Der Apothekenkrimi
DIE SPANISCHE FLIEGE - TEIL 1
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Dr. Wennerhold, das Moderatoren-Double, hatte sich lächelnd mit der Tischgesellschaft verbrüdert, mit jedem angestoßen, und sich nun wieder neben seine Gattin gesetzt. Die flüsterte ihm etwas zu, legte dabei die Hand auf seinen Arm, schaute in Richtung Dr. Sauerbruch. Wennerhold nickte und bleckte kurz die Zähne.
Am Tisch entstand Bewegung, denn jetzt trug die Kellnerschar das Eis auf. Mango-in-Chili und Vanillesahne. Britta betrachtete die Nachspeise interessiert. Sie sah wirklich interessant aus, das orangefarbene Eis hatte lauter rote Pünktchen, wohl von der Chilischote. Sie war schon sehr gespannt wie das schmeckte.
Neben dem Präsidenten, der sein Eis misstrauisch beäugte, steckten Dr. Sauerbruch und seine hübsche Freundin die Köpfe aneinander. Der Doktor zog ein paarmal das Kinn an die Brust, als wolle er etwas bekräftigen, und dann hob er den Blick und schaute sie lächelnd an. Britta bemerkte erstaunt, dass er dabei beinahe attraktiv wirkte, trotz dicker Brille und Hamsterbacken und sie dachte, wie wandlungsfähig eine charismatische Persönlichkeit doch sein konnte. Auch seine Freundin, die Klinikapothekerin, schaute ihn verzaubert an.
„Hallo, Erde an Venus“, flüsterte Robert ihr zu. „Hier spielt die Musik.“ Britta bekam gerade noch aus den Augenwinkeln mit, wie die junge Frau ein Döschen aus ihrer Handtasche zog, es öffnete und Dr. Sauerbruch eine gute Prise daraus übers Eis streute. Der schaute wohlwollend zu und gab ihr dann einen kurzen Kuss auf die Wange.
Wetten, dass der eine Laktoseintoleranz hat? dachte Britta. Doch dann wandte sie sich wieder Robert zu, der auf sein Eis zeigte. „Probier mal“, sagte er. „Ungewöhnlich, aber lecker.“ Britta schob einen Löffel davon in den Mund. „Scharf“, sagte sie. „Und süß. Aber, du hast recht, wahnsinnig…“ „Aaaaaaaaaargh!“ kam es vom anderen Ende des Tisches, auf das sich sofort alle Augen richteten. Bestecke klirrten, Stuhlbeine scharrten, jemand stand auf und warf dabei seinen Stuhl zu Boden.
Dr. Sauerbruch hatte sich mit einer Hand an die Kehle gegriffen. Seine Gesichtshaut war stark gerötet. Seine Freundin schaute entsetzt auf ihn. „Aber Hans! Was hast du denn? Was ist denn los?“
Der Professor griff mit fahrigen Bewegungen nach seinem Weinglas, kippte dabei die halbe Tischdekoration um und bekam dann den Stil zu fassen. Er stürzte die Flüssigkeit hinunter und begann dann noch mehr zu schreien. Durchdringend und gellend, wie ein Tier.
Inzwischen waren alle aufgesprungen, rannten zu dem brüllenden Doktor, der mittlerweile vom Stuhl gerutscht war und wild um sich schlug. Jemand rief in ein Handy nach einem Notarzt. Es dauerte genau sieben Minuten, bis der Wagen kam. Fünf davon hatte der Doktor Laute von sich gegeben, die Britta noch nie gehört hatte. In der sechsten Minute war er verstummt. Er war schon tot, als die Sanitäter eintrafen.
Die Polizei schloss das Lokal umgehend. Und noch während die Leiche des armen Professors abtransportiert wurde, trat ein Mann in Zivil, der sich als Kommissar Zacharias vorstellte, an die Tischgäste heran und bat sie zum Gespräch. Erste Vernehmung, sagte er. „Wieso Vernehmung?“ fragte die Gattin des Medizinhistorikers scharf. „Es ist doch wohl klar, wer es getan hat. Wir haben doch alle gesehen, wie sie ihm was übers Essen gestreut hat.“
Alle Köpfe drehten sich zu Jeanette Scholz, die immer noch schluchzend und völlig abwesend der Trage mit dem schwarzen Leichensack hinterherschaute. Ihre Lippen bewegten sich, aber keiner hörte, was sie sagte. „Frau Scholz?“ Der Kommissar sprach sie direkt an. „Kommen Sie einmal mit mir, dort drüben hin?“ Er zeigte auf die Tür zu einem kleinen Nebenraum, der wohl als Befragungszimmer dienen sollte. Sie schaute ihn verwirrt an. „Ich hab ihm doch nur sein Lactase-Pulver gegeben, er verträgt das Eis nicht…“
Die Tränen liefen ihr die Wangen hinunter und Britta dachte: Sie hat es noch nicht realisiert, dass er tot ist. Die Kollegin tat ihr leid, obwohl doch alles so aussah, als ob sie es gewesen sei. „Würden Sie uns… das Pulver bitte aushändigen?“ fragte der Polizist und Jeanette griff in ihre Handtasche und holte ein Apothekendöschen heraus, weiß mit rotem Deckel. Sie murmelte: „Ich bestelle es immer in größeren Mengen und fülle es dann um.“
Britta sah von ferne, dass die Dose kein Etikett trug. Komisch, dachte sie. Apotheker und PTA kennzeichnen immer ihre Gefäße, dachte sie. Entweder sie hat das Zeug selbst dort reingetan oder jemand hat es vertauscht. Alle Mitglieder der Tischrunde wurden nun getrennt vernommen, und zwar an Ort und Stelle, im Nebenraum des Sternelokals. Zwei Polizisten passten auf, dass sie sich während des Wartens nicht miteinander unterhielten. Die Gesellschaft stand noch unter Schock, unter dem Eindruck des Geschehenen, und Britta dachte: Hoffentlich entsteht Robert kein Nachteil, er war ja schon einmal in eine Mordermittlung verwickelt.
SIE IST WIEDER DA
Britta Badouin, Inhaberin der Bärenbach- Apotheke im mittelhessischen Herborn, ermittelt wieder. Nach dem Mord am Mainufer und dem Tod im Labor muss sie nun einen Mord aufklären, der schockierenderweise genau vor ihren Augen passiert: Bei einem Festessen anlässlich eines Wissenschaftspreises sinkt ein Mediziner tot zu Boden…
Doch am Ende durften alle nach Hause gehen. Alle bis auf eine: Die Klinikapothekerin kam in Untersuchungshaft. Denn, das ergab eine erste Untersuchung des Polizeiarztes: Der Professor war zweifelsfrei an einem Gift gestorben, das ihm kurz zuvor verabreicht worden war. Es hatte auf seinem Weg vom Rachen in den Magen derartige Reizungen verursacht, dass diese auch nach oberflächlichem Blick mit bloßem Auge gut zu erkennen waren. Die großen, feuerroten Blasen waren wirklich nicht zu übersehen.
Fortsetzung folgt ...
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 116.
Alexandra Regner, PTA/Redaktion
„Die Spanische Fliege - Teil 1”