchen verknüpft werden.
Verhaltenstherapie Entsprechend geprägte Rauchentwöhnungsprogramme analysieren und ersetzen daher die Schlüsselreize, die den Menschen zur Zigarette greifen lassen. Statt der Zigarette zum ersten Kaffee am Computer gibt es dann womöglich einen Kaffee am Frühstückstisch. Oder Möhren- und Gurkensticks vor dem Fernseher.
Ziel ist es, den unterbewussten Zwang zur Zigarette, der nur aus Gewohnheit heraus aufkommt, bewusst abzulehnen. Nichtraucherkurse auf verhaltenstherapeutischer Basis dauern etwa zehn Wochen und haben eine Erfolgsquote von etwa 50 Prozent. Allerdings müssen die Betroffenen darauf achten, dass sie eine alte schlechte Tradition nicht durch eine neue schlechte Tradition ersetzen.
Zigaretten enthalten zahlreiche toxische und karzinogene Verbindungen
Der Lolli eignet sich nicht als Zigarettenersatz, genau so wenig wie der Griff in die Gummibärchen- oder Chipstüte. Denn dann hat man auf lange Sicht zwar das Rauchen bezwungen, kämpft aber mit anderen Problemen. Nicht umsonst ist die Gewichtszunahme eine der größten Probleme in der Rauchentwöhnung. Einige Kilos zuzunehmen ist normal, denn das Nikotin erhöht den Stoffwechsel und zügelt den Appetit. Wer mehr als vier bis fünf Kilo an Gewicht zunimmt, sollte überlegen, ob er sich nicht eine kalorienreiche Ersatzsucht zugelegt hat.
Erkennen Sie Ihren Suchttyp Nikotinabhängigkeit hat immer körperliche und psychische Auswirkungen. Je nach Mentalität empfinden die Betroffenen diese Auswirkungen jedoch unterschiedlich. Ist Ihr Kunde eher ein willensstarker Typ, dem die körperlichen Entzugserscheinungen Schwierigkeiten bereiten, weil sie ihn bei der Arbeit stören (durch Konzentrationsmangel oder Kopfschmerzen)? Dann ist er ein Kandidat für eine Nikotinersatztherapie.
Kann er sich nicht vorstellen, den Griff in die Zigarettenpackung jemals abzulegen? Dann wird er es ohne Verhaltenstherapie wohl nicht schaffen. Und bezeichnet er sich gar als „Genussraucher”? Dann hat er wahrscheinlich viele positive Lebenssituationen mit einer Zigarette verknüpft. Ihm hilft es auf lange Sicht sicherlich nur, wenn er diese Lebenssituationen umstellt, um nicht wieder in Versuchung zu geraten.
Um herauszufinden, welche Entwöhnungsstrategie die richtige für Ihren Kunden ist, ist eine ärztliche Beratung sinnvoll. In den meisten Fällen wird eine Entwöhnungstherapie jedoch fast alle Komponenten umfassen. Zuerst wird in einem Gespräch festgestellt, was die persönlichen Gründe für das Aufhören sind. Dann wird eine Ersatztherapie durchgeführt, um den Körper zu entgiften. Anschließend oder begleitend wird ein Nichtraucherkurs auf verhaltenstherapeutischer Basis absolviert, um das bisherige Rauchverhalten bewusst zu verändern.
Ein solcher Nichtraucherkurs gibt Ihrem Kunden auch Werkzeuge an die Hand, wie er sich vor Rückfällen schützen kann. Trotzdem: Die meisten Raucher schaffen es nicht im ersten Anlauf, endgültig zu „Nicht-Mehr-Rauchern” zu werden. Im Schnitt gelingt es erst nach drei bis vier Versuchen. Daher ist das Wichtigste, wie beim Bekämpfen jeder Sucht: Nicht aufgeben, und bei einem Rückfall nicht sofort die Flinte ins Korn werfen. Wer es nicht mit der „Hau-Ruck-Methode” schafft, das Rauchen aufzugeben, benötigt etwa sechs Monate, um die Rauchentwöhnung durchzuziehen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/13 ab Seite 58.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist