Interview
ECHTE KERLE?
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Im Jahr 2010 haben wir Sie schon einmal interviewt – haben Sie das Gefühl, dass Männer sich mittlerweile mehr um ihre Gesundheit kümmern?
Ich habe den Eindruck, dass dies der Fall ist. Man sieht es an den statistischen Daten, dass im Durchschnitt 0,4 bis 1 Prozent mehr Männer jedes Jahr zu den Vorsorgeuntersuchungen gehen. Das ist zwar ein langsamer Fortschritt, aber ein stetiger! Männergesundheit wird dankenswerterweise auch immer häufiger von den Medien aufgegriffen und damit rückt sie immer stärker in das Bewusstsein der männlichen Bevölkerung und deren Partnerinnen.
Fällt es Männern generell schwer, sich an einen Arzt zu wenden, wenn sie Beschwerden haben?
Ja! Unsere eigenen Studien haben gezeigt, dass Männer viel lieber in die Werkstatt gehen und sich um ihr Auto kümmern, als um ihre eigene Gesundheit. Insbesondere mögen sie keine langen Wartezeiten in den Sprechstundenzimmern haben. Außerdem haben Männer Angst vor schlechten Nachrichten, die der Arzt ihnen bezüglich ihres gesundheitlichen Zustandes geben könnte. Natürlich möchte niemand negative Nachrichten hören, Männer sind aber so getriggert wie es Herbert Grönemeyer besingt „Männer sind furchtbar stark, Männer können alles”.
Urologe, Androloge – welcher Facharzt ist für Männer zuständig?
Es können verschiedene Facharztdisziplinen für die Männer zuständig sein. Ärzte, die sich auf Männergesundheit spezialisiert haben und Ärzte, die durch ihre Weiter- und Ausbildung die entsprechende Ahnung von der Männergesundheit haben, kommen hier in Frage.
Das können sowohl die Urologen sein, die sich auf die Männergesundheit –die sich ja nicht nur auf Genitale und Prostata projiziert – spezialisiert haben, aber auch Hausärzte, die Internisten oder auch Allgemeinmediziner sind, oder Spezialisten aus andern Fachdisziplinen können sich um die Männer kümmern. Wir haben es so eingerichtet, dass der suchende Patient sich über das Portal www.mann-und-gesundheit.com einen entsprechenden Arzt, der Ahnung hat von Männergesundheit, in seiner Nähe aussuchen kann.
MITMACHEN UND GEWINNEN!
Die ersten zehn LeserInnen, die uns eine E-Mail mit dem Stichwort „Männergesundheit” an gewinnspiel@pta-aktuell.de senden, gewinnen jeweils zwei Eintrittskarten für den Jahreskongress „Männergesundheit erleben” am Samstag, 20. April 2013, im Kongress- Center Bad Homburg – viel Erfolg!
Was sind die häufigsten Probleme, die Ihnen vorgetragen werden?
Die meisten Beschwerden, die artikuliert werden, sind dort gegeben, wo der höchste Leidensdruck vorhanden ist. Männer entwickeln diesen oft in ihrer Sexualität und sind deswegen auch bereit zum Arzt zu gehen. Wegen einer ab und zu mal auftretenden Kniesymptomatik suchen sie jedoch weniger medizinischen Beistand. Falls Erektionsstörungen als Ursache des Leidensdrucks genannt werden, sind diese genau der richtige Einstieg in die Männergesundheit.
Wir wissen, dass circa 80 Prozent aller Männer, die über erektile Dysfunktion klagen, ein gefäßtechnisches Problem haben und das weist daraufhin, dass man Jahre später einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall als Mann bekommen kann. Das bedeutet, hier kann der Männergesundheitsarzt Prävention betreiben! Nicht nur die Erektionsstörung beheben und dem Paar wieder mehr Lebensglück und -freude bescheren, sondern auch aktiv die Ursache angehen und damit weitere Komplikationen verhindern.
Weitere Probleme sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit, die sich besonders am Nachmittag in der Arbeitswelt wieder spiegeln. Diese Männer klagen darüber, dass sie den Leistungsabfall bemerken. Hier gibt es verschiedene Ursachen wie beispielsweise die hormonelle Situation, aber auch psychogene Faktoren können eine ganz große Rolle spielen. Des Weitern sehen wir auch viele Männer, die sich bezüglich der Gewichtszunahme vorstellen und hier Untersuchungen wünschen und auch entsprechende Tipps erhalten möchten, wie sie eine entsprechende körperliche Aktivität oder eine Ernährungsumstellung durchführen können.
Die BZgA hat kürzlich ein Männergesundheitsportal initiiert – ein erster Schritt, dass auch das Gesundheitssystem Männer nicht mehr vernachlässigt?
Ich finde es sehr gut, dass dieses Portal online gegangen ist! Jede Aktivität, ob es der erste Männergesundheitsbericht, den wir unter anderem als Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit (DGMG) initiiert haben, oder ob es entsprechende Internetseiten sind, die von verschiedenen Institutionen angeboten werden – alles ist geeignet, die Männergesundheit weiter so voranzutreiben!
Was müsste sich diesbezüglich noch verändern?
In meinen Augen sind wir auf dem richtigen Weg: Steter Tropfen höhlt den Stein! Und das sehen wir immer wieder, mehr Männer achten auf ihre Gesundheit. Es müssen mehr größere Initiativen laufen. Wir sind beispielsweise in Gesprächen, eine bundesweite bundesweite Kampagne mit den Behörden auf die Beine zu stellen. Das ist natürlich alles eine Kostenfrage, wie man so etwas am günstigsten durchführen könnte.
Ende April findet Ihr nächster Kongress zum Thema „Männergesundheit erleben” statt – was sind die Schwerpunkte und was erwartet die Teilnehmer?
Diese haben wir bewusst anders gelegt als auf den rein wissenschaftlichen Kongressen. Erstmals sprechen wir gezielt das Praxisteam an, die medizinischen Fachangestellten (MFA) und hier vor allem die Ersthelferinnen. Denn die MFA sind es, die den Mann als erstes in der Praxis erreichen. Sie können die Kommunikation so steuern, dass er auf Möglichkeiten der Vorsorge angesprochen wird. Ein anderer Schwerpunkt ist die psychische Gesundheit des Mannes. Zum Beispiel das Thema Prostata-Karzinom und damit verbundene psychosomatische Probleme – ein Thema, das in den Arztpraxen zu selten zur Sprache kommt.
Setzt auch bei den Ärzten ein Umdenken ein, was die männlichen Patienten betrifft?
Ja, insbesondere bei den jüngeren Medizinern sehen wir das immer wieder. Und daher halte ich hier auch in Hamburg regelmäßig Vorlesungen an meiner Arbeitsstätte am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und weise immer wieder die angehenden Ärzte darauf hin, wie wichtig das Thema Männergesundheit ist. Wünschenswert wäre hier grundsätzlich ein bundesweites Kolloquium für die Studenten zu haben.
Was verbirgt sich hinter der Aufklärungskampagne Ihrer Gesellschaft „Mann oh Mann – Mein Testosteron”?
Testosteron wird immer noch in die Ecke des reinen Sexualhormons gestellt. Dabei ist es für das gesamte Wohlbefinden des Mannes enorm wichtig – es ist sozusagen das Königshormon. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel kontinuierlich. Das kann zu einem Vitalitätsverlust führen, zu Antriebslosigkeit und Erschöpfung, ja bis hin zu Depressionen. Auch Gewichtsprobleme können die Folge sein. Unser Ziel ist es die Männer über dieses Königshormon aufzuklären. Man kann übrigens einiges selbst dazu tun, dass der Testosteronspiegel nicht zu stark absinkt – zum Beispiel durch regelmäßige Bewegung und Sport, aber auch durch eine vielseitige und abwechslungsreiche Ernährung. Obst, Gemüse und Fisch sollten auf jeden Fall auch auf dem Speiseplan stehen.
Phillip Lahm, Heiner Lauterbach und aktuell Erol Sander – wie ist die Resonanz auf den jährlichen „Gesundheitsmann”?
Sie ist hervorragend! In vielen Zeitungen wurde darüber berichtet. Und gerade die Schauspieler Heiner Lauterbach und Erol Sander haben es sich nicht nehmen lassen, in Talkshows auf ihre „Vorbildrolle” als Gesundheitsmann des Jahres hinzuweisen. Erol Sander hat sogar eine tolle Videobotschaft gesendet, die auf YouTube zu sehen ist. Ein überzeugender Appell an die Männer, auf ihre Gesundheit zu achten.
Sport und Fitness – neigen Männer hier oft zu übertriebenem Ehrgeiz?
In Hamburg ist es üblich, um die Alster herumzujoggen und hier kann man auch immer wieder beobachten, wie schwer es Männern fällt, sich von anderen überholen zu lassen und dass sie dann über ihre Leistungsgrenze hinausgehen. Wir haben einige Patienten gehabt, denen wir wirklich in Kleinstarbeit erläutern mussten, wie man den Weg der kleinen Schritte geht, um dann richtig große Erfolge zu erzielen. Es fällt den Meisten sehr schwer, aber die, die sich darauf einlassen, sehen wie toll und wie nachhaltig es ist, „los zu lassen”.
KONGRESS
Im April heißt es aufgepasst: Denn dann treffen auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. (DGMG) pragmatische Wissenschaft und praktisches Zukunftswissen aufeinander. Neben Vorträgen und Workshops zur Männergesundheit bietet der Jahreskongress ein interaktives Programm, durch das er sich von einem klassischen Kongress abhebt. Es erwartet Sie unter anderem ein Gesundheitsparcours mit Informationen über IGeL-Vorsorgeleistungen und deren
Abrechnungsmodi – machen Sie zusätzlich Ihren persönlichen Gesundheits-Check! Informationen: Jahreskongress „Männergesundheit erleben”, am Samstag, 20. April 2013, im KongressCenter Bad Homburg. Anmeldung auf www.mann-und-gesundheit.com.
Wie sieht es um ihre Ernährung aus?
Wie wir aus großen epidemiologischen Studien wissen, essen Männer lieber scharf angebranntes Fleisch und nehmen weniger Obst, Gemüse oder Salat zu sich. Hierzu gibt es viele unterschiedliche Ratgeber und auf einen Nenner gebracht: Es ist wichtig darauf zu achten, dass man sich umfangreich ernährt und gesunder Kost einen Stellenwert gibt. Alles in Maßen – auch das ungesunde, denn Lebensqualität spielt auch in der Ernährung eine große Rolle.
Stichwort Schönheitschirurgie – holen hier die Männer im Vergleich zu den Frauen mittlerweile auf, was Facelifting & Co. betrifft?
Wenn wir uns die Zahlen betrachten, sehen wir, dass am Anfang die Schönheitschirurgie im Prinzip eine reine Frauensache gewesen ist. Jetzt aber kümmern sich immer mehr Männer im Rahmen der Männergesundheit nicht nur um ihren Körper, sondern möchten auch entsprechend optisch wirken. Daher nehmen die Zahlen bezüglich schönheitsoperativen Eingriffen bei Männern in den Industrienationen jedes Jahr stetig zu. Das sieht man unter anderem aber auch daran, dass immer mehr Kosmetikprodukte für Männer herausgebracht werden, weil es ganz einfach einen Markt für diese Zielgruppe – den Mann – gibt. Der Mann möchte auch gerne gut aussehen!
»Wir Männer sollten auch unser Leben genießen können!«
Übertriebener Körperwahn, kosmetische Korrekturen oder „adipöses Nichts-Tun”, Vorsorgemuffel und chronisch krank – was raten Sie dem deutschen Mann, um auch gesundheitlich mit den Frauen mitzuhalten?
Extreme sollte man grundsätzlich vermeiden! Ein Grundprogramm der körperlichen Aktivität wäre ideal. Wie sehe ich das: Zwei Mal in der Woche für 10 bis 20 Minuten ein paar muskuläre Übungen durchführen. Ich präferiere hier Übungen für den Rücken, für die Brust und für die Oberschenkel und Übungen, die die Mitte (Bauch, unteren Rücken und Becken) stärken. Zusätzlich sollte man darauf achten, dass man viel zu Fuß geht, den Fahrstuhl stehen lässt und die Treppe benutzt oder am Wochenende zum Bäcker (der nur 400 Meter weit entfernt ist) zu Fuß geht. Das würde ich so als Basis ansehen.
Wer zusätzlich noch weiter körperliche Aktivitäten macht, Ausdauer- oder Balance- und Koordinationstraining, der setzt dem i noch das Tüpfelchen auf. Des Weiteren ist es wichtig, auf Symptome wie beispielsweise Erektionsstörungen zu reagieren und sich vorzeitig beim Arzt zu melden, um sicher zu gehen, dass man in den nächsten Jahren keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommt. Spezielle Untersuchungsmethoden, wie die Doppler-Duplex-Sonografie der penilen Gefäße, können das Risiko bei den entsprechenden Männern abschätzen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Ernährung und für andere Lebensbereiche: Alles in Maßen, aber wir Männer sollten auch unser Leben genießen können!
Zehn Tipps für ein gesundes Männerleben von der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit
- Geht zur Vorsorge! Nicht erst ab 45 zum Arzt gehen! Vor allem dann nicht, wenn Vater, Bruder, Opa oder Onkel Prostatakrebs hatten. Ruhig schon fünf Jahre früher zur Vorsorge gehen. Fragen Sie Ihren Arzt oder die DGMG nach der U25plus
- Trinkt mehr Wasser! Es hilft, Energie zu verbrennen und besser abzunehmen. Trinkt mindestens zwei bis drei Liter am Tag.
- Bunt ist gesund Fünf Mal am Tag Obst und Gemüse ist optimal. Als erster Schritt reicht schon ein bis zwei Mal! Denn gute Kost hilft gegen freie Radikale, die Krebs erzeugen können. Wenn schon Süßigkeiten, dann in Maßen.
- Macht mehr Schritte! Ab dem 30. Lebensjahr nehmen viele Männer zu. Nur 300 Schritte mehr am Tag können das verhindern. Einfache Schrittzähler helfen bei der Umsetzung.
- Treibt Sport! Zwei Mal die Woche 20 bis 30 Minuten Ausdauertraining. Zu Hause oder im Fitnesscenter leichte Kraftübungen für Arme, Rücken, Bauch.
- Hört auf zu rauchen! Es ist nicht nur schlecht für die Lunge. Auch Blase, Gefäße und das gesamte Immunsystem leiden. Auf die Dauer kann es sogar impotent machen.
- Schlaft gut! Schlaf ist Erholung für Zellen und Geist – und Training für den Penis. Jeder Mann hat nachts vier bis sechs Erektionen. Tipp: Schlafrituale schaffen, kein Fernseher ans Bett, Zimmer abdunkeln.
- Erektionsprobleme führen zu Herzproblemen! Verstopfte Penisgefäße weisen auf verstopfte Herzkrankgefäße hin. Studien haben bewiesen, dass ungefähr sechs Jahre nach den ersten Erektionsproblemen ein Herzinfarkt oder Schlaganfall auftritt. Erektionsproblem daher nicht auf die leichte Schulter nehmen.
- Habt Sex! Studien haben gezeigt, dass mehrere Orgasmen pro Woche gesund sind. Dadurch steigt der Testosteronspiegel, Muskeln bauen sich auf und Fett wird abgebaut.
- Eine glückliche Partnerschaft tut gut, eine unglückliche macht krank! Gegenseite Unterstützung, aufeinander achten, Freude an der Liebe wirken lebensverlängernd und reduzieren Stress. Es ist wichtig, sich für Liebe und Leidenschaft in einer guten Partnerschaft einzusetzen. Eine unglückliche macht krank.
VITA
Professor Frank Sommer, Jahrgang 1967, ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. und weltweit der einzige Professor für Männergesundheit – am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Lehre und Forschung spezifisch männlicher Krankheiten und Beschwerden. Als Autor zahlreicher Publikationen zum Thema Männergesundheit ist er auch häufig zu Gast in Fernsehsendungen wie „Spiegel-TV”, „Fit for Fun” (Vox), „Galileo” (PRO 7), „Abenteuer Wissen” (ZDF). Für seine Arbeit erhielt er mehrere nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den Paul-Mellin-Gedächtnispreis und den Präventionspreis von Tumor & Health.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 106.
Das Interview führte Dr. Petra Kreuter, Redaktion