© Bernd Jürgens / fotolia.com

Pferdefleischskandal

DREISTER SCHWINDEL

Im Februar ging ein Aufschrei durch Europa: In vielen Ländern wurde Pferdefleisch als Rindfleisch verkauft. Zudem wurde in einigen Proben ein Medikament mit schweren Nebenwirkungen gefunden.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Anfang des Jahres wurde in Großbritannien und Irland mittels DNS-Tests als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch in Fertigprodukten nachgewiesen. Es kam – noch korrekt gekennzeichnet – aus einer rumänischen Schlachterei. Offensichtlich fand die Umdeklarierung auf der weit reichenden Transport- und Verarbeitungskette statt.

Mitte Februar griff der Skandal auch auf Deutschland über, wo allein 180 000 Lasagnegerichte aus dem Handel gezogen wurden. Insgesamt sind europaweit wohl 550 Tonnen Pferdefleisch falsch deklariert in den Handel gelangt.

Rechtliche Grundlage Was im Produkt drin ist, muss auch draufstehen. Da Lebensmittelrecht europäisches Recht ist, wollte das europäische Parlament weiter gehen und regte eine Herkunftskennzeichnungspflicht an. Vielfach verarbeitetes Fleisch wird über fünf oder mehr Länder hinweg geordert, transportiert, verpackt und neu verpackt.

Ministerin Aigner reagiert auf den Skandal mit einem „nationalen Aktionsplan“, der jedoch nach Ansicht von Verbraucherschützern aufgrund der dubiosen europäischen Vertriebswege sinnlos ist. Sinnvoll wären hingegen sicherlich europaweite DNS-Tests für fleischhaltige Lebensmittel, doch diese sind sehr teuer und würden den ohnehin schon engen Personalrahmen der deutschen Lebensmittelkontrolleure sprengen. Hier zu Lande gibt es nur 2400 von ihnen, das bedeutet, ein Kontrolleur ist für etwa 1000 Betriebe zuständig.

Gefahr durch Medikamente? Prinzipiell ist Pferdefleisch nicht schädlich für die Gesundheit. In vielen Regionen gilt es sogar als Delikatesse. Allerdings müssen diese Tiere als solche deklariert sein. Sie dürfen dann auch nur bestimmte Medikamente bekommen. Niemand weiß aber, ob Pferdefleisch von zugelassenen Schlachttieren stammt oder ob es sich vielleicht um ausgediente Nutz- oder Sportpferde handelt.

Diese werden aber häufig mit dem Rheumamittel Phenylbutazon behandelt. Das Medikament kam früher auch bei Menschen zum Einsatz, bis man schwere Nebenwirkungen feststellte. Es löste Magengeschwüre und -blutungen aus, führte zu Ödemen und Nierensteinen oder gar zu einer Agranulyzytose. Daher wird Phenylbutazon beim Menschen heute nur noch in Einzelfällen angewendet.

Verständlicherweise waren die Verbraucher verunsichert: Konnte es durch den Verzehr des Pferdefleisches auch zu den Medikamentenwirkungen kommen? Die klare Antwort: Nein. In Großbritannien betrug der höchste gemessene Phenylbutazonwert 1,9 Milligramm pro Kilogramm Pferdefleisch. Ein erwachsener Mensch müsste daher täglich etwa 600 Hamburger aus hundertprozentigem, kontaminiertem Pferdefleisch essen, um eine Phenylbutazonmenge aufzuweisen, die ein Arzt als Therapieeinheit verschreiben würde.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 auf Seite 54.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×