Bauchschmerzen
EIN KUGELRUNDES PROBLEM
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Krämpfe, Völlegefühl, Blähungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung – so zahlreich die Symptome sind, mit denen sich Betroffene quälen, so unterschiedlich können auch die Ursachen sein, die dem Bauchweh zugrunde liegen. Nicht immer sind Magen oder Darm Grund für das schmerzhafte Geschehen. Neben gastrointestinalen Leiden können auch andere im Bauchraum gelegene Organe für die Schmerzen verantwortlich sein.
Nicht alle Krankheiten sind ein Fall für die Selbstmedikation. Erkrankungen wie beispielsweise Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Ulkus, Darmverschluss, Darmkrebs, Divertikulitis, Blinddarmentzündungen, Gallenleiden, Pankreatitis, Entzündungen der oberen Harnwege sowie schwere gynäkologische Krankheitsbilder gehören in die Hand des Arztes. Warnzeichen dafür sind beispielsweise Fieber, Blut im Stuhl oder Urin, kolikartige Schmerzen, ein Wechsel zwischen Verstopfung und Durchfall oder Gewichtsverlust.
Aber auch die nachfolgend vorgestellten Gesundheitsstörungen, die meist in Eigenregie behandelt werden, sollten vom Arzt vorab diagnostiziert sein. Oftmals ist auch eine ärztliche Kontrolle des Krankheitsverlaufs sinnvoll.
Reizmagen Klagen Patienten über chronische oder wiederholt auftretende Verdauungsstörungen im oberen Magen-Darm-Trakt, für die der Mediziner keine organische Ursache feststellen kann, liegt ein Reizmagen vor. Eine andere Bezeichnung für Oberbauchbeschwerden ohne pathologischen Befund, die in den letzten zwölf Monaten mehr als zwölf Wochen anhielten oder immer wiederkehrten, ist die funktionelle Dyspepsie.
Die Verdauungsprobleme äußern sich individuell. Während der eine vor allem unter Völlegefühl im Oberbauch, einem frühen Sättigungsgefühl, Übelkeit oder Erbrechen leidet, steht beim anderen der im Oberbauch zentralisierte Schmerz oder Sodbrennen im Vordergrund. Die Ursachen dyspeptischer Beschwerden sind in vielen Aspekten noch ungeklärt. Man geht von einer multifaktoriellen Genese aus, wobei Störungen im Zusammenspiel zwischen dem darmeigenen und zentralen Nervensystem eine Rolle spielen, die zu Fehlern in der Steuerung der Magenbewegungen oder in deren Wahrnehmung führen.
Auch eine zu starke oder zu geringe Säureproduktion verursacht typische Reizmagensymptome wie Sodbrennen, saures Aufstoßen, Schmerzen im Oberbauch sowie Völlegefühl oder Blähungen. Zudem kann die Magenschleimhaut durch Entzündungen sehr empfindlich sein und von der Magensäure gereizt werden. Beim Reizmagen ist auch eine starke seelische Komponente beteiligt, denn die Symptomatik tritt oftmals unter Stress auf oder verschlimmert sich bei Belastungen. Nicht umsonst spricht der Volksmund davon, dass „etwas auf den Magen schlägt”.
Grundsätzlich ist dem Betroffenen Entspannung anzuraten. Außerdem sollte auf einen übermäßigen Genuss von fettigen oder stark gewürzten Speisen, kalten Getränken, Alkohol und Nikotin oder Säurelockern wie Kaffee, Tee oder Zitrusfrüchten verzichtet werden. Medikamentös finden symptomorientiert unterschiedliche Wirkstoffgruppen Verwendung. Gegen Völlegefühl und Übelkeit kommen chemische (z. B. Metoclopramid, Domperidon) und pflanzliche Prokinetika (z. B. Gemisch aus Kamille, Kümmel, Bitterer Schleifenblume, Angelikawurzel, Pfefferminze, Melisse und Schöllkraut) zur Anwendung. Auch können Präparate mit Pankreatin, Artischockenblättern oder Curcumawurzelstock zur Unterstützung der Fettverdauung eingesetzt werden.
Gegen die Krämpfe haben sich Spasmolytika (z. B. Butylscopolamin, Pfefferminzblätter) bewährt. Bei Sodbrennen helfen Antazida (z. B. Hydrotalcit, Magaldrat) oder Protonenpumpenblocker (z. B. Omeprazol, Pantoprazol) und bei Blähungen bringen Entschäumer (z. B. Simeticon) sowie pflanzliche Karminativa (z. B. Anis, Fenchel, Kümmel) Erleichterung.
Reizdarm Es ist möglich, dass die Beschwerden nicht auf den oberen Gastrointestinaltrakt begrenzt bleiben, sondern auch den unteren Teil betreffen. Neben typischen Verdauungsstörungen wie Krämpfen, Blähungen, Völlegefühl und Übelkeit treten dann auch Durchfall oder Verstopfung auf. Liegt dafür keine erkennbare organische Ursache oder Nahrungsmittelunverträglichkeit zugrunde, spricht man von einem Reizdarmsyndrom. Dabei handelt es sich um eine chronisch-rezidivierende Funktionsstörung mit gutartigem Verlauf.
Obwohl die Lebenserwartung nicht eingeschränkt wird, empfinden die Betroffenen einen hohen Leidensdruck und fühlen sich in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt. Sie klagen über unspezifische Verdauungsstörungen, die sowohl den Dünn- als auch den Dickdarm betreffen. Die Symptome sind vielfältig und können wechseln. Zudem ist ihre Dauer und Intensität unterschiedlich ausgeprägt.
Bauchschmerzen und Krämpfe werden meist von übermäßigen Blähungen und von Stuhlunregelmäßigkeiten begleitet. Dabei kann sowohl Durchfall als auch Verstopfung auftreten, häufig im Wechsel. Auch Schleimauflagerungen sind typisch. Bei einigen lassen die Beschwerden nach dem Toilettengang nach, andere haben das Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung. Meist treten die Symptome besonders intensiv nach der Nahrungsaufnahme auf und viele verspüren eine Verstärkung bei Stress oder psychischer Anspannung. Nachts sind die meisten Betroffenen beschwerdefrei.
»Bei der Diagnose des Reizdarmsyndroms wird üblicherweise nach dem Ausschlussverfahren vorgegangen.«
Obwohl die genaue Ursache des Reizdarmsyndroms bisher nicht in allen Einzelheiten geklärt ist, scheinen auch hier Störungen im darmeigenen Nervensystem vorzuliegen, die zu fehlerhaften Bewegungsabläufen und zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit im Darm führen. Außerdem werden noch andere Ursachen wie vorausgegangene Magen-Darm-Entzündungen, genetische Faktoren oder Veränderungen der Erregerbesiedlung im Magen-Darm-Trakt bei der Pathogenese diskutiert.
Therapeutisch sind zunächst diätetische Maßnahmen wie kalorien-, volumen- und fettarme Mahlzeiten zu empfehlen. Außerdem sollten unverträgliche Speisen gemieden und Stresssituationen reduziert werden. Falls Entspannung und Ernährungsumstellung nicht ausreichen, kann eine symptomorientierte, zeitlich begrenzte medikamentöse Behandlung erfolgen.
BAUCHSCHMERZEN BEI KINDERN
Bei rezidivierenden kindlichen Bauchschmerzen ohne erkennbare Ursache ist an eine besondere Form der Migräne, der abdominalen Migräne, der Migräne des Bauchraums, zu denken. Dabei haben die Kinder mindestens zwei Mal im Jahr über mehrere Stunden anhaltende Bauchschmerzen. Diese sind von Appetitlosigkeit und auffälliger Blässe begleitet. Die Betroffenen reagieren empfindlich auf Licht und Lärm und klagen über Übelkeit und Erbrechen. Rund die Hälfte der Kinder erbricht während der Attacke. Die Schmerzen sind in der Bauchregion so stark, dass sich die Kinder hinlegen müssen. Kopfschmerzen fehlen typischerweise bei der Symptompalette. Bei einem Teil der Kinder hören die Bauchschmerzattacken im Laufe der Jahre auf. Bei den anderen gehen sie nach der Pubertät in eine
Migräne mit Kopfschmerzen über.
Das Spektrum der eingesetzten Arzneimittel ist ebenso groß wie die Symptomvielfalt. Je nachdem welches Beschwerdebild im Vordergrund steht, kommen gegen Krämpfe, Blähungen und Völlegefühl die gleichen Mittel wie beim Reizmagen zur Anwendung. Darüber hinaus werden Präparate gegen Diarrhö (z. B. Loperamid) oder Obstipation (z. B. Bisacodyl) eingesetzt. Reizdarmpatienten können auch von Probiotika oder Präparaten mit Mikroorganismen profitieren.
Laktoseintoleranz Wenn es nach einer Mahlzeit immer wieder zu Völlegefühl, Blähungen, Bauchschmerzen oder Durchfall kommt, kann eine Laktoseintoleranz dafür verantwortlich sein. Bei dieser Nahrungsmittelunverträglichkeit führt Milchzucker (Laktose) zu den Verdauungsbeschwerden. Laktose ist ein Disaccharid, das aus je einem Molekül Glukose und Galaktose besteht.
Der Zweifachzucker wird normalerweise im Dünndarm durch das Verdauungsenzym Laktase in seine resorbierbaren Einzelbestandteile gespalten. Bei ungefähr 15 Prozent aller Deutschen fehlt das Milchzuckerspaltende-Enzym, die Laktase, ganz oder wird nicht in ausreichendem Maße produziert. Dadurch verbleibt Milchzucker unverdaut im Dickdarm, wo er ansässigen Bakterien als Nahrungssubstrat dient. Beim Vergären durch die Dickdarmbakterien entstehen große Mengen an Gasen und organischen Säuren, die sich als Blähungen und Krämpfe bemerkbar machen und zu verstärkten Darmbewegungen führen.
Begleitet wird dies von einem vermehrten Einströmen von Wasser, was mit Durchfall und Bauchschmerzen einhergeht. Der Schweregrad der Erkrankung ist bei jedem einzelnen sehr verschieden und davon abhängig, ob die Laktase ganz fehlt oder ob noch eine Restaktivität des Verdauungsenzyms vorhanden ist. Welche Mengen Milchzucker vertragen werden ist nicht vorhersehbar. Jeder Betroffene muss individuell herausfinden, wie viel Laktose er zu sich nehmen kann. Geringe Mengen (unter drei Gramm) werden oftmals ohne Probleme vertragen. In der Regel zeigen sich erst bei der Aufnahme von über zehn Gramm Symptome.
Das Prinzip der Therapie besteht in der Einschränkung beziehungsweise dem Verzicht von Milchzucker in der Nahrung. Dabei muss die Diät je nach Schwere des Laktasemangels unterschiedlich streng eingehalten werden. Für die meisten Betroffenen sind mehrere kleine Portionen über den Tag verteilt besser verträglich als eine große Menge eines laktosehaltigen Lebensmittels auf einmal. Zudem werden fettreiche Produkte zumeist besser vertragen, weil sie die Kontaktzeit im Darm verlängern, sodass mehr Milchzucker bei vorhandener Restaktivität der Laktase aufgespalten werden kann.
Sollte es nicht möglich sein, sich laktosefrei zu ernähren, können zum Essen Präparate zur Enzymsubstitution eingenommen werden. Die erforderliche Dosis ist nicht nur präparateabhängig, sondern auch individuell sehr unterschiedlich. Es sind verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Enzymeinheiten erhältlich, deren Einheiten als FCC (Food Chemical Codex)-Einheiten pro Kautablette oder Kapsel angegeben sind.
Glutenunverträglichkeit Auch andere Stoffwechselstörungen wie eine Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) bewirken immer wieder auftretende ungeformte Stühle, die mit Erbrechen, Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen einhergehen können. Wird kein Gluten vertragen, reagiert der Dünndarm auf das Klebereiweiß vieler Getreidesorten mit einer Entzündung, wodurch die Schleimhaut zurückgeht.
Es verkleinern sich sowohl Mikrovilli als auch Zotten, teilweise fast bis zum totalen Verlust. Der Dünndarm kann dadurch seine Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend ausführen und Nährstoffe sowie Flüssigkeit werden nicht ausreichend aufgenommen. Die mangelnde Resorption von Nährstoffen führt nicht nur zu Gewichtsverlusten und bei Kindern zu Wachstumsstörungen, sondern äußert sich beim Betroffenen mit voluminösen Fettstühlen und Durchfällen, wobei die Symptome individuell verschieden ausgeprägt sind.
Einige Betroffene reagieren nur leicht, andere äußerst intensiv auf aufgenommenes Gluten, selbst wenn nur geringste Mengen zugeführt werden. Die Krankheit macht sich häufig schon im Kindesalter bemerkbar, kann aber auch erst im mittleren Alter ausbrechen. Gemeinsam ist allen Formen, dass die Unverträglichkeit ein Leben lang bestehen bleibt.
Die Therapie der Zöliakie besteht darin, glutenhaltige Lebensmittel wie beispielsweise Weizen, Roggen oder Hafer konsequent zu meiden. Die Atrophie der Dünndarmzotten bildet sich bei glutenfreier Ernährung bei den meisten der Betroffenen wieder zurück und bei vielen Patienten bessern sich die Symptome bereits wenige Tage nach der Ernährungsumstellung. Bei Diätfehlern kehren die gastrointenstinalen Beschwerden zurück und die Dünndarmschleimhaut verändert sich erneut.
Fruktoseintoleranz Bei dieser Intoleranz muss auf den Verzehr von Fruktose verzichtet werden. Da eine Fehlfunktion des Enzyms vorliegt, welches den Fruchtzucker aus dem Darminneren in den Blutkreislauf transportiert, gelangt Fruktose in den Dickdarm, wo es von Darmbakterien unter Bildung von Darmgasen abgebaut wird. Folge sind Beschwerden wie Blähungen, Völlegefühl, krampfartige Schmerzen und Durchfälle.
Die Diät ist abhängig von der Ausprägung der Fruktoseintoleranz. So vertragen einige der Betroffenen kleine Mengen Fruchtzucker. Erst nach Überschreiten einer individuellen Schwelle führt die Zufuhr des Monsaccharids zu den typischen gastrointestinalen Symptomen.
Zystitis Entzündungen der unteren Harnwege gehen nicht nur mit brennenden Schmerzen beim Wasserlassen einher. Meist werden sie auch von krampfartigen Schmerzen im Unterbauch begleitet. Hier müssen antibakterielle Wirkstoffe eingesetzt werden, um die Ursache der Harnwegsinfektion zu behandeln. Dabei reichen pflanzliche Präparate nicht immer aus.
Sollten die Beschwerden länger als drei bis fünf Tage andauern, Fieber auftreten, Blut im Urin nachweisbar sein oder Rücken- und Flankenschmerzen hinzukommen, muss der Arzt meist Antibiotika verordnen, damit die Entzündung zurückgeht und sich nicht auf die oberen Harnwege (Nieren und Harnleiter) ausbreitet. Auch sollten sich Patienten mit drei oder mehr Infekten pro Jahr und Risikogruppen (z. B. Schwangere, Ältere, Kinder, Männer, immungeschwächte Personen sowie Menschen mit chronischen urologischen Erkrankungen) ärztlich behandeln lassen. Zur Linderung der Symptome können zusätzlich schmerzstillende (z. B. Ibuprofen, Paracetamol) und krampflösende Wirkstoffe (z. B. Butylscopolamin) sowie Wärme zur Anwendung kommen.
Zyklusabhängige Bauchschmerzen Treten bei Frauen Bauchschmerzen immer im Zusammenhang mit der Menstruation auf, kann es sich um eine Dysmenorrhoe (Regelschmerzen) handeln. Dabei macht sich die monatliche Blutung mit Unterbauchschmerzen, die bis in den Rücken ausstrahlen, bemerkbar. Quälen sich die Betroffenen an den Tagen vor der Menstruation mit Bauchkrämpfen, Völlegefühl oder Verstopfung, kann das auf ein prämenstruelles Syndrom zurückzuführen sein.
Gegen zyklusbedingte Bauchschmerzen eignen sich neben Wärmeanwendungen und Entspannungsmaßnahmen auch Analgetika und Spasmolytika. Darüber hinaus können pflanzliche Präparate mit Mönchspfeffer oder hormonelle Kontrazeptiva die weiblichen Hormone in Balance bringen und somit die Beschwerden lindern. Bauchschmerzen bei Frauen können aber auch durch schwerwiegende gynäkologische Erkrankungen wie Myome, Ovarialzysten oder eine Endometriose hervorgerufen werden, deren Behandlung in ärztliche Hand gehört.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 60.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin