Darm und Darmmikrobiota
EIN STARKES MITEINANDER
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Früher sprach man von der Darmflora, wenn von den Mikroorganismen in unserem Darm die Rede war. Da die unsichtbaren Mitbewohner aber nicht dem Pflanzenreich zuzuordnen sind, werden sie heute korrekterweise als Mikrobiota bezeichnet. Häufig wird synonym auch der Begriff Mikrobiom verwendet. Das ist aber eigentlich nicht ganz richtig, da darunter die Gesamtheit der Gene aller Mikroorganismen verstanden wird.
Unsere unsichtbaren Mitbewohner Die Mikroorganismen besiedeln nicht nur die Schleimhäute des Darms, sie finden sich auch in der Mundhöhle, in der Vagina, in der Nase und in den Nebenhöhlen sowie auf der Haut. Im Darm ist allerdings die höchste Konzentration an Mikroorganismen und die größte Variabilität in der Mikrobiota-Zusammensetzung zu finden. Circa 100 Billionen Bakterien tummeln sich allein im Darm, die etwa 1000 verschiedenen Bakterienarten mit über 7000 unterschiedlichen Stämmen angehören. Zu den fünf häufigsten Bakteriengruppen zählen Firmicutes, Actinobacteria, Bacteroidetes, Proteobacteria und Fusobacteria. Daneben sind noch andere Mikroben wie Viren, Pilze, Protozoen und Archaeen anzutreffen.
In einer gesunden Mikrobiota liegt eine Balance zwischen den verschiedenen Bewohnern vor. Die meisten Keime sind apathogen, es existieren aber auch fakultativ krankmachende Kleinstlebewesen (z. B. Clostridum difficile, Candida albicans), die aber in der Regel von den „guten“ Keimen in Schach gehalten werden. Die Anzahl an Mikroorganismen nimmt dabei vom oberen Magen-Darm-Trakt in Richtung Dickdarm zu. Während sich im aggressiven, Gallensäure-haltigen Milieu des Dünndarms nur wenige, vor allem aerobe Bakterien (z. B. Laktobazillen) ansiedeln, leben im Dickdarms deutlich mehr Einzeller. Darunter finden sich vor allem ballaststoffverdauende Anaerobier (z. B. Bifidobakterien), da in den unteren Darmabschnitten kaum noch Sauerstoff vorhanden ist.
Frühe Darmbewohner Bifidobakterien gelangen bereits mit der Muttermilch zum Säugling. Daher weisen gestillte Babys im Vergleich zu nicht gestillten einen erheblich höheren Anteil dieser Mikroorganismen im Darm auf. Sie gehören zu den wichtigsten Bestandteilen der Darm-Mikrobiota und sind die wichtigste Gattung innerhalb der Actinobacteria. Es sind grampositive, anaerobe Stäbchenbakterien, die den pH-Wert im Dickdarm senken, indem sie Kohlenhydrate verwerten und zu Essigsäure und Milchsäure fermentieren. Unerwünschte Darmbakterien und Krankheitserreger wie etwa Salmonellen, Fäulnisbakterien oder Kolibakterien mögen ein solch saures Milieu im Dickdarm nicht und können sich daher kaum ansiedeln beziehungsweise nicht übermäßig vermehren.
Während die Mikrobiota eines Säuglings bis zu 95 Prozent aus Bifidobakterien besteht, sinkt ihr Anteil bei Erwachsenen je nach Ernährung auf etwa 25 bis 5 Prozent. Auch nach wiederholter Antibiotikatherapie oder bei Patienten mit Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen oder Übergewicht sind die Bifidobakterienzahlen verringert. Auch Lactobazillen gehören von Kindesbeinen an zu unseren nützlichen Darmbewohnern. Sie werden bei der Passage durch den mütterlichen Geburtskanal auf den Säugling übertragen.
Es sind grampositive, meist stäbchenförmige Bakterien aus der Familie der Lactobacillaceae. Sie gehören zusammen mit anderen Bakteriengattungen zu den Milchsäurebakterien, die Glucose und andere Kohlenhydrate zu Milchsäure vergären. Damit sind sie wie die Bifidobakterien Milchsäurebildner und senken den pH-Wert im Darm so stark, dass sich schädliche Bakterien nicht mehr vermehren können. Lactobazillen sind aber nicht alle apathogen. Zu der Gattung gehören auch krankheitserregende Vertreter wie Streptococcus pyoens, der Mandelentzündungen auslöst.
AAD, CDI, RDS
Probiotika sind weniger als Arzneimittel, sondern vorzugsweise als Nahrungsergänzungsmittel, bilanzierte Diäten oder Medizinprodukte in der Apotheke erhältlich. Daher finden sich auch unterschiedliche Angaben auf den Packungen. Da letztere drei Produktgruppen weder krankheitsbedingte Aussagen treffen noch sich auf Indikationen festlegen dürfen, sind lediglich nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen verzeichnet. Diese sind nicht immer für den Kunden verständlich. Manchmal sind auch nur Abkürzungen im Produktnamen (z. B. AAD, CDI, RDS) aufgeführt, die es zu entschlüsseln gilt (z. B. Antibiotika-assoziierte-Diarrhö, Clostridium difficile-asso–ziierte Diarrhö, Reizdarmsyndrom).
Individuelle Besiedlung Die genaue Zusammensetzung der Mikrobiota ist bei jedem Menschen anders. Sowohl die Bandbreite an unterschiedlichen Spezies als auch die Menge der jeweiligen Arten variieren individuell. Damit ist die Mikrobiota für jedes Individuum charakteristisch wie ein Finger- abdruck. Bereits im Mutterleib beginnt die erste Kolonisation des Darms. Während des Geburtsvorgangs wird sie fortgeführt, wobei der Säugling je nach Entbindungsart verschiedene Mitbewohner erhält. So werden bei einer Spontangeburt andere Mikroorganismen auf das Kind übertragen als bei einem Kaiserschnitt.
Die weitere Entwicklung der Mikrobiota hängt von verschiedenen Faktoren ab, wobei die Ernährung (Stillen, Flaschennahrung, Beikost) neben Genetik, Lebensgewohnheiten und Umwelteinflüssen eine große Rolle spielt. Im Alter von zwei bis drei Jahren liegt dann beim Kind eine Mikrobiota vor, die bereits der eines Erwachsenen entspricht. Sie bleibt auch über einen langen Zeitraum relativ stabil und verändert sich im Laufe des Lebens nur durch drastische Eingriffe (z. B. Antibiotika-Einnahme, gravierende und nachhaltige Ernährungsumstellung).
Problem DysbioseDie Bakterien im Darm sind an einer Reihe gesundheitsförderlicher Prozesse beteiligt. Sie erfüllen wichtige Aufgaben bei der Verdauung, sind an Stoffwechselfunktionen beteiligt (z. B. Produktion der Vitamine B12, B5, B6, Folsäure, Vitamin K) und unterstützen das Immunsystem. Verändert sich ihre Anzahl und Artenvielfalt, Dysbiose genannt, sind die Auswirkungen äußerst vielfältig. Nicht nur akute Probleme stellen sich kurzfristig ein. Auch langfristige negative Effekte auf den Stoffwechsel und das Immunsystem sind möglich.
So scheint eine aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiota mit Funktionseinschränkungen der Darmschleimhaut und des darmassoziierten Immunsystems sowie mit einem erhöhten Risiko für zahlreiche Erkrankungen assoziiert zu sein. Vor allem geht man von einer Beteiligung bei der Entstehung von Diabetes, Adipositas, Allergien oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom aus. Es scheint aber auch eine Verbindung zu der Entwicklung verschiedener weiterer Autoimmunkrankheiten sowie entzündlicher, neurologischer, psychiatrischer und onkologischer Erkrankungen zu bestehen.
Lebenswichtige Darmbarriere Eine zentrale Aufgabe bei der Aufrechterhaltung der Gesundheit hat die Darmbarriere. Die Darmbarriere übt, wie es der Name schon andeutet, eine Barriere- oder Schrankenfunktion aus. Sie ist dafür verantwortlich, welche Stoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf und damit in den Körper gelangen können. Zudem beheimatet sie die Zellen des angeborenen und des adaptiven Immunsystems und ist somit Sitz des darmassoziierten Immunsystems. Die Darmbarriere besteht aus mehreren Schichten: Mikrobiota, Schleim (Mukus) und Darmschleimhaut (Mukosa oder Darmepithel). Die äußere Schicht ist die Mikrobiota mit ihren zahlreichen Mikroorganismen.
Darunter befindet sich eine dicke Schleimschicht, die als strukturgebender Bestandteil Schleimstoffe (Muzine) enthält und der Darmschleimhaut aufliegt. Sie besteht aus zwei Lagen, einer inneren, die fest an den Epithelzellen der Darmschleimhaut haftet, und einer äußeren, die den Mikroorganismen als Lebensraum samt Nahrung dient. Zugleich hat die dicke Schleimschicht eine Barrierefunktion, indem sie fremde Stoffe und Keime daran hindert, aus dem Darm in den Blutkreislauf überzutreten. Darüber hinaus wehren Abwehrstoffe (Defensine), die sich zum Schutz gegen Krankheitserreger in der Schleimschicht befinden, schädliche Bakterien ab. Die Darmschleimhaut, die den Darm von innen auskleidet, besitzt mehrere Funktionen bei der Abwehr fremder Eindringlinge.
Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Epithelzellen der Darmschleimhaut, die einen engen Zellverband bilden. Die verbleibenden kleinen Zwischenräume, die die einzelnen Zellen voneinander trennen, werden von speziellen Schlussleisten (tight junctions) abgedichtet. Auch sie bilden eine Barriere, indem sie ein Durchdringen von Teilchen, Wasser und Mikroorganismen durch das Epithel der Darmschleimhaut verhindern. Ein zentraler Bestandteil der Darmbarriere sind zudem Abwehrzellen des Immunsystems, deren Hauptanteil in der Darmschleimhaut sitzt. Dieses darmassoziierte Immunsystem ist unter dem Begriff GALT (good associated lymphoid tissue) bekannt. Es ist die größte Ansammlung von Immunzellen im menschlichen Organismus. Hier sind etwa 70 Prozent der körpereigenen Immunzellen (Lymphozyten, IgA-Plasmazellen) vereint. Etwa 90 Prozent aller Antikörper werden hier gebildet.
Rolle der Mikroorganismen Die Darmbakterien als Bestandteil der Darmbarriere leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Funktionsweise der Darmschleimhaut und des darmassoziierten Immunsystems. Mit ihren Abwehrmechanismen gegenüber fremden Mikroorganismen unterstützen sie das Immunsystem. Beispielsweise sind einige in der Lage, die Produktion antimikrobieller Peptide (z. B. AMP, Defensine, Cathelicidine) anzuregen, die das Wachstum pathogener Bakterien hemmen. Andere senken mit ihren Stoffwechselprodukten den pH-Wert ab und schaffen so ein ungünstiges Milieu für pathogene Keime. Manche konkurrieren mit den Krankheitserregern um Nährstoffe und Andockstellen an der Darm- wand und halten so fremde Eindringlinge fern (Kolonisationsresistenz).
Ebenso spielen Teile der Mikrobiota bei der körpereigenen Abwehr eine Rolle, in- dem sie kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure oder Buttersäure beziehungsweise deren Salze Acetat und Butyrat bilden. Butyrat besitzt antientzündliche und antikanzerogene Eigenschaften und dient den Epithelzellen der Darmschleimhaut als Energielieferant. Zudem sorgt es für einen engen Zellverbund (dichte tight junctions) zwischen den Epithelzellen und für eine ausgewogene Synthese von Muzinen. Das trägt alles zu einer Stabilisierung der Darmbarriere und damit zu einer gut funktionierenden Abwehr pathogener Bakterien bei.
Prä- und Synbiotika
Von den Probiotika gilt es die Präbiotika abzugrenzen. Darunter werden unverdauliche Ballaststoffe verstanden, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen (z. B. Stärke, Inulin, Pektin, Oligofruktose). Da der menschliche Organismus sie nicht aufschließen kann, erreichen sie unverdaut den Dickdarm, wo sie der Mikrobiota als Energie- und Nährstoffquelle dienen. Einige probiotische Präparate sind mit Präbiotika kombiniert. Sie liefern quasi gleich das Futter für die Mikrobiota mit und regen somit die Vermehrung der nützlichen Mikroorganismen an. Kombinationen aus Prä- und Probiotika werden als Synbiotika bezeichnet.
Artenvielfalt erwünscht Die Mikrobiota nimmt also eine zentrale Aufgabe bei immunologischen Prozessen ein. Dabei wirkt sich eine große Diversität positiv auf die Gesundheit aus. Je mehr verschiedene Arten unser Organismus beherbergt, desto besser funktioniert die Darmbarriere und desto größer ist ihr Schutz vor schädlichen Stoffen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Artenvielfalt ab. Während in der Jugend noch viele verschiedene Bakterienarten vorliegen, ist später die mikrobielle Diversität deutlich geringer. Auch eine einseitige Ernährung mit einer hohen Zufuhr an Salz, Zucker, Alkohol und Fetten sowie einem Mangel an Ballaststoffen reduziert die Bakterienvielfalt im Darm.
Weitere Ursachen für die Abnahme der Diversität können Infektionen oder die Einnahme von Medikamenten (z. B. Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, Calciumantagonisten, Antipsychotika) sein. Vor allem antimikrobiell wirksame Medikamente beeinträchtigen die Darm-Mikrobiota erheblich. Eine ihrer gefürchtet- sten Nebenwirkungen ist die Auslösung heftiger Durchfälle, die durch Clostridum difficile verursacht werden. Infektionen mit Clostridum difficile sind vor allem bei älteren oder chronisch kranken Menschen gefährlich, da ihr Verlauf in schweren Fällen lebensbedrohlich sein kann. Das Bakterium zählt zu den fakultativ pathogenen Keimen, die Bestandteil der physiologischen Mikrobiota sind. Wird das biologische Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Mikroorganismen gestört, können sich die schädlichen unter ihnen ungehindert ausbreiten.
Es muss aber nicht gleich eine Clostridien-Infektion sein. Antibiotika zerstören auch die guten verdauungsfördernden Bakterien. Dadurch gelangen ver- mehrt unverdaute Nahrungsbestandteile in den Darm, die durch Osmose Wasser nachziehen und flüssige Stühle mit sich bringen. Zudem können Antibiotika einen negativen Einfluss auf die körpereigene Abwehr ausüben, indem sie anaerobe Bakterien abtöten, die über die Produktion großer Mengen an kurzkettigen Fettsäuren einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit leisten. Während man früher davon ausging, dass sich nach einer Antibiotikatherapie die ursprüngliche Zusammensetzung der Darmbewohner schnell wieder regeneriert, vermutet man heute, dass eine wiederholte Antibiotikagabe die Mikrobiota stärker zu schädigen vermag als zuvor gedacht. Man geht inzwischen davon aus, dass oft Wochen bis Monate vergehen, bis sich das physiologische Gleichgewicht der Mikrobiota wieder eingestellt hat.
Probiotika empfehlen Um das Gleichgewicht der Darm-Mikrobiota wiederherzustellen, zu fördern oder einer Fehlbesiedlung entgegenzuwirken, können dem Organismus Kulturen nützlicher Mikroorganismen zugeführt werden. Dazu zählen vor allem Hefen (z. B. Sacharomyces boulardii, Synonym Saccharomyces cerevisiae), Lactobazillen (z. B. Lactobacillus casei, Lactobacillus rhamnosus GG), Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium longum, Bifidobacterium lactis), Enterokokken (z. B. Enterococcus faecium W54) und Escherichia coli (z. B. E. coli Nissle 1917, E. coli DSM 17252). Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation versteht man unter Probiotika lebende Mikroorganismen, die dem Wirt einen gesundheitlichen Vorteil bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden.
Die Menge an Mikroorganismen ist durch die Angabe der koloniebildenden Einheiten (KBE) ersichtlich. Nur Präparate mit ausreichender Keimzahl können eine angemessene Besiedlung im Dickdarm und damit auch eine Wirkung entfalten. Probiotische Präparate verfügen über eine galenische Formulierung, die dafür sorgt, dass die Mikroorganismen unversehrt die aggressiven Ma- gen- und Verdauungssäfte passieren und sich dann in aktiver Form an die Darmwand anheften können. Allerdings sind Probiotika nicht in der Lage, sich dauerhaft anzusiedeln. Um einen positiven Effekt auf die Gesundheit ausüben zu können, müssen sie regelmäßig zugeführt werden.
Positive Effekte Es hat sich gezeigt, dass Probiotika nicht nur die Darmgesundheit selber verbessern, sondern darüber hinaus über ihren positiven Einfluss auf die Darmbarriere und das darmeigene Immunsystem auch bei anderen Erkrankungen über gesundheitsfördernde Effekte verfügen. Zwar sind die Wirkmechanismen von Probiotika noch nicht alle im Detail bekannt, dennoch werden folgende Effekte angenommen: Probiotische Mikroorganismen aktivieren beispielsweise verdauungsfördernde Enzyme im Darm, sie hemmen das Wachstum vieler durchfallfördernder Bakterien wie Clostridium difficile, sie produzieren organische Säuren wie Milchsäure und senken damit den pH-Wert ab und hemmen folglich unerwünschte Keime am Wachstum, sie konkurrieren mit pathogenen Keimen um Bindungsstellen an der Darmschleimhaut und verhindern so deren Eindringen in die Darmzellen, sie interagieren mit Rezeptoren im Darm und verringern somit die Freisetzung von Entzündungsmediatoren, sie metabolisieren antibiotische Substanzen, sie stabilisieren die Darmwand und sie regen das Immunsystem an.
Bakterien stärken über vielfältige Mechanismen die Darmbarriere und fördern damit unsere Gesundheit.
Bewährt, empfohlen, beforschtEinige der Indikationen haben sich schon lange etabliert (z. B. Unterstützung des Immunsystems, Prävention und Therapie von Durchfallerkrankungen) und manche haben sogar zur Empfehlung von Probiotika in entsprechende Leitlinien geführt. So raten Leitlinien beim Reizdarmsyndrom zu ausgewählten Stämmen. Vor allem haben sich dabei Bifidobakterien, Laktobazillen, Escherichia coli sowie Saccharomyces boulardii bewährt. Für die Behandlung akuter Magen-Darm-Erkrankungen bei Kindern empfehlen Leitlinien die Stämme Lactobazillus rhamnosus GG (LGG) und Saccharomyces boulardii in Kombination mit oraler Rehydratation. Andere Anwendungsgebiete sind noch nicht allgemein anerkannt, werden aber intensiv beforscht (z. B. Leberfunktionsstörungen, Atemwegserkrankungen, Migräne oder Neurodermitis, Unterstützung beim Abnehmen, Vorbeugung von Allergien).
Richtige Anwendung Die Kunden haben bei den Probiotika meist die Wahl zwischen Kapseln und Pulvern, aber auch Tabletten und Trinkampullen sind im Handel. Meist liegen die Mikroorganismen darin gefriergetrocknet vor. Um ihr Überleben zu gewährleisten, müssen einige Präparate im Kühlschrank gelagert werden. Die Kapseln erfordern eine Einnahme mit ausreichend Wasser, die Pulver werden zuvor in Wasser eingerührt. Durch den Kontakt mit Wasser werden die Mikroorganismen wieder aktiv und können sich im Darm vermehren. Bei der Anwendung von Pulvern ist meist zu beachten, dass nach ihrem Einrühren noch mindestens eine Minute Aktivierungszeit abgewartet werden muss, bevor sie nach nochmaligem Umrühren getrunken werden können.
Eine gleichzeitige Einnahme mit heißen Speisen ist zu vermeiden, da viele Mikroorganismen die hohen Temperaturen nicht überleben. Um die Überlebensrate bei der Magenpassage zu erhöhen, wird häufig die Einnahme auf nüchternen Magen oder mindestens eine halbe Stunde vor der Mahlzeit empfohlen, weil dann der Transport in den Darm schneller erfolgt. Andere raten, Probiotika zu den Mahlzeiten zunehmen, da mit dem Essen der pH-Wert im Magen ansteigt, was ein Überleben der Mikroorganismen wahrscheinlicher macht. Sollen mit Probiotika Antibiotika-assoziierte Nebenwirkungen vermieden werden, ist eine zeitversetzte Einnahme zu empfehlen.
Das bedeutet, dass eine begleitende Probiotikagabe während der Antibiotikatherapie erfolgt, hierbei aber ein zwei- bis dreistündiger Einnahmeabstand zum Antibiotikum eingehalten werden muss. Die Einnahme der Probiotika sollte dann noch circa vier Wochen fortgesetzt werden, um die Regeneration der physiologischen Mikrobiota und des darmassoziierten Immunsystems zu fördern. In der Regel sind Probiotika gut verträglich. Da einige Personen anfangs mit Blähungen oder Oberbauchbeschwerden auf die Einnahme der Keime reagieren, ist eine langsame Dosissteigerung ratsam.
Während Präparate existieren, die bereits für Säuglinge oder Kinder zugelassen sind, liegen für die Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit meist keine Daten vor. Schwerkranke oder Immunsupprimierte wie beispielsweise Tumorpatienten während einer Chemo- oder Strahlentherapie sollten keine Probiotika erhalten. Bei ihnen besteht die Gefahr, lebensgefährliche Pilzerkrankungen zu entwickeln. Aus diesem Grund sind beispielsweise Präparate mit Saccharomyces boulardii bei diesem Personenkreis explizit kontraindiziert.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 14.
Gode Chlond, Apothekerin