Sie ist der Traum eines absolutistischen Herrschers: Die Biene stellt ihr Leben unter das Diktat des Staates. Wenn sie nicht wäre, käme die Lebensmittelversorgung für die Menschheit ins Stocken, mancherorts sogar zum Erliegen. © Valengilda / iStock / Thinkstock

Neuerscheinung

EIN HOCH AUF DIE BIENE

„Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr.“ Albert Einstein soll das gesagt haben. Maja Lunde hat dem kleinen Insekt mit ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“ ein Denkmal gesetzt.

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Fleißig ist sie, sie stellt ihr Leben unter das Diktat des Staates, dient nur einer Königin und fällt tot vom Himmel, wenn ihre Flügel zerschlissen sind: Apis mellifera, die westliche Honigbiene, ist der Traum eines absolutistischen Herrschers. Die süße, goldgelbe Substanz, die sie produziert, um ihre Nachkommen und sich selbst über den Winter zu bringen, hat schon früh die Begehrlichkeit von Mensch und Tier geweckt. Wir alle kennen die Bilder vom Bären, der sich in den Baumhöhlen der wilden Bienen am Honig bedient (und dafür viele, viele Stiche kassiert) oder jene vom Imker mit weißer Schutzkleidung, der mit möglichst langsamen und ruhigen Bewegungen die Wabenrähmchen untersucht.

Als Gastgeschenk ein wenig Pollen
Die Biene bringt nicht nur Honig, sie ist auch unverzichtbar bei der Bestäubung von Pflanzen. Das Insekt braucht den Blütennektar, um Honig zu produzieren. Während sie den Kelch aussaugt, bleiben an ihrem Hinterteil die (männlichen) Pollen hängen – und die bringt sie, quasi als Gastgeschenk, der nächsten Blüte mit. Damit findet auf der Narbe, dem weiblichen Teil der Blüte, eine Befruchtung statt und das Gewächs kann Früchte produzieren. Ohne Bienen gäbe es weder Äpfel noch Kirschen, kein Raps würde bestäubt und keine Sonnenblume. Thymian und Lavendel, Basilikum und Rosen würden zuerst aufhören zu duften und dann ganz verschwinden.

Das große Bienensterben
Die Norwegerin Maja Lund hat drei heranwachsende Kinder und sich gefragt, wie deren Welt später aussehen wird. Im Fernsehen sah sie eine Dokumentation über CCD, Colony Collapse Disorder. Diese Erscheinung, volkstümlich auch als „Bienensterben“ bezeichnet, trat zuerst 2007 in den USA auf, wo eine industrialisierte Form der gewerbsmäßigen Imkerei betrieben wird und die Insektenvölker vor allem zur gezielten Bestäubung von Obstplantagen eingesetzt werden. Doch plötzlich fanden viele Imker ihre Stöcke leer vor – die Arbeiterinnen waren verschwunden und hatten Brut und Honig zurückgelassen. Seitdem werden viele Erklärungsmodelle für das auch in Europa um sich greifende Bienensterben bemüht – die einen machen die Varroamilbe dafür verantwortlich, die anderen eine Art Bienen-AIDS, wieder andere zitieren großflächig eingesetzte Pestizide, vor allem Neonicotinoide sind in Verruf geraten.

Drei Zeitebenen erhöhen die Spannung
Die Autorin arbeitet in ihrem Roman mit drei verschiedenen Zeitebenen: Er setzt im Jahre 2098 ein, als es auf der Erde längst keine Bienen mehr gibt und sämtliche Blüten mit der Hand bestäubt werden müssen. Nahrungsmittel sind knapp geworden und die Städte verwaist, da die Menschheit sich reduziert hat – und die Chinesin Tao verliert ihren einzigen Sohn durch eine mysteriöse Begebenheit im Wald. Der amerikanische Imker George entdeckt 2007 zu seinem Schrecken die ersten verlassenen Völker in seinem Bestand. Und der Saatguthändler William entwickelt 1852 einen modernen Bienenstock in Kastenbauweise.

Dass die drei Biografien miteinander in Verbindung stehen, wird erst am Schluss offenkundig. Maja Lund, die diese Erzählweise in ihrem neuen Buch „Die Geschichte des Wassers“ fortgeführt hat, plante übrigens vom ersten Teil an ein „Klima-Quartett“; es werden also noch zwei weitere Romane zum Thema Umwelt folgen. Da die Autorin über die Kunst verfügt, Sachliches in Lebendiges zu verwandeln, indem sie eher trockene Tatbestände in die Lebenslinien von Menschen integriert, darf man gespannt sein. „Die Geschichte der Bienen“ und „Die Geschichte des Wassers“ wurden jedenfalls sofort nach ihrem Erscheinen zu Bestsellern.

Und alles für den Honig – warum Bienen so fleißig sind
Die kleinen, nach menschlichen Maßstäben äußerst fleißigen Insekten, bestäuben nicht nur Pflanzen, sondern sorgen auch für ein Naturprodukt, das ihnen das Überleben sichert: den Honig (siehe „Die PTA in der Apotheke, 05/2018). Er entsteht, indem beim Besuch des Insektes auf dem Blütenstand zunächst Nektar eingesaugt und im sogenannten Honigmagen zwischengelagert wird. Zuhause angekommen, geben die Arbeitsbienen den Saft an die Stockbienen ab, die ihm systematisch Wasser entziehen und Enzyme zugeben, bis eine Art Balsam entsteht, der reich an unterschiedlichen Zuckern und antibiotisch wirksamen Inhibinen ist. Diese hochkalorische Nährlösung wird in den wächsernen Bienenwaben gelagert, bis der Wassergehalt bis auf unter zwanzig Prozent verdampft ist – dann erst wird er von den Stockbienen mit einem Wachsdeckel verschlossen. Da dieser Vorgang den ganzen Frühling und Sommer hindurch täglich zehntausendfach stattfindet, ergibt sich am Ende ein reichlicher Nahrungsvorrat für den Winter: Zwischen 20 und 30 Kilogramm Honig befinden sich schließlich im Bienenstock. Für 300 Gramm Honig muss eine einzelne Biene 20 000 mal ausfliegen. 

Süße Ernte
Am Ende des Sommers tauscht der Imker den nun fest verdeckelten Honig gegen Zuckersirup aus, mit dem Bienen ebenfalls hervorragend überwintern können. Der Imker – dessen Name sich aus „Imme = Biene sowie Kar = Gefäß ableitet – belässt auch den proteinreichen Pollen im Stock, der ebenso wichtig für die Nährstoffversorgung der Tiere ist. In einer Honigschleuder trennt er den Rohstoff von den Waben.

Systemrelevantes Insekt
Honig ist in Deutschland heiß begehrt; über ein Kilogramm vertilgt man hier pro Kopf. Da die 130 000 deutschen Imker „nur“ 25 000 Tonnen im Jahr produzieren, wird 80 Prozent des heimischen Bedarfs importiert. Auch deshalb hat der Deutsche Imkerbund allerorten Kampagnen gestartet, mit der auch Privatleute zur Hobbyimkerei bewogen werden sollen. Selbst in den Städten wird mit Erfolg geimkert und sogar auf dem Dach des Berliner Reichstages stehen zwei Bienenstöcke. Wie wichtig die Bienen für die Natur sind, hat die neue Landwirtschaftsministerin im April erstmals ausgesprochen: „Bienen sind systemrelevant“, sagte Julia Klöckner (CDU) in einer Rede im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung wolle sich außerdem bei der EU dafür einsetzen, dass Neonicotinoide künftig ausschließlich in Gewächshäusern angewendet werden dürfen, da das Nervengift im Verdacht steht, für das Sterben der Bienenvölker mit verantwortlich zu sein.

Das Buch zum Thema:
Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lund, deutsche Erstausgabe, aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein, gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 528 Seiten, ISBN: 978-3-442-75684-1 € 20,00, btb

Alexandra Regner,
PTA/Redaktion

Quelle: Deutscher Imkerbund
   Die Welt

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