Der Apothekenkrimi
DIE SPANISCHE FLIEGE – TEIL 5
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Kapitel 7 Britta Badouin saß genießerisch in einem Sessel mit Plastikbezug und blätterte im „Silbernen Blatt“. Um sie herum wallte ein schwarzer Frisierumhang. Die Friseurin – Britta ging immer zur gleichen – trug gerade mit einem Pinsel eine weiße Paste auf ihren Haaransatz auf. Ärgerlicherweise ergrauten ihre früher so prachtvollen rötlichen Haare zunehmend, doch Britta gedachte sich dieser Zeichen des Älterwerdens keinesfalls zu ergeben. Oh nein. Auch wenn sie sonst nicht gerade eitel war, mit ihrem Haupthaar verstand sie keinen Spaß. Die Friseurin, Dunja hieß sie, plauderte in diesem speziellen Plätscherton mit Britta, der nur in Friseursalons vorkommt und den Männer niemals verstehen werden.
Denn auf dem Friseurstuhl sind Frauen sozusagen nackt und bloß; kein Außenstehender bekommt sie so zu Gesicht, nicht einmal der eigene Ehemann. Die Haare kleben mit Färbemittel dicht am Kopf, das Gesicht ist ungeschminkt, es riecht leicht nach Ammoniak. Und dann diese herrlichen Klatschzeitungen, die immer auf dem neuesten Stand sind. Manchmal, dachte Britta, sind sie das einzige, was selbst den Zahnarzt erträglich macht. „Wir sind vor vier Wochen aus den USA wiedergekommen“, plauderte Dunja, „Es war herrlich dort. Ach, es ist da alles so anders. Neben dem Hotel gab es einen kleinen Friseursalon, dort bin ich zum Spaß mal hingegangen.“ „Und? Wie war es?“ fragte Britta und blätterte konzentriert in der Zeitschrift auf ihrem Schoß.
Der kleine Schwedenprinz war aber auch zu niedlich. Obwohl sein Vater, der Daniel, nicht gerade zu den Attraktivsten im Lande gehörte, was vielleicht auch an der doofen Brille und den zurückgegelten Haaren lag. „Ich hab nur einen Termin bekommen, weil jemand anders abgesagt hatte. Also, du glaubst es nicht. Man hatte das Gefühl, in einem Wohnzimmer zu sitzen. Das war kein Friseur, das war… ein Kaffeeklatsch. Die Frauen kannten sich alle, saßen top-gestylt unter ihren Hauben, bekamen noch zusätzlich die Fingernägel gemacht und erzählten sich dreckige Witze über ihre Männer. Ich hab mich schlapp gelacht.“
Helene Fischer promotete ein neues Album und räkelte sich dazu am Strand. Britta konnte den Zusammenhang nicht auf den ersten Blick herstellen, aber egal. Ihre Bluse war ziemlich durchsichtig. „Und wie es da roch!“ „Wie denn?“ fragte Britta. „Nach Früchten! Solche Parfüms sind dort gerade modern! Es roch nach Mango und Kirsche und Banane, total irre.“ Der dicke Andy Borg, der mal den Musikantenstadl moderiert hatte und als „Schlagerstar“ bezeichnet wurde, radelte mit seiner Frau („Seit 27 Jahren verheiratet!“) über einen Feldweg und grinste feist in die Kamera.
Er hatte eine neue CD herausgebracht, die sich die Leser des „Silbernen Blattes“ unbedingt kaufen sollten, weil sie so gut war. Britta überlegte, ob sie die mal in der Apotheke laufen lassen sollte. Lieber nicht, sonst blieben die Kunden noch weg. „Manche Frauen haben dort fest jeden Samstag gebucht. Wenn nicht für die Haare, dann für die Füße, die Hände oder für eine Kopfmassage. Die bieten da alles an.“ „Mhm“, machte Britta. Ihr Blick blieb an einem Foto hängen, das Königin Maxima der Niederlande, Angela Merkel und Ivanka Trump zeigte. Nebeneinander. Oh Mann, der Vergleich ging für Angela nicht gut aus.
„Sie hat einen guten Friseur“, bemerkte Dunja mit Kennerblick. „Wer? Die Merkel?“ „Auch.“ Die beiden Frauen gackerten über diese Bemerkung, was ein männlicher Beobachter leicht für grenzdebil hätte halten können. Auf der nächsten Seite prangte ein Foto von Maximilian Schell, dessen Todestag sich wieder einmal jährte, was von seiner blutjungen Witwe zum Anlass genommen worden war, vor einem Schwarz-Weiß-Foto des Schauspielers für die Presse zu posieren. Nur das Baby auf ihrem Schoß zauberte ein Lächeln auf ihre Züge. Sie hatte es vor nicht allzu langer Zeit mit einem Verwandten ihres verstorbenen Ehemannes bekommen. „Der hatte was, der Schell“, sagte Dunja. „Alt und dick und wirr. Aber die Frauen flogen immer noch auf ihn.“
„Meinst du?“ fragte Britta, die das Porträt des Schauspielers betrachtete. Dieser dunkle, flammende Blick. Selbst noch in diesem Alter… „Ein Mann muss nicht schön sein“, bemerkte Dunja weise. Britta dachte an Professor Hans Ferdinand. An seine leicht hervortretenden blauen Augen, den kahlen Kopf, die dicke Brille. Und an Jeanette Scholz, seine Lebensgefährtin, die ihn verzaubert angesehen hatte beim Galadiner. „Ich hatte mal einen Freund, hinter dem waren auch alle Weiber her. Der hat sich darüber immer lustig gemacht. Einmal ist eine gegen die Glastür gerannt, weil sie so damit beschäftigt war, ihm schöne Augen zu machen. Ach, solche Männer hast du nie für dich allein.“
„Hat er dich betrogen?“ fragte Britta, denn solche intimen Fragen konnte man nur mit Farbpaste auf dem Kopf seiner Friseurin stellen, die man schon jahrelang kannte. „Nicht direkt. Er war so ein serieller Monogamist, immer nur einer treu. Einer zur Zeit. Nach mir kam halt jemand anders. Schade. Aber es war wirklich eine schöne Zeit.“ Dunja pinselte noch ein wenig Farbe auf die Schläfenhaare. „Manche Verflossenen von ihm haben es allerdings schlechter weggesteckt als ich. Eine hat ihm mal Schokopralinen geschickt, in die sie mit einer Spritze Rizinusöl reingearbeitet hatte.“ „Sowas“, sagte Britta. „Hat er‘s gemerkt?“ „Spätestens auf dem Klo“, grinste Dunja.
Während die Farbe einwirkte und Britta noch ein wenig durch die Königshäuser dieser Welt blätterte, summte plötzlich ihr Handy. Em schickte ihr eine WhatsApp-Nachricht. „Erinnerst du dich noch an Dr. Thomas Wennerholds Frau?“ Britta textete: „Die vom Preisträger? Die hübsche, sportliche?“ „Ja. Sie heißt Miriam, auch Ärztin“ „Was ist mit ihr?“ „Die hat mal was mit dem Ferdinand gehabt!“ Britta schaute wie vom Donner gerührt auf ihr Handy. Mit wem hatte der eigentlich nichts angefangen? „Wann?“ „Ruf mich mal an.“ „Sitze beim Friseur. „Kannst du in die Apotheke kommen?“ „Klar. Bis nachher.“
WAS BISHER GESCHAH
Dr. Hans Ferdinand ist tot – vor aller Augen mittels einer kräftigen Prise Cantharidin getötet. Doch seine Freundin, die Klinikapothekerin Dr. Jeanette Hain, bestreitet jegliche Mordabsicht. Drei Paare waren bei dem Galadinner anwesend – wer von den sechsen ist es gewesen? Britta Badouin ermittelt wieder und hat das Problem, dass alle Beteiligten sich hervorragend auf dem Gebiet der Pharmazie auskennen…
Zur Apotheke war es nicht weit. Nur so konnte es möglich gemacht werden, dass Britta sich mal kurz auf den Friseurstuhl begab, denn über Mittag hatten sie geschlossen. Ach, sie musste unbedingt eine Aushilfsapothekerin einstellen. Britta war in diesem Punkt immer noch ein wenig übersensibilisiert, denn die letzte war ja umgebracht worden. Sie dachte gar nicht gern daran zurück. Andererseits hatte ihr die Geschichte Robert beschert. Ihr Robert, der eigentlich Hans-Albert hieß, und der alles getan hatte, damit Britta ihm damals wohlgesonnen blieb. Dass eine Verkettung unglücklicher Umstände dann derartige Verwicklungen nach sich ziehen würde, konnte ja kein Mensch ahnen. Ja, über den „Mord am Mainufer“ hatten sie sich kennen gelernt. Als Britta aufgehübscht aus dem Friseursalon trat, kam sie sich vor wie ein Filmstar.
Dunja hatte sich an den amerikanischen Kollegen ein Beispiel genommen und ihr gleich noch ein typgerechtes Make-up verpasst. Dazu hatte es Café au Lait und ein Croissant gegeben. Britta freute sich schon auf den nächsten Termin. In der schönen alten Apotheke am Herborner Marktplatz war es jetzt, am Nachmittag, relativ ruhig. Annette bediente gerade einen Stammkunden, als eine Frau die Apotheke betrat und zielsicher das Läuseregal hinter dem HV-Tisch ansteuerte. Rieke, die PKA räumte gerade diverse Flaschen mit den verschiedensten Wirkstoffen ein, als die Kundin sie ansprach.
„Können Sie bitte mal schauen?“ fragte sie. Rieke sah sich hilfesuchend um; sie durfte streng genommen dieses Thema nicht beraten, da es auch rezeptpflichtige Arzneimittel umfasste. Doch wie immer sahen die Kunden alles, was einen weißen Kittel anhatte, als Apotheker an. Und hatten so gar kein Verständnis, wenn die nicht sofort Rede und Antwort standen. „Ja, bitte?“ fragte Rieke widerstrebend. Die Frau legte einen leeren Blister, dessen Aluminiumversiegelungen nach oben abstanden, auf den Zahlteller aus Hartplastik. „Also, ich bin mir da nicht ganz sicher, deswegen hab‘ ich sie mal mitgebracht.“
Britta stand von ihrem Schreibtisch auf. Sie hatte die Szene im Blick und sie bemerkte Riekes fassungslosen Gesichtsausdruck. Um Gottes willen. Was hatte die mitgebracht? Sie trat neben die PKA, grüßte kurz und schaute dann mit Rieke zusammen auf ein paar offene Plastikvertiefungen, in denen früher die Tabletten steckten. Da krabbelte was. „Sind das Läuse?“ fragte die Kundin. Annette kümmerte sich mitfühlend im Backoffice um Rieke, die immer noch ein wenig grün im Gesicht war. „Mach dir nichts draus, ich hatte mal jemanden, der wollte, dass ich ihm `ne Zecke raushole.“ „Und hast du?“ fragte Rieke mit schwacher Stimme.
Läuse in der Apotheke. Ein Mord beim Galadinner. Überraschende Neuigkeiten. Britta Badouin ging zurzeit viel im Kopf herum.
„Das dürfen wir doch gar nicht. Das besondere an der Zecke war übrigens, dass sie dem Mann in der Leiste saß. Er fing gerade an, sich auszupacken, bevor wir ihn stoppen konnten.“ „Oh Gott“, stöhnte Rieke. „Ich hab auch eine Geschichte“, sagte Britta munter. „Im Winter war mal einer da, der ein Mückenspray haben wollte, weil sein Kind total zerstochen war. Mücken im tiefsten Winter fand ich echt unwahrscheinlich. Ich hab vorsichtig gefragt, ob der Hund bei dem Kind im Bett schläft. Der Mann wurde knallrot.“ „Das Kind hatte Flohstiche?“ „Na klar. Ich hab ihn beruhigt und ihm die Dreierpackung gegen Hundeflöhe mitgegeben. Er war ja so dankbar. Kam extra später nochmal, um zu sagen, dass ich wohl mit der Vermutung richtig gelegen hatte.“ „Wie hat er‘s gemerkt?“
Britta grinste. “Vierundzwanzig Stunden später waren alle Symptome verschwunden.“ Rieke griff sich den Lieferschein für eine Warenlieferung aus einer der blauen Kisten vor dem Packtisch. „Das erinnert mich daran, dass wir die Viecherschublade wieder auffüllen müssen. Ich bestell mal eine Ladung gegen Blutsauger und Krabbeltiere. Und Pinzetten und Zeckenkarten.“ „Die Sommerzeit ist eine schöne Zeit“, sagte Britta munter. „Man muss nur die richtigen Sachen im Sortiment haben.“
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„Die Spanische Fliege – Teil 5”