Heilpflanzen

DIE KÖNIGIN DER NACHT

Das aus den Samen von Oenothera biennis gewonnene Öl hat wegen seines hohen Gehaltes an mehrfach ungesättigten Fettsäuren großes medizinisches Interesse gefunden.

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Carl von Linné hielt für die Nachtkerze im 18. Jahrhundert den botanischen Gattungsnamen Oenothera fest, der schon lange zuvor in der Antike vergeben wurde. Er leitet sich von den griechischen Worten oinos = Wein und ther = wildes Tier ab. Man nahm auf den Geruch der Wurzel Bezug und glaubte, dass diese mit Wein benetzt wilde Tiere zu zähmen vermag. Allerdings geht man davon aus, dass damals nicht die Nachtkerze, sondern das heutige Weidenröschen gemeint war, das ebenfalls aus der Familie der Onagraceae stammt.

Der lateinische Artenname biennis verweist auf die Zweijährigkeit der krautigen Pflanze. Im ersten Jahr bildet sie eine am Boden liegende Blattrosette mit fleischiger, rübenförmiger Pfahlwurzel, aus der im zweiten Jahr ein bis zu zwei Meter hoher Stengel treibt. Im oberen Teil ist er dicht beblättert und an seinem Ende sitzt ein traubig verzweigter Blütenstand mit zahlreichen, leuchtend gelben Blüten.

Nächtliche Blütenpracht Ihren deutschen Namen hat die Nachtkerze den bemerkenswerten Blüheigenschaften zu verdanken. So öffnen sich die Blüten erst gegen Abend, wenn es dunkel wird, und sind bis zum nächsten Mittag schon wieder verblüht. Abend- und Nachtfalter werden von dem intensiven süßlichen Duft angezogen und bestäuben die Pflanze. Obwohl die einzelnen Blüten so kurzlebig sind, blüht die Pflanze aber praktisch den ganzen Sommer über, da sich an der Rispe der Nachtkerze ständig neue Blüten entwickeln.

Heilpflanze der Indianer Die Oenothera biennis ist ursprünglich in Nordamerika beheimatet. Die Indianer zerstampften ihre Samen und stellten daraus einen Brei her, mit dem sie Umschläge machten, um Hautauschläge und Geschwüre zu lindern. Auch setzten sie die Samen bei Husten, verschiedenen Frauenleiden und zur allgemeinen Kräftigung ein.

Anfang des 17. Jahrhunderts kam die Nachtkerze nach Europa. Sie konnte sich hier als Neophyt, also neue Pflanze, außerhalb ihres Herkunftsgebiets, erfolgreich ansiedeln. Zunächst war sie eine beliebte Zierpflanze in Parks und Gärten. Von da verwilderte sie und verbreitete sich als Ruderalpflanze auf trockenem Öd- und Brachland, wo sie auch heute noch anzutreffen ist.

Im 18. und 19. Jahrhundert pflanzte man sie wieder gezielt in Bauerngärten an, nachdem man ihren Wert als Nahrungsmittel erkannt hatte. Man kochte die Wurzel und aß sie mit Essig und Öl zubereitet als Gemüse oder in dünnen Scheiben geschnitten als Salat. Der Volksmund nennt die Nachtkerze auch Schinkenwurz, da sich ihre Wurzel beim Garen rötlich verfärbt.

Wirksames Nachtkerzenöl Erst im 20. Jahrhundert galt das Interesse den Samen, die ein an den mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linol- und Gamma- Linolensäure reiches Öl, das Nachtkerzenöl, liefern. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren spielen im Stoffwechsel eine große Rolle. Sie sind am Aufbau von Zellmembranen beteiligt und somit als Bestandteil von Hautlipiden für eine intakte Barrierefunktion der Haut notwendig. Außerdem wirken sie immunmodulierend und antientzündlich als Vorstufen der Arachidonsäure und damit auch der Gewebshormone Prostaglandin E1 und E2.

In den 1980iger-Jahren untersuchte man besonders intensiv die Wirkung des Öls bei der symptomatischen Behandlung des atopischen Ekzems, das durch einen gestörten Fettsäuremetabolismus und einer nachfolgenden Unterversorgung der Haut mit Gamma-Linolensäure gekennzeichnet ist.

Linderung beim atopischen Ekzem Es sind Präparate mit Nachtkerzenöl zur innerlichen Anwendung als Arzneimittel zugelassen, die das Fettsäuredefizit ausgleichen und die typischen Symptome des atopischen Ekzems wie Juckreiz, Rötung, Schuppung und Hautentzündung lindern sollen. Um therapeutische Effekte zu erzielen, sind ausreichend hohe Dosierungen über mehrere Wochen notwendig.

Zusätzlich profitieren Neurodermitispatienten von äußerlichen Zubereitungen mit Nachtkerzenöl. Sie helfen, die geschädigte Hautbarriere zu erneuern, den gesteigerten transepidermalen Wasserverlust zu normalisieren und die Hautglätte zu verbessern. Daneben soll Nachtkerzenöl noch bei verschiedenen anderen Beschwerden und Erkrankungen helfen, bei denen auch ein Zusammenhang mit einem Mangel an Gamma-Linolensäure vermutet wird . Verschiedene Präparate mit einem unterschiedlichen rechtlichen Status (Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel) sind erhältlich, wobei ihr Nutzen nicht einheitlich bewertet wird.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/11 ab Seite 66.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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