Nachdenklicher Mann © bowie15 / iStock / Thinkstock

Kolumne | Holger Schulze

DIE MACHT DES POST-FAKTISCHEN

Wer fest an etwas glaubt, neigt dazu, an seiner Meinung festzuhalten, auch im Angesicht von Gegenbeweisen. Dies gilt besonders für politische (und religiöse) Überzeugungen.

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»Warum sind Fake News so schwer zu entkräften?«

Kennen Sie das auch? Die fast schon täglichen Berichte und Debatten über Fake News und die daraus resultierende Feststellung, wir lebten in einem „postfaktischen“ Zeitalter? Tatsächlich scheinen sich neuerdings gerade führende Politiker immer seltener darum zu scheren, ob von Ihnen getroffene Aussagen der Wahrheit entsprechen oder nicht: Dinge werden einfach behauptet, um Stimmung zu machen und Emotionen zu schüren, von Trump bis Erdogan. Das eigentlich Erstaunliche an diesem Phänomen ist dabei aber weniger, dass diese Leute so „kreativ“ mit der Wahrheit umgehen, sondern vielmehr, dass sie von ihren Anhängern weiterhin verehrt werden, selbst angesichts offenkundiger Falschaussagen. Wieso aber ist es so schwer, jemanden, der fest von etwas überzeugt ist – zum Beispiel von der Rechtschaffenheit eines Politikers – vom Gegenteil zu überzeugen?

Wie immer an dieser Stelle hilft bei der Beantwortung dieser Frage ein Blick ins Gehirn: In einer kürzlich erschienenen Studie wurde untersucht, welche Hirnregionen aktiv werden, wenn man Probanden mit Gegenargumenten zu ihren politischen oder nicht-politischen Überzeugungen konfrontiert, und inwieweit sie auf Grund solcher Argumente bereit waren, ihre Ansichten anzupassen. Dabei wurde beobachtet, dass solche Angriffe der eigenen Überzeugungen das sogenannte „default mode“-Netzwerk des Gehirns aktivieren, zu dem der mediale präfrontale Cortex, das Praecuneus sowie Teile des Cingulums gehören.

Bekannt ist, dass dieses Netzwerk immer dann aktiviert wird, wenn sich das Gehirn in einem nach innen gerichteten Zustand befindet, etwa beim Tagträumen. Gleichzeitig werden limbische Areale aktiviert, die im Zusammenhang stehen mit Gefühlen der Bedrohung, Unsicherheit oder Angst. Aus diesen Beobachtungen kann man schließen, dass Angriffe auf die persönlichen Überzeugungen zunächst einmal unangenehme Empfindungen auslösen, und dass sich das Selbst daraufhin von der Umwelt abkoppelt und eine Innenperspektive einnimmt. In dieser wird dann versucht, die negativen Emotionen dadurch zu mildern, indem nach Gegenargumenten gesucht oder versucht wird, die Quelle der zur eigenen Überzeugung unpassenden Fakten zu diskreditieren. Bei diesem Mechanismus handelt es sich primär um einen Schutzmechanismus, der dafür sorgen soll, die eigene Identität, persönlich wie im sozialen Gefüge, davor zu bewahren, in Frage gestellt zu werden.

Aus diesem Grund ist es auch viel schwerer, jemanden von seinen grundlegenden Überzeugungen abzubringen, als von Fehlannahmen in neutralem Faktenwissen zu überzeugen. Und zu ersterer Kategorie gehören nun mal ganz besonders politische (und übrigens auch religiöse) Überzeugungen, da sie als besonders identitätsstiftend gelten dürfen. Gehört man also einer sozialen Gruppe an, beispielsweise den Trump-Anhängern, so verteidigt man die Ansichten dieser Gruppe vehement, vielleicht auch wider besseren Wissens, um letztlich seine eigene Identität zu schützen. Rational ist das nicht, aber das kennen Sie ja sicherlich auch…

Zur Person
Prof. Dr. Schulze Hirnforscher Holger.Schulze@uk-erlangen.de Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaft- liches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 auf Seite 12.

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