Impfung | Plan
DIE IMPFSTRATEGIE UND IHRE KRITIK
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Seit dem 27. Dezember wird in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Der Gesundheitsminister hatte schon vor dem Start geahnt: „Es wird an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckeln.“ Der CDU-Politiker sollte Recht behalten. Die einen kommen langsam, andere Länder kommen schneller voran. Die Älteren, die als erste geimpft werden sollen, fragen sich, wie sie an den wichtigen Piks kommen. Die Opposition wirft der Bundesregierung zum Start des Wahljahrs vor, bei der Vorbereitung versagt zu haben. Und auch die EU-Kommission sowie Spahn müssen sich der Kritik aussetzen.
Wie viel Impfstoff ist da und wie viel davon wurde genutzt?
Bislang wurden 1,3 Millionen Dosen des Impfstoffes der Mainzer Firma Biontech an die Bundesländer geliefert. Damit werden zunächst Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Menschen über 80 Jahre sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal versorgt. Viele Bürger und auch Experten beschweren sich, dass nicht genügend Impfstoff da sei. Aber selbst wenn man - wie manche Bundesländer es tun - die Hälfte der Dosen für die nötige zweite Impfung zurücklegt, wurde noch längst nicht die gesamte Menge aufgebraucht.
Bisher wurden mehr als 417 000 Menschen geimpft. (Stand 8. Januar)
Wie sind die Arbeitsbedingungen von pharmazeutischem Personal?
Die Arbeitsbedingungen von pharmazeutischem Personal im Rahmen der COVID-19-Impfungen sind regional sehr unterschiedlich.
Um die Interessen von Apothekenangestellten bei dieser wichtigen Aufgabe berufspolitisch und in der gewerkschaftlichen Rechtsberatung bestmöglich zu vertreten, fragt ADEXA in einer neuen Online-Umfrage nach den vertraglichen Bedingungen und der Organisation. Hier geht es zur Umfrage.
Warum geht es so langsam voran?
Das Gesundheitsministerium verweist an die Bundesländer, die die Impfungen organisieren. Generell könnte es daran liegen, dass erstmal vorrangig in Alten- und Pflegeheimen geimpft wird. Die Bewohner dort sind oft nicht mobil, so dass Impfteams in die Heime fahren müssen. Außerdem sind vor dem Impfen kurze Arztgespräche vorgesehen. Minister Spahn versprach bei „RTL Aktuell“, dass im Laufe des Monats alle Pflegeheim-Bewohner geimpft werden.
Die Leopoldina-Neurologin Frauke Zipp betonte dennoch:
Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen.
Es habe im Sommer Angebote für mehr Impfdosen von Biontech gegeben. „Wir hätten sie jetzt zur Verfügung“, sagte sie der „Welt“. Die Leopoldina gehört zu den wichtigsten Beratern der Regierung.
Wann kommt die nächste Impfstoff-Lieferung in den Ländern an?
Die nächste Charge Biontech-Impfstoff kommt am Freitag, dem 8. Januar. Bis Anfang Februar sind jeweils montags drei weitere Liefertermine vorgesehen. Bis einschließlich 1. Februar sollen weitere 2,68 Millionen Impfdosen an die Länder verteilt werden. Noch im Januar könnte Impfstoff eines anderen Herstellers dazukommen: Die Bundesregierung rechnet für den 6. Januar mit der EU-Zulassung des Impfstoffs von Moderna. „Die genauen Lieferpläne für diesen Impfstoff werden wir dann zügig mit der EU und dem Unternehmen abstimmen“, kündigte das Ministerium an.
Wie kommt man an einen Termin für´s Impfen?
Wie Über-80-Jährige, die nicht in Altenheimen leben, an ihre Impfung kommen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein etwa können sie bereits telefonisch Termine für die Impfzentren buchen, die Hotline 116 117 war Berichten zufolge zum Start aber teilweise schwer erreichbar. In anderen Ländern wie Nordrhein-Westfalen können noch gar keine individuellen Impftermine vereinbart werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht Nachteile für Pflegebedürftige, die zuhause leben. Nicht-mobile Menschen seien schlichtweg vergessen worden. Unklar ist auch noch, wie das Gros der Bürger später informiert wird - ob etwa alle Über-70-Jährigen von den Kommunen oder Versicherungen angeschrieben werden.
Hat die EU-Kommission zu wenig Impfstoff von Biontech bestellt?
Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides weist Kritik zurück. „Das Nadelöhr ist derzeit nicht die Zahl der Bestellungen, sondern der weltweite Engpass an Produktionskapazitäten“, erklärte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Das gilt auch für Biontech.“ Im November wurden bis zu 300 Millionen Dosen des Impfstoffs bestellt, die nach Bevölkerungszahl auf die 27 EU-Staaten verteilt werden. Daneben gibt es Rahmenverträge mit fünf weiteren Herstellern. Insgesamt hat die EU Bezugsrechte für knapp zwei Milliarden Impfdosen, mehr als genug für die 450 Millionen Menschen in der EU. Das Problem: Bisher hat nur Biontech/Pfizer die EU-Zulassung. Die Vielfalt nützt also erstmal nichts.
Warum ist die EU-Kommission so vorgegangen?
Da lange unklar war, wer im Impfstoff-Rennen die Nase vorn haben würde, wollte die Kommission das Risiko streuen. Warum zu welchem Zeitpunkt welche Mengen bei bestimmten Firmen bestellt wurden, ist aber nicht transparent - die Verträge sind geheim. Unter der Hand ist in Brüssel zu hören: Biontech und Moderna waren für einige EU-Staaten zunächst nicht erste Wahl, unter anderem wegen der Preise.
Auch diese sind ein Geheimnis, doch gab eine belgische Staatssekretärin kürzlich auf Twitter zeitweise Einblick: So koste eine Dosis Impfstoff von Moderna umgerechnet rund 15 Euro, von Biontech/Pfizer 12 Euro, von Astrazeneca nur 1,78 Euro.
Kann die EU noch mehr von Biontech bekommen?
Voraussichtlich ja. Man sei „in fortgeschrittenen Diskussionen“ über zusätzliche Lieferungen, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin an Neujahr der Deutschen Presse-Agentur. Also mehr als die bestellten 300 Millionen Dosen. Man arbeite mit der EU am Ausbau der Produktionskapazitäten. Im „Spiegel“ wies er auf Schwierigkeiten hin: “Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten.“ Erst Ende Januar werde klar sein, ob und wieviel zusätzlich produziert werden könne.
Außerdem spreche die Bundesregierung mit dem Hersteller Biontech und dem Land Hessen darüber, wie man schon im Februar in Marburg eine zusätzliche Produktionsstätte schaffen könne, sagte Sahin.
Wann wird genug Impfstoff für alle da sein?
„Die Situation wird sich Schritt für Schritt bessern“, verspricht Gesundheitskommissarin Kyriakides. Rechnerisch reicht die von der EU bestellte Menge der drei Mittel von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca - insgesamt 860 Millionen Dosen - für alle erwarteten Impfungen in Europa: 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit jeweils zwei Spritzen. Sobald alle drei die EU-Zulassung haben, dürfte der Nachschub in Schwung kommen. Dennoch wird die Impfkampagne Monate dauern, weil nur in Etappen geliefert wird.
Quelle: dpa